Friedenssichernde Mission Made-in-USA

Verteidigungsminister Rumsfeld denkt über eine unter der Regie des Pentagon stehende internationalen Eingreiftruppe nach, ein Bericht übte indessen scharfe Kritik am US-Vorgehen im Nachkriegs-Irak

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Friedenserhaltende Maßnahmen sind für die teilnehmenden Staaten und vor allem ihre Soldaten eine undankbare, gefährliche und oft auch vergebliche Arbeit. Die Bush-Regierung hat ihre Kritik an der Beteiligung von US-Soldaten an UN-Einsätzen nie verhehlt. Bush hatte während seines Wahlkampfes etwa gesagt, dass friedenssichernde Operationen die Bereitschaft und die Moral der Soldaten senken, die zum Kämpfen ausgebildet seien. Letztes Jahr hatte schließlich trotz der schon bekannten Schwierigkeiten im Nachkriegs-Afghanistan Verteidigungsminister Rumsfeld die Schließung des US Army Peacekeeping Institute bekannt gegeben. Jetzt stellt er neue Überlegungen dazu an: eine der USA unterstellte internationale Truppe, die eigens dafür ausgebildet ist und weltweit schnell eingesetzt werden kann.

Gerade erst hat die US-Regierung vom einflussreichen Council of Foreign Relation herbe Kritik erfahren müssen. In einem Bericht über den Nachkriegs-Irak, der unter der Leitung von dem ehemaligen UN-Botschafter Thomas Pickering und dem ehemaligen Verteidigungsminister John Schlesinger herausgegeben wurde, hebt an erster Stelle vor, dass es keine "klare und deutliche Vorstellung zur Gestaltung der politischen Landschaft" nach dem Fall des Hussein-Regimes gegeben habe. Das und die schnellen Wechsel hätten bereits schwere negative Folgen gehabt und der Glaubwürdigkeit geschadet. Man hätte auch die UN mehr einbeziehen und ihre eine stärkere Rolle zuweisen müssen. Das wäre auch insofern geschickter gewesen, da die Verantwortlichkeit nicht einseitig den Amerikanern zugewiesen worden wäre.

Eine der Forderungen des Berichts ist, dass als Konsequenz der Schwierigkeiten der Präsident schon jetzt Maßnahmen für Strategien und geschulte Einsatzkräfte für künftige friedenssichernde Operationen und Wiederaufbauprogramme einrichten müsse. Nicht gerade beruhigend heißt es, dass der Irak nicht der erste, aber nicht der letzte Fall für solche Operationen sein werde. In den letzten 12 Jahren habe die US-Regierung sechs Mal militärisch interveniert und dann mit Truppen für Stabilität und Wiederaufbau gesorgt. Es handele sich also um keine außergewöhnlichen Ereignisse. Friedenssicherung müsse zu einer "nationalen Kompetenz" werden.

Dazu passt, dass am 1. Oktober das 1993 eröffnete Institute for Peacekeeping, das von der Army betrieben wurde, endgültig seine Tore schließen wird. Sein Jahresetat waren 200.000 Dollar, das Gesamtbudget der Army liegt über 80 Milliarden. Die Entscheidung folgte der Haltung der Regierung, die Bush schon im Wahlkampf gegenüber seinem Konkurrenten Al Gore klar gemacht hat: "Er glaubt an nation building. Ich denke, die Rolle des Militärs besteht im Kämpfen und im Gewinnen von Kriegen und daher primär darin zu verhindern, dass Kriege überhaupt entstehen." Doch mit der ebenfalls von Anfang an und damit zusammenhängenden unilateralen Politik der Bush-Regierung, die auf Alleingang mit einigen Vasallen und militärischen Lösungen setzt, wurden zwar zwei Kriege erst einmal gewonnen, doch ob diese langfristig erfolgreich sein werden, ist noch immer zweifelhaft. Konsequenterweise hat die Bush-Regierung sich auch nicht an der ISAF in Afghanistan beteiligt

Die UN-Friedensmissionen sind tatsächlich oft nicht besonders effektiv und zu klein, da die Truppen freiwillig von Staaten gestellt werden, kaum ausgebildet und oft genug schlecht ausgerüstet sind. Aber für die Bush-Regierung dürfte im Vordergrund stehen, nicht selbst souverän über den Einsatz bestimmen zu können. Gleichwohl sind gegenwärtig noch immer 5.000 US-Soldaten im Balkan sowie auf Sinai stationiert. Dazu kommen die 150.000 Soldaten in Afghanistan und im Irak, die jetzt weniger mit Krieg, sondern mit dem Kampf gegen Terroristen oder Guerilla-Kämpfern oder anderen polizeilichen Aufgaben und ansonsten mit "nation building" beschäftigt sind. Vermutlich sind viele Ungeschicklichkeiten, die Tote auf beiden Seiten fordern, der mangelnden Vorbereitung und der einseitigen Ausrichtung auf den militärischen Kampf zu verdanken.

Offenbar ist das Problem im Pentagon und bei Rumsfeld angekommen, der zumindest erwägt, Einheiten für die Friedenssicherung aufzustellen, die dazu ausgebildet sind und schnell überall eingesetzt werden könnten, wo dies das Interesse der USA erforderlich macht. Nach Liberia zieht es die USA offenbar derzeit nicht, Ruud Lubbers, der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, forderte denn auch den Einsatz einer internationalen Friedenstruppe. Tausende von Demonstranten hatten am Freitag vor der amerikanischen Botschaft in Monrovia um die Hilfe der USA gebeten, um die Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen zu beenden.. Auch der britische UN-Botschafter Jeremy Greenstock forderte die US-Regierung zum Eingreifen auf.

Ob die von Rumsfeld in der letzten Woche geäußerte Idee einer ständigen Friedenstruppe auch für Einsätze bei Konflikten wie in Liberia zum Tragen kommen könnte, ist fraglich. Was festzustehen scheint, ist deren angedachte Konzeption, die wieder ganz der gewohnten politischen Ausrichtung der USA folgt (Einheit statt Multipolarität, Ordnung statt Chaos). Wie der Spiegel darauf kommt, dass es hier um eine "180-Grad-Wende in unilateralistischen Außenpolitik" ginge, ist selbst bei bestem Willen nicht nachzuvollziehen.

Auch mit solch einer angedachten Truppe will man sich möglichst ganz aus der UN zurückziehen, selbst die Nato scheint noch - dazu mit kritischen Partnern - zu verpflichtend oder einengend zu sein. Sie ist Ausdruck des erprobten Modells des amerikanischen Internationalismus, nämlich der Koalition der Willigen, so dass die USA das Zepter in den Hand behalten, aber gleichzeitig Last und Verantwortung auch auf andere Schultern laden. Selbst ausgebildet werden soll die Friedens- oder vielleicht besser Eingreiftruppe vom Pentagon. Die Frage ist nur, wie weit andere Staaten noch willig sein würden, wenn nicht Afghanistan und der Irak doch noch zu erfolgreichen Vorzeigeaktionen für einen Nachkriegseinsatz werden, mit den Amerikanern mitzuziehen.