Nanotechnologie für das Militär

Mit Pentagon-Geldern und Industriepartnern wurde am MIT ein "Institut für Soldaten-Nanotechnologien" aufgebaut

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Bald schon jeden Tag werden wir von dem Ideen- und Erfindungsreichtum überrascht, der in den USA mit reichlich Steuergeldern gefördert im Bereich von Rüstung, Sicherheit und Überwachung derzeit sprudelt. Ein neues, vom Pentagon gefördertes Forschungsprojekt will nun den amerikanischen Soldaten der Zukunft nanotechnologische Werkzeuge und Waffen - metaphorisch - in die Hand geben.

Professor Ned Thomas, Direktor des "Institute for Soldier Nanotechnologies", auf einer Anschauungstour

Nanotechnologie ist eine der verheißungsvollen Zukunftstechnologien. Natürlich nicht nur für das Militär. Das Repräsentantenhaus hat gerade mit großer Mehrheit den Nanotechnology Research and Development Act verabschiedet, der die Technik mit 2,36 Milliarden Dollar Förderung für die Forschung drei Jahre lang anschieben soll. Dem ging allerdings eine mehrstündige Debatte vorher, die sich kaum um mit der Erhöhung der Förderung, wohl aber mit der Bändigung möglicher Gefahren beschäftigte. Das Risiko sei beispielsweise, dass ähnlich wie in der Bioforschung Nanomaschinen in der Größe von Molekülen aus dem Labor auskommen und Schaden anrichten könnten (Die Angst des Lesers vor der Nanotechnologie). Für eine "sichere Nanotechnologie" soll ein Ausschuss Richtlinien und Anforderungen vorlegen und sich dabei auch um Fragen der Verschlüsselung, der Rüstung, der Erweiterung des menschlichen Gehirns und der Künstlichen Intelligenz widmen. Vor kurzen wurde deswegen erst von einer amerikanischen Organisation ein Nano-Moratorium gefordert (Wie Chemie - heißt nur anders).

Sun-Gründer Bill Joy hatte im April 2000 wohl als erster mit großem öffentlichen Echo vor den möglichen katastrophalen Folgen bei der Entwicklung von Nanotechnologie gewarnt (Angst vor der Zukunft). Seine Besorgnis hörte sich womöglich vor drei Jahren noch anders an als heute, wo wir uns wieder in eine Welt der Kriege und der Aufrüstung bewegen. Ob sich selbst replizierende Nanomaschinen überhaupt möglich sind und sich so schnell wie Bakterien vermehren, so dass sie "die Biosphäre in Tagen in Staub verwandeln" könnten, ist vermutlich die Übertreibung eines Mahners, der aber auch realistische Einschätzungen formulierte:

"Leider ist es wie bei der Nukleartechnologie weitaus einfacher, destruktive Verwendungsmöglichkeiten für die Nanotechnologie als konstruktive zu schaffen. Nanotechnologie bietet eindeutig militärische und terroristische Verwendungsmöglichkeiten, und man muss nicht selbstmörderisch sein, um eine gewaltig destruktive nanotechnologische Maschine freizusetzen. Solche Maschinen können so gebaut werden, dass sie nur selektiv zerstören, beispielsweise nur eine bestimmte geografisch Region oder eine Menschengruppe, die genetisch verschieden sind, treffen."

Eine Superuniform für den Army-Soldaten ist das erste Ziel des MIT-Instituts

Eben hat das bereits im letzten Jahr gegründete Institute for Soldier Nanotechnologies (ISN) am MIT seine Arbeit erstmals vorgestellt. Mit einer Förderung von 50 Millionen Dollar für einen Zeitraum von fünf Jahren will sich die US Army über das MIT, das für die Forschung auch Industriepartner beteiligt, auch die kleinsten Technologien zunutze machen, um die Soldaten im Rahmen des übergreifenden Projekts Objective Force Warrior (Wie ein IMAX-Film direkt vor den Augen) im Kampf leistungsfähiger, sicherer und tödlicher zu machen. Wie immer bei solchen Projekten, deren Ausgang ungewiss ist, stehen große Visionen am Anfang:

"Das Endziel ist es, einen Kampfanzug für das 21. Jahrhundert herzustellen, der Hightech-Kapazitäten mit leichtem Gewicht und Komfort verbindet. Man stelle sich einen schussfesten Kampfanzug vor, der nicht dicker als gewöhnliches Spandex ist, den Gesundheitszustand überwacht, Verletzungen verringert, automatisch kommuniziert und vielleicht sogar übermenschliche Fähigkeiten verleiht. Das ist eine langfristige Vision, wie Technologie Soldaten weniger gegenüber dem Feind und Umweltgefahren verwundbar werden lässt."

