Was, wenn sich eine "fat banana" in unseren Planeten bohrt?

Die gefährliche Freiheit der Asteroiden

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Wo gehobelt wird, fallen Späne. Auch die Astronomen haben ihre Späne: in Gestalt der Asteroiden, die bei der Geburt der Sterne entstehen. Durch das Universum ziehen mehrere Tausend große Brocken, bei einigen braucht es gar 100 km, um von einem zum anderen Ende zu gelangen. Und dann sind da noch Hunderttausende "kleine" Asteroide, so genannt, weil ihr Durchmesser 1000 Meter nicht überschreitet. Auch wenn sich viel Geröll zwischen Jupiter und Mars im Asteroidengürtel auf festen Bahnen bewegt, droht Gefahr durch Ausreißer. Das Risiko ist real und keine Horrorvision a la Hollywood: jeder zweite Krater auf unserem Mond wird auf Einschläge durch Asteroide oder Meteoriten zurückgeführt.

Weil das Geröll aus hartem Stein und Metall besteht, geht der Zusammenprall nicht ohne Blessuren ab. Ohne dass wir es merken, prasseln täglich 100 Tonnen kosmischen Materials auf die Erde nieder. Sucht man nach den Auswirkungen heftiger Einschläge auf unserem Planeten, dann können die Geologen bisher mit gut 170 Stellen aufwarten. Inzwischen suchen sie nicht nur nach Kratern, sondern erkennen Gesteinsformationen, die durch massiven Druck von außen zusammengepresst sind.

Der Astrophysiker Andrea Milani von der Universität Pisa ruft in Science die wissenschaftliche Welt auf, sich intensiver mit den Auswirkungen von abirrenden Asteroiden zu befassen. Er wird sekundiert vom Geologen Wolf U.Reimold von der Impact Cratering Research Group in Johannesburg.

Die Forderung, Near-Earth-Objects, erdnahe Objekte (NEOs) zu suchen und nach dem möglichen Risiko eines Zusammenpralls mit der Erde zu bewerten, mündete 1998 im Projekt Spaceguard goal. Als Ziel wurde formuliert, alle NEOs zu erfassen, deren Durchmesser einen Kilometer übersteigt und für uns Erdenbewohner katastrophal werden könnte. Die Suche im Weltall hat bis jetzt bereits annähernd 600 Objekte zusammengebracht und wird, sollte die Zählung wie vorgesehen in fünf Jahren auslaufen, statistisch gesehen weitere 400 Asteroide addieren. Vorausgesetzt allerdings, dass die ständige Verbesserung der Sichtgeräte nicht zusätzliche Kandidaten einbringt.

Suchen und zählen ist für Astrophysiker und Astronomen weniger als die halbe Arbeit. Denn im Grunde wollen die Wissenschaftler prognostizieren, etwa einen Ausreißer entdecken oder den Absprung eines Asteroiden vorherzusagen. Das ist kein leichtes Unterfangen. Die Himmelskörper haben, auch wenn sie Kreise ziehen, unbändige Freiheit. J.L.Margot und M.E.Brown vom California Institute of Technology in Pasadena beschreiben ebenfalls in Science die Laufbahn des 181 km breiten Asteroiden 22 Kalliope. Im Vergleich der Laufbahnen über 500 Tage handelt es sich eher um einen Tanz als um die vom menschlichen Ordnungssinn erwartete Bewegung.

Über 500 Tage ändert sich die Bahnform des Asteroiden 22 Kalliope (Bild: Science)

Nicht nur aus diesem Grund mussten dem Roboter CLOMON an der Universität Pisa, obwohl erst 1999 in Betrieb genommen, bereits drei Jahre später durchgreifende Verbesserungen implementiert werden (CLOMON2). Die Animationen von Giovanni Valsecchi auf seiner Webseite vermitteln einen Eindruck vom Wirkprinzip, bei dem es darum geht, die Laufbahn und die Schnittlinie mit der Erdbewegung in Übereinstimmung zu bringen.

