Erdnaher stellarer Paradiesvogel fliegt im Eiltempo durchs All

Astronomen entdeckten nur zwölf Lichtjahre von der Erde entfernt einen "schnellen" Braunen Zwerg

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Nur 12 Lichtjahre entfernt von unserer Sonne haust ein Brauner Zwerg, der den Stern Epsilon Indi im Sternbild Indianer begleitet. Epsilon Indi, der jetzt zur Unterscheidung zu seinem neu entdeckten Begleiter Epsilon Indi B den Namenszusatz Epsilon Indi A trägt, ist der zweitschnellste Stern am Himmel, der mit bloßem Auge zu erkennen ist. Und sein "Mitläufer" ist der erdnächste seiner Art.

Epsilon Indi A - der helle Stern am rechten Rand - und sein neuentdeckter Begleiter, der braune Zwerg Epsilon Indi B ist das links markierte (eingekreiste) Objekt (Bild: ESO)

Angesichts der geballten Leuchtkraft und energiestrotzenden Vitalität unserer Sonne fällt einem die Vorstellung gewiss nicht leicht, dass auch unser Heimatgestirn - wie alles auf und in dieser Welt - eines fernen Tages sein Leben aushauchen wird, um als Sternenleiche zu enden. Aber der Tod ist ein in der Evolution verankertes kosmisches Gesetz - der Exitus von Planeten, Sternen und Galaxien unausweichlich.

Todesart - eine Frage der Masse

Insbesondere Sterne haben mit einem harten Schicksal zu hadern: Sind deren Energievorräte aufgebraucht, ist die Todesart nur noch eine Frage der Masse. Unsere relativ massearme Sonne etwa wird sich erst in ferner Zukunft (4-5 Milliarden Jahren) zu einem "Roten Riesen" aufblähen, um dann - wie es in der märchenhaften Sprache der Astronomen heißt - als Weißer Zwerg zu enden. Aus dem einstigen Licht- und Wärmespender wird eine sich langsam abkühlende Sternenleiche von einigen tausend Kilometern Durchmesser, in der die Atomkerne dicht an dicht gedrängt werden. Sterne mit einer noch größeren Masse verdichten sich dagegen nach einer gewaltigen Explosion (Supernova) praktisch zu einem einzigen riesigen Atomkern. Von diesen Neutronensternen (Pulsaren) haben sich mittlerweile eine ganze Reihe einen festen Platz in astronomischen Lehrbüchern erobert.

Aber im Kosmos tummeln sich aber noch ganz andere stellare Zeitgenossen, die sich desgleichen mit "fabelhaften" Namen schmücken. Hierzu zählen auch die so genannten Braunen Zwerge (vgl.Braune Zwerge sind vertriebene Geschwister), denen wohl zu Unrecht nachgesagt wird, nichts anderes als kosmische Versager, Fehlzünder im All oder pseudostellaren Blindgänger zu sein.

Wie dies bei "echten" Sternen der Fall ist, entstehen Braune Zwerge ebenfalls durch kollabierende Wasserstoffwolken. Gleichwohl gelingt es diesen aber nicht, die Masse zu erreichen, die nötig wäre, um in ihrem Innern die zentrale Maximumtemperatur zu erreichen, welche das nukleare Feuer entfacht. Denn die Masse von derlei Objekten überschreitet in der Regel kaum die acht Prozent-Marke unserer eigenen Sonne. Normale Sterne hingegen, auf denen Wasserstoff zu Helium verbrannt wird, verdanken ihre Existenz einer solchen Kettenreaktion. Auf Braunen Zwergen jedoch findet eine solche Kernfusion nicht statt.

Zwerg emittiert im Infraroten

Einen dieser Paradiesvögel hat jetzt eine Gruppe europäischer Astronomen vom Astrophysikalischen Institut Potsdam (AIP) und der Hamburger Sternwarte in relativer Nähe zur Sonne dingfest gemacht. Im Sternsystem Epsilon Indi, das zu den 20 nächsten Nachbarn unserer Sonne zählt, entdeckten die Forscher einen nur rund zwölf Lichtjahre von der Erde entfernten Braunen Zwerg.