Der Hightech-Kampfanzug als "integriertes System" sei allein schon wegen der möglichen Miniaturisierung, die zur Gewichtsreduzierung führt, auf Nanotechnologie angewiesen, mi der sich überdies neue Materialien mit neuen Eigenschaften schaffen lassen. So sollen neue ultrastarke Polymere für leichte, flexible "Stoffe" sorgen, die Energie in Form von Explosionen oder Schüssen absorbieren können.

Zur Eröffnung des Nano-Instituts wurden Prototypen für künftige Kampfanzüge vorgeführt

"Der Objective Force Warrior (OFW) wird ein schrecklicher Krieger in einem unbesiegbaren Team sein, der als Erster sehen, als Erster verstehen, als Erster handeln und die Aktion zum Abschluss bringen kann."

Elektronisch gesteuerte Polymere, die als chemische und mechanische Sensoren fungieren, sollen es im Zusammenwirken mit veränderbaren Polymeren ermöglichen, dass weiche Nanostruktrukturen bei Bedarf an bestimmten Stellen hart werden, um beispielsweise als Schutz oder Kompressor für Wunden zu dienen. Vorgeführt wurde so eine Flüssigkeit, die Metallmoleküle enthielt und sich verhärtete, wenn sie einem magnetischen Feld ausgesetzt wird. Auf diese Art will man einen Körperschutz entwickeln, der so dünn wie Papier und so hart wie Stahl ist. Natürlich könnten Nanstrukturen auch Farben Form und Größe ändern.

Man denkt auch an Sensoren im Helm oder in der Kleidung, die den Benutzer warnen, wenn sich von hinten ein Feind anschleicht. Mit Nanomolekülen, die sich mit Strom öffnen und schließen, ließen sich Exo-Muskeln schaffen, die in Handschuhe, Uniformen oder Schuhen dem Soldaten eine größere Kraft verleihen würden.

Im Institut wird versucht, ein Material herzustellen, das so leicht, dünn und reißfest wie Spinnenfäden ist. Eine Gruppe arbeitet an der Herstellung von Teflon-Nanoschichten, die ein sehr dünnes wasserabstoßendes und antibakterielles Material ergeben sollen. Vorgestellt wurde bereits in der Zeitschrift Science vom 16.1.2003 eine "intelligente Oberfläche", die ihre Eigenschaft aufgrund eines externen Stimulus reversibel verändert. Damit ließen sich Oberflächeneigenschaften steuern. Der von den Forschern geschaffene "molekulare Wald", der ein Milliardstel Meter dünn ist, kann von wasserabstoßend zu wasseraufnehmend umgeschaltet werden. Vorstellen ließe sich, dass ein solches Material auch Chemikalien oder Zellen aufnehmen bzw. abgeben könnte.

Der "molekulare Wald" mit umschaltbaren Eigenschaften

Im Anzug integrierte Sensoren und Materialien aus Nanopartikel sollen in Zukunft chemische oder biologische Bedrohungen registrieren und neutralisieren. Uniformen sollen könnten automatisch Krankheiten oder Verwundungen diagnostizieren und bereits auf dem Schlachtfeld für erste Hilfe sorgen. Eine Abteilung soll für die Modellierung und Simulierung von Nanosystemen sorgen, schließlich sorgt eine Meta-Abteilung für die Integration der von den anderen entwickelten Systeme und für die schnelle Umsetzung.

Und um wirklich zu wissen, um was geht, nehmen der Institutschef Ned Thomas und Mitarbeiter auch schon einmal an Militärübungen in Uniform, mit Helmen und Gesichtsbemalung teil. Im Januar wollten sie anhand möglicht realistischer Gefechtsübungen beobachten, was Soldaten, Kleidung und Gerät aushalten müssen. Soldaten müssen bei Schmutz, Regen und Kälte ihrer "Arbeit" nachgehen, wobei Rucksack und Gürtel mit Waffen und anderen Instrumenten zwischen 30 und 60 Kilogramm wiegen. Das also bestätigte den Ansatz des MIT-Institutes, wie man es in einer Pressemitteilung nachlesen kann.

Die Wissenschaftler wurden auch einmal ins Kampfgeschehen einbezogen, als ihr Wagen von einer "Guerillagruppe" überfallen wurde. Man schleppte sie als Gefangene in einen Wald und "exekutierte" vier von ihnen. Das soll bei einigen zu Angst, aber auch zu Wut geführt haben, alle fanden aber diese Abwechslung vom grauen Laboralltag dennoch als Höhepunkt ihres Kriegsausflugs. Dann passt ja alles wunderbar zusammen.