Die Demokratie ist in Gefahr

Die US-Regierung hat die Begründung für den Irak-Krieg auf Fälschungen und Lügen basiert

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In den vergangenen Wochen wurden in den USA und in den Medien der ganzen Welt viele Frage laut, ob George Bush wissentlich gefälschte Beweise über die Existenz von Atomwaffen im Irak verwendet hat. Auf der Grundlage solcher Massenvernichtungswaffen wurde gesagt, dass der Irak eine Gefahr für die USA darstellt. Dies war die der Öffentlichkeit gegenüber gegebene Rechtsfertigung der US-Regierung für ihren Krieg.

Im Augenblick finden Untersuchungen der britischen, amerikanischen und australischen Parlamente über die Verwendung einer solchen Fälschung zur Rechtfertigung des Krieges statt. Eine der größten Widerlegungen in der öffentlichen Diskussion über die Massenvernichtungswaffen ist der Hinweis von Bush auf einen angeblichen Versuch des Irak, 500 Tonnen Uranoxid von Niger zu kaufen. In seiner Rede an die Nation vom 28. Januar 2003 erklärte Bush: "Die britische Regierung hat erfahren, dass Saddam Hussein kürzlich erhebliche Mengen von Uran aus Afrika zu erhalten versucht hat."

Ähnliche Behauptungen wurden von der CIA in ihrem Bericht an den Kongress am 24. September 2002 gemacht. Der Nachweis für das Nuklearwaffenprogramm des Irak basierte auf Dokumenten, von denen man aber schon im März 2002 wusste, dass sie gefälscht waren. Doch die Behauptungen wurden von Bush, der CIA und anderen Regierungsangehörigen weiter als zentrales Argument in ihrer Begründung für den Irak-Krieg verwendet.

Nach verschiedenen Berichten hatte die CIA 2001 von den Behauptungen gehört, dass der Irak versucht hatte, Uranoxid von Niger zu kaufen. Vizepräsident Cheneys Büro erhob im Februar 2002 Zweifel daran. Die CIA schickte einen früheren, in Afrika angesehenen US-Botschafter in den Niger, um dort mit Regierungsangehörigen zu sprechen. Er erfuhr, dass die Datierungen und Unterschriften auf den Dokumenten, die die Behauptung belegten, gefälscht waren und gab seine Kenntnisse an die CIA weiter. Ein Artikel der Washington Post weist darauf hin, dass das Weiße Haus von der CIA einen Bericht über die gefälschten Dokumente im März 2002 erhalten habe. Sechs Monate später, im September 2002, sprach jedoch der CIA-Direktor weiterhin von einem angeblichen Atomwaffenprogramm im Irak. Dabei bezog er sich angeblich auf die Informationen aus dem Niger, ohne das Ergebnis der Nachforschungen des ehemaligen Botschafters zu erwähnen. Einige Kongressmitglieder sagen jetzt, dass sie auf der Grundlage der Behauptung der Regierung für den Krieg im Irak stimmten, dass der Irak ein Atomwaffenprogramm habe. Die Vertreter der Demokratischen Partei fordern nun eine Abschrift des offiziellen CIA-Berichts für die Kongress-Anhörung im September 2002. Sie wollen feststellen, ob der CIA-Bericht erwähnte, dass die Dokumente aus Niger gefälscht sind.

Die CIA oder das Außenministerium legitimierten den Krieg gegen den Irak jedoch weiterhin durch dieselben Gründe. Als Reaktion auf das irakische Waffendossier, das der UN am 7. Dezember 2002 übergeben wurde (Weltpolitik als Farce), trat Außenminister Colin Powell beispielsweise am 19. Dezember 2002 vor den Sicherheitsrat. Er überreichte dem Sicherheitsrat ein einseitiges Informationsblatt mit der Feststellung: "Die Erklärung unterschlägt die Bemühungen, Uran aus dem Niger zu erhalten. Warum verbirgt das Irak-Regime seine Uran-Suche?"

