Impeach, or not impeach

Die ersten Stimmen erheben sich für die Amtsenthebung von George W. Bush, doch bis dahin wäre es noch ein weiter Weg

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Tony Blair bekommt zunehmend Kritik von allen Seiten. In den letzten Tagen wurde berichtet, dass die britischen Sicherheitsdienste ihrem Premier nun vorwerfen, von ihm unter Druck gesetzt worden zu sein, um Beweise für Iraks Massenvernichtungswaffen zu liefern, wo es keine gab. Unter dem Namen "Operation Rockingham" wurden offenbar seit 1991 Informationen gezielt gefiltert, um Beweise zu sammeln und Gegenbeweise verschwinden zu lassen. Hinzu kommt, dass einige der "mobilen chemischen Labors" offenbar 1987 von Großbritannien an den Irak verkauft wurden, um Wasserstoff für Heißluftballons zu produzieren.

Gelten nicht die gleichen Vorwürfe für die Bush-Regierung? In der Tat: Während also das innenpolitische Wasser, in dem Tony Blair sitzt, immer heißer wird, scheint die Kritik an George W. Bush innerhalb der USA zwar wegen der "unentdeckten" Massenvernichtungswaffen stärker zu werden, aber noch muss er sich nicht wie Blair um sein Amt fürchten. Könnte sich das ändern (Apparatus of Lies?)?

Eigentlich scheint die Lage recht einfach zu sein: Bush & Co. haben die Welt offenbar angelogen, als sie den Irak als einen Hort für Massenvernichtungswaffen darstellten, um den Angriff der Willigen zu rechtfertigen. Das ist an und für sich nicht strafbar, doch wäre es nach US-Recht strafbar, wenn der Präsident den Kongress der USA auch angelogen hätte.

Für eine "impeachment" (= Anklage auf Amtsenthebung, nicht die Amtsenthebung selbst) reichen die Indizien für John W. Dean in seinem Artikel vom 6. Juni auf der Webseite für Rechtsfragen FindLaw. Dean listet eine Reihe von Zitaten auf, in denen George W. Bush die Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak als dringenden Kriegsgrund erklärt und fügt hinzu:

Ein Präsident kann nicht einfach ungestraft die Wahrheit verdrehen. Präsident Lyndon Johnson verdrehte die Wahrheit über Vietnam, und er durfte nicht zur Wiederwahl antreten. Präsident Richard Nixon musste aufgrund seiner Falschaussagen zu Watergate zurücktreten.

George W. Bush - unantastbar?

Außerhalb der Republikanischen Partei wächst die Kritik an der Bush-Regierung zusehends, auch wenn sie noch vor allem vom lautstarken Senator Byrd zu hören ist:

Der Präsident scheint überhaupt nicht wahrzunehmen, dass die Rechtfertigung für den Angriff gegen den Irak umstritten ist. Die Glaubwürdigkeit unserer Nation steht auf dem Spiel.... Die Massenvernichtungswaffen des Iraks bleiben ein Geheimnis und ein Rätsel. Was sind sie, wo sind sie, wie gefährlich sind sie? Oder waren sie gar ein vorgeschobenes Argument einer Regierung, die ein fremdes Land erobern wollte?

Doch mit dem Artikel von Dean wird die Kritik auch innerhalb der eigenen Reihen noch deutlicher, denn Dean diente dem Republikanischen Präsidenten Nixon als Rechtsberater. Sein Einfluss dürfte jedoch verschwindend gering sein, denn ein Amtsenthebungsverfahren kann nur aus dem Kongress kommen.

Und dort gäbe es bei weitem keine Mehrheit für die Eröffnung eines Verfahrens gegen den Präsidenten. Im Gegenteil: Die Geschichte zeigt, dass ein beliebter US-Präsident sich alles erlauben kann, denn 1991 gab es auch einen Antrag auf ein Amtsenthebungsverfahren gegen Bush Sr. Der Abgeordnete Henry Gonzalez aus Austin/Texas hatte am 16. Januar 1991 (also zu Beginn von Operation Desert Storm) in Resolution #34 fünf Anklagepunkte gegen den Vater von George W. aufgelistet. Die Anklage wurde nach der Verlesung sofort ad acta gelegt; keiner sekundierte den Antrag, und die Medien berichtete überhaupt nicht über die fünf Anklagepunkte, die noch heute genauso lesenswert wie unbekannt sind.

