Deutsche Planetenjäger visieren jetzt erdähnliche Exoplaneten an

Enormer Fortschritt bei Messgenauigkeit des Instrumentariums beflügelt Suche nach zweiter Erde - Neues Portal für Exoplanetenforschung im Netz

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Astronomen der Thüringer Landessternwarte Tautenburg haben in internationaler Zusammenarbeit einen wichtigen Fortschritt bei der Suche nach erdähnlichen Planeten um andere Sterne erzielt. Wie die Wissenschaftler auf der Freitag zu Ende gegangenen Astronomentagung in Weimar berichteten, verbesserten sie die Messgenauigkeit ihrer Instrumente und damit die Effektivität der Radialgeschwindigkeitsmethode. Den Planetenjägern könnte in naher Zukunft der erste erdähnliche in einer habitablen Zone gelegene Exoplanet ins Fangnetz gehen.

Bild: ESO

Viel früher als gedacht, weitaus schneller als eigentlich eingeplant, haben Astronomen der Thüringer Landessternwarte Tautenburg in Zusammenarbeit mit Kollegen vom European Southern Observatory (ESO), der University of Texas und der Harvard University einen überraschenden wichtigen Fortschritt bei der Suche nach extrasolaren Planeten verbuchen können. Wie die Wissenschaftler auf der am Freitag zuende gegangenen Astronomie-Tagung in Weimar Planetenbildung: Das Sonnensystem und extrasolare Planeten, die gemeinsam von der Thüringer Landessternwarte Tautenburg und dem Astrophysikalischen Institut der Friedrich-Schiller-Universität Jena organisiert wurde, zum Besten gaben, konnten sie die Messgenauigkeit ihrer Instrumente dergestalt optimieren, dass es fortan prinzipiell möglich ist, erdähnliche Planeten in der Biozone extrasolarer Systeme aufzuspüren. Allerdings beschränkt sich dies auf einen bestimmten Typ von Stern: den lichtschwachen und massearmen M-Zwergsternen, die im Universum jedoch die bei weitem häufigsten stellaren Objekte sind.

Zweieinhalb Jahre im Visier

Für die Astrobiologen und Theoretiker sind Exoplaneten in Erdgröße, die in einer Biosphäre respektive habitablen Zone liegen, also den richtigen Abstand zum Mutterstern haben, um auf ihrer Oberfläche (zum Teil auch im Innern) flüssiges Wasser zu besitzen, deshalb von Interesse, weil derlei Himmelskörper die besten Grundvoraussetzungen für die Entstehung und Existenz von Leben - so wie wir es kennen - erfüllen.

Rein konventionell (ohne Transit-Technik) sind selbst erdnahe Exoplaneten mit optischen Teleskopen nicht lokalisierbar, da jeder anvisierte Stern das Licht seiner Trabanten, die sein Licht wiederum nur schwach reflektieren, gänzlich überstrahlt. Daher messen die Wissenschaftler die Gravitationskraft der Planeten und die daraus resultierende kleine Bewegung des Zentralsterns. Beginnt ein Stern zu eiern, lassen sich seine rhythmischen Verschiebungen anhand der Änderung der Radialgeschwindigkeit feststellen. Bewegt sich der Stern dabei minimal auf die Erde zu, dann erscheinen die Spektrallinien zum blauen Licht des optischen Spektrums verschoben, also zum kürzeren, wohingegen im umgekehrten Fall das Ganze eine geringe Rotverschiebung aufweist.

Mittels dieser periodischen Doppler-Verschiebung sind die Astronomen in der Lage, die Änderung der Radialgeschwindigkeit zu errechnen und dadurch auch auf die Bahndaten des Planeten zu schließen. Bereits heute können Exoplanetologen das durch die Gravitation extrasolarer Planeten verursachte Schwanken der Sterne metergenau berechnen.

Dank der Geduld und emsigen Beflissenheit einer Arbeitsgruppe unter der Leitung von Dr. Martin Kürster von der Thüringer Landessternwarte Tautenburg konnte diese Methode jetzt effizient verfeinert werden. Mithilfe des UVES-Spektrographen des Very Large Telescope der ESO in Paranal (Chile) erzielten die Astronomen bei einer zweieinhalb Jahren währenden systematischen Beobachtung eines M-Zwergsterns in punkto Messgenauigkeit einen neuen Weltrekord. Dieser könnte aber nach Ansicht der Experten schon bald wieder gebrochen werden, vorausgesetzt, die Sterne werden lang genug anvisiert und analysiert. Denn je länger ein Stern beobachtet wird, desto präziser lässt sich das gravitationsbedingtes stellare Torkeln - und sei es noch so minimal - detektieren.