Die relative Bewegung zueinander wird nach der Wahrscheinlichkeit im Wahrscheinlichkeitsraum abgeschätzt (Bild: spaceguardgoal.org)

Selbst wenn wir ein NEO erfasst und seine Bewegung analysiert haben, bleibt eine "uncertainty region", die gar mit der Zeit anwächst. Irgendwann in ferner Zukunft könnte es die Erde treffen. Deshalb dürfen wir den Ablauf nicht deterministisch, sondern nur nach der Wahrscheinlichkeit in einem Schwarm virtueller Asteroide (VAs) vorhersagen. Davon ist nur ein VA real, doch wir wissen nicht welches. Die erste Version von CLOMON bracht uns eine Wahrscheinlichkeit von 1 auf eine Milliarde. Mit CLOMON2 und der Beschränkung auf die nächsten 80 Jahre errechnen wir heute durchaus realistische Vorhersagen. Deshalb macht es Sinn, in den nächsten 10-20 Jahren zusätzlich Objekte zwischen 300 und 1000 m Durchmesser in die Beobachtungen einzubeziehen

Andrea Milani

Asteroide haben etwas Faszinierendes. Sie führen uns zurück in die Vergangenheit des Universums und werden selbst durch Bilder materiell greifbar - so Eros 433 durch Aufnahmen der NEAR Shoemaker Sonde. Was aber, wenn sich die "fat banana" (33x13x13 Kilometer), die alle 5 Stunden um die eigene Achse rotiert, in unseren Planeten bohrt? Keine Sorge, sagen die Experten, dieser Eros ist weit und wird auch in Zukunft der Erde nicht gefährlich nahe kommen.

Rekonstruktion von Eros 433 aus Bildern der NEAR Shoemaker Sonde (Bild: NASA)

Wolf U.Reimold erinnert hingegen an 1994, das Jahr, in dem Fragmente des Shoemaker-Levy 9 Kometen mit Jupiter kollidierten und einen Krater schlugen, so mächtig, dass unsere Erde darin vollständig Platz fände.

Nachzeichnung des Einschlags von Shoemaker-Levy 9 auf dem Jupiter (Bild: NASA)

Auf unserem Planeten ist die Zahl der Orte, an denen Einschläge verifiziert wurden, von knapp 20 im Jahr 1960 auf jetzt 170 angestiegen. Nicht, weil sich seitdem die Einschläge häuften, sondern weil die Geologen gelernt haben, alte Wunden zu erkennen. Den Laien am bekanntesten ist Chicxulub in Yucatan, verbunden mit der Hypothese vom Aussterben der Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren. Größer noch ist der Krater Sudbury in Kanada mit einem Durchmesser von 250 km und noch einmal größer die Senke Vredefort in Südafrika. Am 30. Juni jährte sich der jüngste heftige Einschlag: 1908 im sibirischen Tunguska. Nach den Beschreibungen von Zeitgenossen fühlen wir uns an eine mächtige Atombombenexplosion erinnert.

"Das Worst-Case-Szenario ist eine Situation, in der Zusammenprall mit einem Asteroiden nicht auf Jahre zuvor prognostiziert werden kann, und den Erdenbewohnern keine Zeit bleibt, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Ein 1-km-Asteroid erzeugt einen Effekt ähnlich einem weltweiten Nuklearkrieg", mahnt Andrea Milani. Deshalb müssen die Suche nach gefährlichen Himmelskörpern intensiviert und ein mögliches Ereignis und dessen Bewältigung vorlaufend durchgespielt werden.

Fragt man den Geologen Wolf U.Reimold: "Welche Veränderungen werden das zukünftige Geschehen auf der Erde bestimmen?", gibt er eine plausible Antwort: "Von innen her die Plattentektonik, die von Alfred Wegener 1915 in seinem Buch "Die Entstehung der Kontinente und Ozeane" erkannt wurde und Erdbeben, Vulkane sowie Tsunami verursacht. Von außen solide Körper des Sonnensystems, die auf die Erde niederfallen."