Im Bett mit dem Militär

Der Krieg im US-Fernsehen

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US-amerikanische Fernsehsender versuchen, sich mit Animationen, Experteninterviews und griffigen Slogans im ersten großen Medienkrieg des 21. Jahrhunderts zu positionieren. Vor drastischen Bildern schreckt man jedoch bisher zurück - aus Angst vor schlechten Einschaltquoten.

"Embedded reporter" ist in Medienzirkeln zum Schlagwort Nummer eins geworden, wenn es um die Berichterstattung im Krieg der USA und Großbritanniens gegen den Irak geht. Gemeint sind damit jene rund 500 Korrespondenten, die sich in Begleitung der britischen und amerikanischen Truppen an der Front bewegen. Sie bringen uns Aufnahmen direkt vom Panzer, schicken uns live pixelige Satellitenbilder aus der Wüste. Zensur werde nicht ausgeübt, betonen sowohl Reporter als auch Militärs. Allein strategisch wichtige Informationen dürften nicht offengelegt werden. Ihre genaue Position geben eingebettete Journalisten jedoch schon aus eigenem Interesse lieber nicht preis. Gerät ihre Einheit unter Beschuss, wird es auch für sie brenzlig. Die Soldaten, über die eigentlich mit Abstand berichtete werden sollte, werden damit zu Beschützern, stehen scheinbar auf der gleichen Seite.

Die Bilder der Journalisten an der Front sprechen denn auch eine deutliche Sprache. Sie berichten live von durch die Wüste rasenden Panzern und geben sich begeistert über Militärtechnologie. In ihren Tarnanzügen und kugelsicheren Westen sind sie auch äußerlich kaum von den Soldaten um sie herum zu unterscheiden. Sie berichten vom Spaß, denen ihnen der Adrenalinrausch bereitet (CNNs Walter Rogers) und bedanken sich vor der Kamera bei den Truppen für ihren Schutz (MSNBCs Brian Williams). Die Kritik an dieser Art der Berichterstattung ließ nicht lange auf sich warten. Der liberale US-Kolumnist Norman Solomon erklärte, die eingebetteten Reporter seien praktisch "im Bett mit dem Militär".

Krieg mit wem, gegen wen und wofür?

In der Kriegsberichterstattung der großen US-Sender ist der "embedded reporter" jedoch nur einer von vielen Bausteinen. Im Wettstreit um die Aufmerksamkeit der Zuschauer versuchen die Sender, ihre Rolle im Medienkrieg zu finden. Dabei positionieren sich die Sender schon durch Titel und Bildsprache höchst unterschiedlich: CNN nennt sein Kriegs-Dauerprogramm "War in Iraq". NBC gibt sich etwas patriotischer und hat seinem Programm den offiziellen Pentagon-Titel für diesen Feldzug gegeben: "Operation Iraqi Freedom".

Übertroffen wird dies nur durch das rechtskonservative und ultra-patriotische Fox Network, bei dem der Krieg "War against Terror - Operation Iraqi Freedom" heißt. Die Verknüpfung zwischen Hussein und Al-Qaida war zwar der Weltgemeinschaft nie plausibel zu machen, doch bei Fox ist sie Programm. Dazu lässt der Sender im oberen linken Bildrand stets die US-Flagge wehen. Ebenfalls fast pausenlos eingeblendet: Der Terror Alert-Status, der die Gefahr an der Heimatfront versinnbildlichen und diese mit dem Krieg am Golf verknüpfen soll.

Eine Flagge gibt es auch im Programm von MSNBC, wo man sich ebenfalls des Pentagon-Namens bedient. Beim Wirtschafts-Schwestersender CNBC heißt das ganze Spektakel dagegen pragmatisch "The price of war". ABC schließlich berichtet vom "War with Iraq", gibt sich in seiner Bildsprache betont nüchtern und versucht, sein Programm nahezu klassisch um TV-Anchorman Peter Jennings herum aufzubauen.

Interessant sind auch die Bilder, die bei den verschiedenen Sendern in den Werbepausen über den Bildschirm laufen. Bei zahlreichen Stationen folgt den Berichten vom Krieg am Golf stets eine Werbung der US-Army. Nicht so jedoch bei MSNBC und Fox News: In eigens produzierten Trailern - geprägt von weichzeichnerischen Armeebildern mit zahlreichen langsamen Weißblenden - danken beide Sender den Soldaten an der Front für ihren Einsatz. "Our hearts go with you", heißt es dazu etwa bei MSNBC.

