Freedom for deep links

Presse-Suchmaschine "Paperboy" darf weiter machen

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Sie sind zwar selten, aber doch existent: vernünftige Gerichtsurteile zu Internetfragen. Diesmal ging es um die Frage, ob die Indexierung einzelner News von Online-Magazinen zulässig ist. Der BGH sagt nun: Ja! Und auch, wieso.

"Deep links" gibt es, solange es das Internet gibt - es lebt davon. Nur mit Hilfe von Suchmaschinen sind Informationen auf Websites zu finden, die mehr als ein paar Familienfotos enthalten. Doch leider ist dies nicht jedem klar, insbesondere nicht jenen, die Angebote ins Netz stellen.

So klagte die Verlagsgruppe Handelsblatt gegen die auf die Online-Presse spezialisierte Suchmaschine Paperboy, weil diese auch Artikel auf den Online-Auftritten von "Handelsblatt" und "DM" indiziert und verlinkt hatte und machte dabei geltend, dies sei wettbewerbswidrig, verletze das Urheberrecht der Autoren und umgehe die Werbung auf der Startseite der jeweiligen Webauftritte. Paperboy war auch deshalb beliebt, weil der Dienst - wie viele Portale - seine Benutzer zusätzlich täglich per E-mail über interessante Artikel aus ihrem Interessensgebiet informieren konnte.

Die Verlagsgruppe Handelsblatt zwang das beliebte Presseportal Paperboy offline

Man hat noch nie von einer Strafe gehört, weil jemand öffentlich erwähnte, dass auf Seite 17 der TAZ ein interessanter Artikel sei oder im Fernsehen um 22.25 ein guter Film und dabei eine kurze Beschreibung angab. Im Gegenteil, normalerweise freuen sich die Medien hierüber. Es ist auch nicht verboten, Bücher von hinten oder mittendrin beginnend zu lesen. Ebenso darf ein kurzer Textausschnitt zitiert werden. Warum sollte dies bei Webseiten nun anders sein?

Besonders absurd war der Fall, weil die meisten Online-Anbieter eigentlich ganz besonders darauf achten, dass Suchmaschinen ihnen Besucher bringen. Es ist technisch auch kein Problem, entweder Bezahlsysteme einzurichten, wenn Nachrichten nicht öffentlich zugänglich sein sollen, oder aber - was leider auch oft genug anzutreffen ist - den Besucher von der ihn interessierenden Seite weg zur Startseite umzuleiten und zu hoffen, dass er dann schon irgendwann, weil er nicht zu seiner Wunschseite kommt, stattdessen entnervt auf ein Werbebanner klickt. Zudem kann mittlerweile schon das einfachste Portalsystem auch auf Unterseiten Werbung einblenden, wenn dies gewünscht ist.

Vor dem Landgericht bekam der Verlag Recht gesprochen, in der Berufung vor dem Oberlandesgericht dagegen Paperboy. Die Website Paperboy war seitdem offline, da das finanzielle Risiko für die Betreiber zu groß war. Der Bundesgerichtshof entschied nun eindeutig (vgl. auch Funktion der Hyperlinks steht über kommerziellen Interessen):

Wenn die Klägerin das Internet für ihre Angebote nutze, müsse sie auch die Beschränkungen in Kauf nehmen, die sich aus dem Allgemeininteresse an der Funktionsfähigkeit des Internets für die Durchsetzung ihrer Interessen ergäben.

Ganz klar wurde sogar gesagt:

Auch wenn der Klägerin dadurch Einnahmen für die Werbung auf den Startseiten entgingen, könne sie nicht verlangen, dass nur der umständliche Weg über die Startseiten gegangen werde und die Möglichkeiten der Hyperlinktechnik ungenutzt blieben.

Man sieht also, hier haben sich die Richter einmal mit den technischen Fakten beschäftigt und sind zu einer fundierten Entscheidung gekommen, die wir nun auchtief verlinken dürfen und die hoffentlich den "Deep-Link"-Klagen ein Ende setzt: Wer einen direkten Zugriff auf Unterseiten seines Webauftritts nicht will, hat zukünftig gefälligst selbst hierfür zu sorgen und nicht die Gerichte zu bemühen.

Auch ohne Hyperlink könne ein Nutzer unmittelbar auf eine im Internet öffentlich zugängliche Datei zugreifen, wenn ihm deren URL (Uniform Resource Locator), die Bezeichnung ihres Fundorts im World Wide Web, genannt werde. Ein Hyperlink verbinde mit einem solchen Hinweis auf die Datei, zu der die Verknüpfung gesetzt werde, lediglich eine technische Erleichterung für ihren Abruf. Er ersetze die sonst vorzunehmende Eingabe der URL im Adressfeld des Webbrowsers und das Betätigen der Eingabetaste.

Aus dem BGH - Urteil vom 17. Juli 2003 - I ZR 259/00