Nach der Rede an die Nation von Bush verlangte die Internationale Atomaufsichtsbehörde (IAEA), dass die US-Regierung Beweise für die Versuche des Irak vorlegt, Uranoxid aus Afrika zu erhalten. Am 7. März 2003, einen Tag, nachdem die Dokumente schließlich der IAEA überreicht wurden, gab Mohamed ElBaradei, der Leiter der UN-Behörde, bekannt, dass es sich um Fälschungen handelt.

Am 17. März 2003 schrieb der Henry Waxman, ein demokratischer Kongressabgeordnete aus Kalifornien und der Leiter der Minderheit im Government Reform Committee des Repräsentantenhauses, einen Brief an das Büro von Bush, in dem er um eine Erklärung bat, wie die Begründung für die Existenz des irakischen Atomwaffenprogramms auf der Grundlage von gefälschten Dokumenten gemacht werden konnte. Eine Antwort erhielt er am 29. März von Paul Kelly vom Rechtsbüro des Außenministeriums:

Ende 2001 erhielten die USA Informationen aus verschiedenen Kanälen von den Geheimdiensten und öffentlichen Quellen, dass der Irak versucht hatte, sich aus Afrika Uran zu beschaffen. Überdies informierten uns zwei europäische Alliierte über ähnliche Berichte von ihren eigenen Geheimdiensten. Wie Sie wissen, veröffentlichte Großbritannien im September 2002 diese Informationen in seinem Dossier "Iraq's Weapons of Mass Destruction". Der andere europäische Verbündete vertraute uns die Informationen privat an und sagte, er glaube zwar nicht, dass bereits Uran in den Irak gebracht worden ist, aber er glaube, dass der Irak versucht habe, Uran von Niger zu kaufen. Wir haben mehrmals versucht, die Grundlage für die letzte Bewertung festzustellen, und ob diese auf unabhängige Beweise gründete, die die USA nicht haben. Wir erfuhren nicht vor dem 4. März, dass die zweite europäische Regierung ihre Bewertung tatsächlich auf Beweise gründete, von denen die USA bereits in der Folge wusste, dass sie nicht glaubwürdig sind.

Die US-Regierung hatte die Behauptung über Iraks Atomwaffenprogramm für Powells Präsentation am 19. Dezember 2002 vor dem Sicherheitsrat und für die Rede an die Nation des Präsidenten am 28. Januar 2003 verwendet, auch als sie bereits wusste, dass die Grundlage für diese Behauptung gefälschte Dokumente waren. Kelly tut so, als ginge es in Ordnung, an der Behauptung auf der Grundlage von mündlichen Informationen irgend eines Landes solange weiter fest zu halten, bis sie hörten, dass sich auch die andere westeuropäische Regierung auf gefälschte Dokumente stützte. Solche Überlegungen setzen die Täuschung fort. Die Verpflichtung von Regierungsangehörigen auf redliche Ausführung ihres Amtes wird nicht gewahrt. Wenn gefälschte Dokumente einmal erkannt sind - und Kelly gesteht die Kenntnis der Fälschung ein -, dann gibt es keine Grundlage mehr, den Vorwurf weiter zu führen. Es gibt vielmehr die Verpflichtung, auch alle anderen Dokumente zu überprüfen, die ähnliche Vorwürfe enthalten.

Obgleich eine solche Entschuldigung für die Einbeziehung von unglaubwürdigen Informationen in eine solch wichtige Rede wie die Rede an die Nation des Präsidenten bestenfalls ziemlich dünn erscheint, wurde von der Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice eine weitere Erklärung gegeben, als sie am 8. Juni 2003 im Fernsehen bei Talkshows auftrat. Sie sagte, das Büro des Präsidenten habe nicht gewusst, dass die Niger-Story nach Ansicht der CIA auf gefälschten Dokumenten beruhe. In einem Brief vom 10. Juni an Rice zitiert er sie:

... Ich sage Ihnen, dass zu dem Zeitpunkt, als dieses Thema in den Geheimdiensten aufkam .... diese nicht wussten oder in dem Maße, wie dies zu uns gelangt ist, dass es ernsthafte Fragen zu diesem Bericht gibt.