Ein Heer von Rentnern

Omnipräsent sind die Militärs auch direkt in den Fernsehstudios. Seit Beginn des Krieges hat ein Heer von hochdekorierten Rentnern bei CNN, Fox und Co. Einzug gehalten, um als Experten zur Kommentierung der Truppenbewegungen zur Verfügung zu stehen. Die pensionierten Generäle und Oberste berichten von ihrer Zeit beim ersten Golfkrieg, schieben Plastiksoldaten über Irak-Landkarten und erklären, wie sie sich so die Eroberung Bagdads vorstellen. Je nach Sender geben die telegenen Veteranen auch gerne mal den altbackenen Hardliner. Auf in zivil kämpfende Gegner angesprochen erklärte einer der eingeladenen Ex-Militärs bei Fox kürzlich, diese dürften nicht einfach so wieder laufen gelassen werden. Am besten wäre es, sie alle zu erschießen - ein Statement, das selbst dem Radau-Talker Bill O'Reilly etwas zu drastisch war.

Fast so beliebt wie echte Generäle sind im US-Fernsehen derzeit virtuelle Kämpfer. Insbesondere CNN profiliert sich mit komplexen Animationen, die in bester Computerspiel-Manier Soldaten an Häuserkämpfen teilnehmen und Panzer durch die Wüste rauschen lassen. Fox dagegen berichtet über Technik und Ausrüstung der echten Soldaten in einer Art und Weise, die verblüffend an die Auswahl einer Figur zu Beginn eines Ballerspiels erinnert.

Medienkritiker hatten bereits beim Kosovo-Krieg erklärt, die Berichterstattung gleiche immer mehr einem Videospiel. Im Jahr 2003 geht es nicht mehr nur um Ähnlichkeiten - die Berichterstattung besteht über weite Strecken aus Videospiel-Sequenzen, die in einen Kontext der Live-Bilder eingebettet werden.

Immer live dabei - bis etwas passiert

In den ersten Tagen des Krieges gab es zudem auf ausnahmslos allen Sendern lange Live-Bildsequenzen von den "embedded reporters" und aus Bagdad. Stark fragmentierte Bildschirme sollten es dem Zuschauer ermöglichen, überall gleichzeitig direkt dabei zu sein: Hier ein Bild von der irakischen Grenze, dort eine Straßenkreuzung in Bagdad, und unten links der Nachrichtensprecher im Gespräch mit einem Reporter im Feld. All das suggerierte, jeden Moment könne etwas ganz Wichtiges passieren.

Allein, es passierte nichts. Die ersten zwei, drei Tage des Krieges waren aus journalistischer Perspektive ausgesprochen enttäuschend. Auf ihrem Vormarsch nach Bagdad ließen die Militärs die meisten Städte links liegen. Alles, was den Fernsehstationen blieb, waren die ewig gleichen Wüstenbilder und hin und wieder ein paar Explosionen in Bagdad. Also beschränkte man sich auf das Wiederholen bekannter Nachrichten und erprobter Animationen sowie das Befragen der ergrauten Experten. Was fehlten, waren spektakuläre Bilder.

Am Wochenende nach Kriegsbeginn wurden diese schließlich vom arabischen Fernsehsender al-Dschasira an alle Welt geliefert. Getötete US-Soldaten, dazu fünf Gefangene, die vom irakischen Fernsehen interviewt und vorgeführt wurden. In den USA waren diese jedoch nicht zu sehen. Einige TV-Stationen verzichteten komplett auf ihre Ausstrahlung, andere zeigten Interviewausschnitte, in denen alles bis auf das Mikrofon unkenntlich gemacht worden war. Erst als die Identität der Soldaten bekannt war, zeigten auch die US-Stationen Standbilder und kurze Sequenzen ohne Tonspur. Als Grund dafür wurde die Genfer Konvention zum Umgang mit Kriegsgefangenen zitiert.

Zuschauer mögen keine Niederlagen

Am Tag danach regte sich jedoch in den USA Missmut über die plötzliche Rücksichtnahme der Medien. Der bekannte Kriegsberichterstatter Ted Koppel ließ aus dem Südirak wissen, Krieg sein nun einmal eine schreckliche Sache. Wer seine Berichterstattung zu sehr aufpoliere, begehe einen Fehler. Andere Kommentatoren erklärten, dass während des Vietnam-Kriegs und des US-Einsatzes in Somalia bereits weitaus drastischere Bilder ausgestrahlt wurden. Mit dem Streit um die Bilder begann schließlich auch im US-Fernsehen eine Reflektion der eigenen Berichterstattung. ABC etwa empfahl seinen Zuschauern einen "skeptischen Blick".

CNN zitierte Donald Rumsfeld mit der Äußerung, Journalisten könnten immer nur einen kleinen Ausschnitt des Krieges darstellen. Dazu präsentierte der Nachrichtensender eine bemerkenswerte Umfrage. Im großen und ganzen seien die Zuschauer mit der Berichterstattung sehr zufrieden, so CNN ein wenig selbstgefällig. Doch diese Meinung schwanke deutlich mit der Nachrichtenlage. So habe die Sympathie für CNN deutlich nachgelassen, seitdem es Verluste unter US-Soldaten und ähnliche Rückschläge gebe. Mit anderen Worten: Wenn der High-Tech-Krieg allzu realistisch wird, schalten viele Zuschauer lieber ab.