Heute startet mit 'Mars Express' das erste europäische "Raumschiff" zum Roten Planeten

Raketenstart kann online verfolgt werden

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Heute bricht für die Europäische Weltraumorganisation ESA eine neue Ära an. Läuft alles nach Plan, dann startet um 19.45 MEZ von Baikonur aus die ehrgeizige Mars-Express-Mission mit einer russischen Sojus-Trägerrakete. Zu Weihnachten soll sie den Roten Planeten erreichen und dort in eine Umlaufbahn einschwenken. Kurz darauf soll der Lander Beagle 2 eine weiche Landung zelebrieren und umgehend nach Lebensspuren suchen.

Der Mars als Ziel der Mission. Bild wurde vom Mars Global Surveyor gemacht. Foto: Nasa

Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, dennoch beginnt heute für 'Mars-Express' der Ernst des Lebens. Die Stunde der Wahrheit naht. Wird der interplanetare Roboter die schwierigste und unfallträchtigste Phase in der Raumfahrt - den Start des Trägersystems - ohne Blessuren überstehen? Die Chancen diesbezüglich sind gut, da russische Trägersysteme robust und zuverlässig sind. Zudem entstammt die Sojus-Fregat, die 'Mars Express' ins All hieven wird, einer Raketen-Familie, die seit Bestehen der Raumfahrt statistisch gesehen die sichersten Raketen stellt.

Der letzte Start der Ariane-5 ist noch in schlechter Erinnerung. Vor knapp einem halben Jahr durchlebte das 10 Tonnen schwere Prunkstück der ESA den in seiner kurzen Geschichte bereits zweiten Fehlstart (Katastrophe am Äquator). Seinerzeit musste die europäische Raumfahrtbehörde den Hightech-Satelliten wegen technischer Probleme und aus Sicherheitsgründen nach siebeneinhalb Minuten Flugzeit ins Nirwana befördern. Das einzige, was damals nach dem Start vom Raumfahrt-Bahnhof Kourou erwartungsgemäß funktionierte, war die kontrollierte Sprengung selbst, mit der aber zugleich auch die hochfliegenden Pläne der Europäischen Raumfahrtagentur auf den Boden der Tatsachen zurück geschmettert wurden.

Zuverlässiges russisches Trägersystem

So gesehen muss man es als einen wahren Glücksgriff bezeichnen, dass die ESA sich für den heutigen Start des 'Mars-Express'-Tandems schon frühzeitig auf ein russisches Trägersystem festgelegt hat; auf einen Raketentyp, der in der Vergangenheit bislang weitaus "bodenständiger" war und zuverlässiger operierte als jüngst der launische 10-Tonnen-ESA-Gigant.

Start einer ST-11

Heute kann die russische Sojus-Fregat-Trägerrakete (ST-11), mit der 'Mars Express' vom Raumfahrtbahnhof Baikonur in Kasachstan aus ins All gehievt werden soll, genau das unter Beweis stellen, was in den Augen der Statistiker das Basismodell und Arbeitspferd Sojus ("Bündnis") seit 1963 in verschiedenen Raketen-Ausführungen (mit technischen Modifikationen) mit Bravour getan hat: einen Bilderbuchstart hinlegen und die Fracht sicher ins All hieven und dieselbige ohne Kratzer wieder "entladen", so wie sie dies schon knapp 1.500 Mal gemeistert hat - in 98 Prozent mit großem Erfolg.

Um sicher zu gehen, dass diese Erfolgsstory möglichst um ein weiteres Kapitel reicher wird, wurde die Sojus-Fregat-Rakete, derzeit das modernste Mitglied der Sojus-Familie, auf Wunsch der ESA technisch optimiert. Die technischen und administrativen Voraussetzungen hierfür wurden schon 1996 geschaffen, als die russischen Hersteller der Sojus RKA und Samara zusammen mit den westlichen Firmen Aerospatiale und Arianespace das Konsortium Starsem gründeten, das seitdem die neuen Sojus-Systeme für westliche Nutzlasten vermarktet und zudem für die Modifikationen an russischen Raketen verantwortlich ist.

Ritt ins All

Während das klassische, "alte", robuste sowie ohne großen elektronischen Schnickschnack konzipierte Sojus-Standard-Modell markant gebündelte Antriebstufen aufweist, die nach dem Start abgesprengt werden, unterscheidet sich ihr Nachfolger "Sojus-Fregat" vom Basismodell durch die neue Oberstufe - die erste im Sojus-Programm "zündbare" Oberstufe überhaupt. Ausgestattet mit einem eigenen Antrieb, der bis zu 20 Mal gezündet werden kann, vermag die Rakete mehrere Satelliten an diversen Stellen im Orbit absetzen.