Im Zuge der Infragestellung der Behauptung von Rice, dass das Außenministerium von den Fälschungen keine Kenntnis hatte, beschreibt Greg Thielmann, wie sein Büro diese Information dem Außenministerium vor der Rede an die Nation zukommen ließ. Als Direktor des Bureau of Intelligence and Research (INR) des Außenministeriums bis zum Herbst 2002 erklärt er, dass die Niger-Dokumente von seinem Büro als "Müll" bezeichnet wurden. Er berichtet, dass diese Beurteilung zu dieser Zeit dem Büro des Außenministers Colin Powell weiter gegeben wurde. Thielemann wurde in Zeitungen und Zeitschriften zitiert und bestritt auch in Fernsehinterviews, dass das Außenministerium nichts von den Fälschungen wusste.

Gleichgültig, ob die Bush-Regierung vor der ersten Woche im März 2003 wusste, dass die Niger-Dokumente gefälscht waren und dass der irakische Besitz von Nuklearwaffen eine Täuschung war, so befreit sie das nicht von der Verpflichtung, die Diskrepanz zwischen ihrer Kriegsbegründung und den Beweisen zu beachten, die sie dafür geliefert haben. Kelly gesteht zu, dass die Fälschung seit 4. März 2003 bekannt war. Es gab also noch genügend Zeit für George Bush, die Entscheidung, gegen den Irak in den Krieg zu ziehen, zurück zu nehmen. Das tat er nicht. Und es wurde auch kein anderer Beweis zu dieser Zeit für irgendwelche irakischen Atomwaffen gegeben. Am 19. März erklärte jedoch George Bush den Beginn des Kriegs gegen den Irak und behauptet, das Ziel des Kriegs sei, "den Irak zu entwaffnen und ... die Welt vor einer großen Gefahr zu schützen".

Eine Schlussfolgerung, die sich ziehen lässt, ist, dass es George Bush egal war, ob die der Öffentlichkeit gegebenen Gründe für den Krieg gegen den Irak auf gefälschten Beweisen basierten. Ob die Öffentlichkeit hinter dem Kriegskurs von Bush stand oder nicht, war für ihn nicht wichtig. Er konnte es nicht wissen, bis der Öffentlichkeit eine ehrliche Begründung gegeben wurde.

Welche Konsequenzen hat es, dass dem US-Kongress, der US-Öffentlichkeit, dem Sicherheitsrat der UN und der Welt gefälschte Begründungen für den Krieg gegen den Irak gegeben wurden? John W. Dean, ein früherer Berater von Präsident Nixon, erinnerte unlängst die Öffentlichkeit daran, dass ein Missbrauch der Regierungsaufgaben durch den Präsidenten und andere Regierungsbehörden ein Vergehen der schwersten Art sei. Auch wenn Dean die Fälschungen nicht erwähnt, auf denen die Regierungsbehauptungen über Iraks Atomwaffenprogramm beruhten, so erklärt er, dass die Lügen von Regierungsangehörigen über die Massenvernichtungswaffen ein Problem für die Aufrichtigkeit der US-Regierung darstellen.

Einen Krieg gegen eine souveräne Nation aufgrund gefälschter Behauptungen und verfälschter Darstellungen zu beginnen, wie sie hinsichtlich der Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak vorgebracht wurden, stellt den demokratischen Prozess in Frage. Wie können die Menschen überprüfen, was ihre Regierungsangestellten machen, wenn diese sie offen anlügen? Wie kann der Anschein eines Handelns nach der Verfassung, in der die Souveränität der Menschen aufbewahrt ist, aufrecht erhalten werden, wenn diese nicht wissen dürfen, was die Regierungsangehörigen machen? Dies ist ein großes Problem für das Wesen und die Zukunft von Recht und Regierung. Ob dieses Problem gelöst werden kann, ist eine wichtige Frage für unsere Zeit.