Damit es diesmal gar nicht erst zu einer Verlesung von konkreten Kritikpunkten kommt, nutzten die Republikaner eine Besonderheit des Vorwahlsystems in den USA, um die größte Kritikerin der Bush-Regierung, Abgeordnete Cynthia McKinney, mundtot zu machen: In den Vorwahlen wird innerhalb der Parteien entschieden, wer im Namen der Partei gegen die gegnerische Partie antreten darf. Bei diesen Vorwahlen darf jeder Wähler nur innerhalb einer Partei wählen.

Im Wahlkreis von McKinney im Bundesstaat Georgia sind offenbar im Jahre 2002 etliche Republikaner zu den Demokraten übergewechselt, um in den Vorwahlen gegen McKinney zu stimmen, damit sie gar nicht erst die Nominierung ihrer Partei bekommt. Die Rechnung ging auf, und McKinney verlor die Vorwahlen. Sie klagt nun, damit solche "crossover votes" für verfassungswidrig erklärt werden.

Verdient hatte McKinney den Sondereinsatz der Republikaner durch ihre Ablehnung des Afghanistan-Kriegs, aber vor allem durch die in einem Radiointerview ausgestrahlte Unterstellung, die Bush-Regierung verheimliche ihr Vorwissen über die Anschläge vom 11.9.2001, um Kapital aus den Folgen zu schlagen (Verschwörungsverdacht im US-Kongress angekommen).

Bush der Medienmeister

Während also Operation Iraqi Freedom durchaus das Ende für Blair bedeuten könnte, sitzt Bush nach wie vor fest im Sattel. Ein paar Kritiker kann er mühelos verkraften, und die Medien beherrscht er wie kein Präsident zuvor, indem er den Kontakt mit der Presse auf durchdacht inszenierte Fotogelegenheiten und vorgelesene Reden reduziert. Professorin Martha Joynt Kumar von der Towson University hat Anfang März 2003 die Zahl der nach 2 Jahren und 45 Tagen Amtszeit von den letzten Präsidenten gehaltenen Pressekonferenzen ermittelt:

Bush Junior: 8
Clinton: 30
Bush Senior: 58
Reagan: 16
Carter: 45
Ford: 37
Nixon: 16
Johnson : 52

In solchen Pressekonferenzen ist kein Staatsgast anwesend, sondern der Präsident muss Fragen von Journalisten alleine und aus dem Stegreif beantworten - eine schwierige Aufgabe für einen Mann, der bewiesenermaßen seine Gedanken nicht gut in Worte fassen kann, um es milde auszudrücken. Für solche Aufgaben hat Bush jedoch seinen gewieften Pressesprecher Ari Fleischer. Dieser hat bereits angekündigt, die Bush-Mannschaft bei den Wahlen 2004 zu verlassen, aber die Reaktion in der Presse auf die Ankündigung zeigte, dass die Medien sich durchaus drüber im Klaren sind, dass Fleischers Aufgabe darin besteht, die Presse zu manipulieren. Ein typischer Witz darüber, wie Fleischer seine Freizeit nach seinem Rücktritt mir seiner Frau verbringen wollte, lautete:

Frau Fleischer: Was machst du heute, Schatz?
Herr Fleischer: Noch ist es zu früh, um ein abschließendes Urteil zu bilden. Wir möchten dazu noch keine Aussage machen, aber wir lassen uns auch alle Optionen offen. Noch sind wir in der Informationsbeschaffungsphase.

Sicher wird der Nachfolger von Fleischer genauso gewieft sein, doch bei den Wahlen 2004 besteht die Chance, dass einige der Demokratischen Kandidaten etwas offener Kritik an Bush üben. Dann könnte der Rechtsstaat in den USA wieder so gut funktionieren, wie der britische jetzt schon funktioniert. Bis dahin bleiben die USA das Land, in dem der Präsident nicht lügen darf, wenn es um außerehelichen Oralverkehr mit einer Assistentin geht, aber wenn es bloß um Krieg und internationales Recht geht...