Mit der Konstruktion und dem Einsatz dieser verwendbaren Oberstufe kann das russische Trägersystem fortan höhere Kreisbahnen erreichen und somit den Nutzlastfaktor verbessern. Zum einen kann die "Sojus-Fregat" bis zu 5.000 Kilogramm schwere Nutzlasten in einen 450 Kilometer hohen Orbit bringen, zum anderen eine größere Zahl möglicher Nutzlasten transportieren. Die Generalprobe gelang: Mit der "Sojus-Fregat" wurden vom Startplatz Baikonur im Sommer 2000 im Rahmen von zwei Flügen die vier Cluster II-Satelliten sicher in den Orbit entlassen. Bislang kann die "Sojus-Fregat" aber nur auf vier Flüge zurückblicken, wobei diese allerdings allesamt erfolgreich waren.

Das heutige Start-Manöver teilt sich in zwei Hauptphasen auf. Zunächst einmal muss sich die Rakete nach dem Abheben acht Minuten und 49 Sekunden lang mühsam nach oben arbeiten, was auf Kosten der ersten drei Stufen geht; denn während die ersten drei Stufen nach diesem Manöver auf die Erde zurückfallen (wo sie zum größten Teil wieder in der Atmosphäre verglühen), erfolgt die Abtrennung von der vierten Stufe, der Fregat-Stufe, auf der Mars-Express sozusagen seinen Ritt ins All unternimmt. Unmittelbar nach der Separation zündet das Fregat-Triebwerk und bringt die Sonde 190 Kilometer über der Erde auf einen so genannten "Circular Parking Orbit", bevor dann die Fregat ein zweites Mal startet und genau 1 Stunde und 32 Minuten nach dem Lift-off bei einer Mindesthöhe von 341 Kilometer das 'Mars Express'-Gefährt in die Leere und Weite des Alls entlässt, allerdings dergestalt, dass die Sonde ihr Ziel, den Roten Planeten, vor dem Sensor hat.

Live-Übertragungen en masse

Internet sei dank können Interessierte all diese Phasen live und direkt beobachten. Aufgrund der großen Bedeutung der 'Mars-Express'-Mission finden heute in ganz Europa spezielle Startveranstaltungen statt, die größtenteils via Internet live übertragen werden. Während Medienvertreter die Videoübertragung des Starts und der ersten Bahnmanöver in den ESA-Niederlassungen ESOC (Darmstadt, Deutschland) - das als europäisches Hauptpressezentrum fungieren wird - und ESTEC (Noordwijk, Niederlande) verfolgen können, organisiert die italienische ESA-Niederlassung ESRIN (Frascati) mit der Italienischen Raumfahrtagentur (ASI) eine gemeinsame Veranstaltung an der Universität Rom, die spanische VILSPA (Villafranca) ermöglicht zusammen mit der spanischen Raumfahrtagentur CDTI eine Übertragung im Museum Príncipe Felipe de la Ciudad de las Artes y las Ciencias in Valencia.

Beagle 2 auf der Marsoberfläche. Bild: DLR

Experten en masse werden sich heute auch beim DLR in Berlin-Adlershof einfinden, wo die offizielle "deutsche" Startveranstaltung abgehalten wird, bei der das Abheben der Sojus-Fregat mitsamt Fracht live übertragen wird. Internet-User können das Geschehen dort und selbstverständlich auch die Live-Bilder des Raketenstarts ab 18.45 Uhr über die institutseigene Website verfolgen.

Da außergewöhnlich viele Zuschauer erwartet werden und die Zugriffszahlen entsprechend hoch sein dürften, scheint es ratsam, sich frühzeitig "einzuklinken". Wie das DLR betont, ist bei dem zu erwartenden User-Ansturm damit zu rechnen, dass der Aufbau einer Verbindung zu den DLR-Video-Servern eine gehörige Portion Geduld erfordert. Weltraumfreaks und Mars-Begeisterte, die den Start unbedingt live miterleben wollen, können alternativ auch auf die Videostreams der ESA oder Welt der Wunder von Pro7 ausweichen.

Die Europäische Raumfahrtbehörde überträgt das Ereignis in voller Länge auf ihrer Website. Näheres zu den Links/Streams und zum Programmablauf der offiziellen DLR-Startveranstaltung.