26,3-mal größer als unser Heimatgestirn

Darüber hinaus können die Planetenforscher noch einen anderen spektakulären Erfolg vermelden. Wie Johny Setiawan vom Freiburger Kiepenheuer-Institut für Sonnenphysik auf der Tagung berichtete, entdeckte er zusammen mit einem internationalen Team von Astronomen, wozu auch Artie Hatzes, Direktor der Thüringer Landessternwarte Tautenburg und Professor für Astronomie an der Universität Jena gehörte, vor einiger Zeit einen Riesenplaneten um einen Riesenstern.

Abgetastet wurde der Himmel dabei mit einem Durchmusterungsprogramm, das regelmäßig 83 Riesensterne, so genannte K Giants beobachtet. Der dabei anvisierte Stern HD 122430, um den der Planet kreist, ist 26,3-mal größer als unsere Sonne und 433 Lichtjahre von der Erde entfernt. Der dort beheimatete Planet unterscheidet sich wesentlich von den Planeten unseres Sonnensystems. Zum einen ist er etwa 3,7-mal größer als Jupiter; zum anderen bewegt er sich auf einer sehr exzentrischen Umlaufbahn mit einer Periode von 349 Tagen um seinen Zentralstern. Möglicherweise, so vermuten die Wissenschaftler, wird sich der vergleichsweise sehr alte Riesenstern höchstwahrscheinlich in naher Zukunft aufblähen und seinen Planeten dabei restlos verschlucken.

Übrigens ist der Begleiter von HD 122430 innerhalb kurzer Zeit der zweite Planet, den das Team um Setiawan und Hatzes, die sich auf "Riesensterne" spezialisiert haben, die von anderen Forschern bislang "vernachlässigt" wurden, gefunden hat. Bereits im Dezember 2002 entdeckte das Duo um den Riesenstern HD 47536 einen extrasolaren Planeten.

Internetportal exoplanets.de

Seit wenigen Tagen hat auch das erste offizielle Portal der deutschen Exoplaneten-Forschung im Netz seine Pforten geöffnet. Dazu bilden die Thüringer Landessternwarte Tautenburg und das Astrophysikalische Institut mit Universitäts-Sternwarte der Friedrich-Schiller-Universität Jena künftig ein Kompetenzzentrum für die Erforschung von Exoplaneten. Beide Institute wollen ihre Forschung auf diesem Gebiet eng miteinander vernetzen, um Synergieeffekte zu nutzen. So ist geplant, nach Exoplaneten mit allen heute verfügbaren Techniken zu suchen. Dazu zählen Spektroskopie (Messung der Radialgeschwindigkeit), Transit-Beobachtungen (Planeten, die sich direkt vor ihren Stern schieben und ihn dabei leicht verdunkeln), direkte Abbildung (quasi Fotos der Planeten), Astrometrie (wichtig zur Massenbestimmung) und Interferometrie (Entdeckung besonders massearmer Planeten).

Ein zentraler Aspekt des Kompetenzzentrums ist der Webauftritt, der dem Zentrum auch den Namen gibt: exoplanet.de. Das Internet-Portal soll deutschen Forschern, interessierten Laien und den Medien im Hinblick auf die Exo-Planeten-Forschung einen informativen Einblick ermöglichen.

Thüringen ist notabene ein Astronomie-Standort mit großer Vergangenheit: In Gotha fand vor etwa 200 Jahren die weltweit erste Astronomen-Tagung statt. Der Freistaat hat in dieser Disziplin mit der Thüringer Landessternwarte (TLS) in Tautenburg sowie dem Astrophysikalischen Institut und der Universitäts-Sternwarte der Friedrich-Schiller-Universität Jena auch eine bedeutende Gegenwart.

Insgesamt sind bis heute 105 Exoplaneten entdeckt worden, die sich auf 91 Heimatsterne verteilen. Bislang sind 12 ferne "Sonnensysteme" mit mindestens zwei extrasolaren planetaren Begleitern bekannt.

Näheres hierzu findet sich auf der führenden, regelmäßig aktualisierten Exoplaneten-Website, die von den meisten Planetenforschern frequentiert wird (Jean Schneiders Liste gilt diesbezüglich als "führend")