In der Regel zeigen sich derlei Objekte im Spektrum auf verschiedenen Bandbreiten. Zum einem emittieren sie im optischen schwach rötlich; zum anderen geben sich dadurch zu erkennen, indem sie ihre Gravitationsenergie (während sie sukzessive schrumpfen) in Strahlung umwandeln. Überdies senden sie noch reichlich Röntgenstrahlung ab - und sind im infraroten Licht ebenfalls bestens auszumachen. Auch der nunmehr geortete Braune Zwerg, der im sichtbaren Licht äußerst schwach emittiert, zeigte sich im infraroten als hell leuchtender Begleiter des wohlbekannten hellen Sterns Epsilon Indi, der im Sternbild Indus beheimatet ist und nunmehr als Epsilon Indi A katalogisiert wird.

Da ganz in der Nähe, in nur 7 Bogenminuten Abstand, Epsilon Indi A mit identischer riesiger Eigenbewegung lag, stand fest, dass es sich um ein Paar handelt. Allerdings um ein sehr ungleiches Paar, was die Helligkeit, Farbe (also Temperatur) und Masse betrifft. Da die Entfernung des hellen Sterns Epsilon Indi A mit knapp zwölf Lichtjahren aus Messungen mit dem Hipparcos-Satelliten genau bekannt ist, konnte aus der gemessenen Helligkeit seines Begleiters gefolgert werden, dass es sich um ein sehr leuchtschwaches Objekt handeln muss. Eine genauere Klassifikation ermöglichte die Aufnahme eines Spektrums im infraroten Licht mit dem New Technology Telescope (NTT) der ESO in La Silla, Chile. Dabei wurde Epsilon Indi B als früher T-Zwerg identifiziert, der damit zu einer erst vor wenigen Jahren definierten Objektklasse gehört.

Schnellster Stern seit über 70 Jahren

Die Entdeckung von Epsilon Indi B basierte auf der Messung der extrem großen scheinbaren Bewegung des Objekts an der Himmelssphäre, der so genannten Eigenbewegung, mit Hilfe von Archivaufnahmen, die mit dem SuperCOSMOS im schottischen Edinburgh digitalisiert und in einer Datenbank zur Verfügung gestellt wurden.

Epsilon Indi B hat ein enormes Tempo drauf: Die gemessene Eigenbewegung von 4,7 Bogensekunden pro Jahr entspricht der Verschiebung um einen Monddurchmesser in 400 Jahren. Seit über 70 Jahren, seit der Entdeckung des bisherigen Rekordhalters, Barnard's Pfeilstern, wurde ein derart schneller Stern nicht mehr detektiert.

Da das Spektrum von Epsilon Indi B typische Merkmale aufweist, die auf Wasserdampf und Methan in der Atmosphäre und damit auf eine Oberflächentemperatur von weniger als tausend Grad Celsius hindeuten, gehen die Forscher davon aus, dass es sich bei dem Gebilde um einen echten Braunen Zwerg handelt, der möglicherweise zeitgleich mit seinem Mutterstern Epsilon Indi A entstanden ist, der zirka 1,3 Milliarden Jahren alt ist. Mit einer Masse von 40 bis 60 Jupitermassen liegt der Braune Zwerg deutlich unter der Grenzmasse von etwa 75 Jupitermassen, die die Grenze zwischen einem waschechten Sterne und einem braunen Zwerg markiert.

Derweil vermuten die Astronomen, dass im Umkreis von zwölf Lichtjahren um die Sonne noch bis zu hundert andere Braune Zwerge vegetieren, die aufgrund ihrer geringen Leuchtkraft bislang noch unentdeckt blieben.