Macht Euch die Erde untertan

Aus dem Vatikan sickert durch, der Papst werde in Kürze ein Erklärung zum genmanipulierten Getreide vorlegen und darin Frankensteinfood wärmstens empfehlen

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Die australischen Catholic News zitieren Erzbischof Renato Raffaelo Martino, Leiter des päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, wonach eine päpstliche Erklärung rechtzeitig vor der nächsten Tagung der EU-Landwirtschaftsminister die katholischen Gläubigen auf den rechten Weg einstimmen werde. Der Papst, so wird erläutert, sei persönlich an der modernen Biotechnologie interessiert und von seinen wissenschaftlichen Beratern darin bestärkt worden, genveränderte Nahrungsmittel im Kampf gegen den Hunger in der Welt einzusetzen.

"Ich habe 16 Jahre in Amerika gelebt und gegessen, was mir gegeben wurde, einschließlich genveränderte Lebensmittel. Bisher habe ich keine krankhaften Folgen bemerkt," sagte Erzbischof Renato Raffaelo Martino. "Der Papst macht aus genetisch hergestellten Nahrungsmitteln keine große Sache (big deal). Wenn man hungrig bist, dann isst man alles."

Die Zeitung 30Giorni berichtet "in breve" über ein Treffen, das Ende Juni in Kalifornien zwischen dem amerikanischen Landwirtschaftsminister und einer Delegation der katholischen Kirche unter Leitung des Erzbischofs stattfand. Damals wurde Übereinstimmung erzielt, wonach genveränderte Organismen für die Armen (GVO), die Hungrigen und die Unterernährten" notwendig seien.

Wahrscheinlich nutzte US-Außenminister Colin Powell die päpstliche Audienz am 2. Juni nicht nur zur Erläuterung des Irak-Krieges, sondern auch, um die Botschaft seines Präsidenten Georges W. Bush zum Hunger in der Welt und die Einladung der Klerikalen nach Kalifornien zu übermitteln.

Da an anderer Stelle ein Vertreter des Vatikans mit den Worten zitiert wird: "Das Buch Moses bestimmt zweifelsfrei die Herrschaft des Menschen über die Natur. Gott will, dass die Menschheit die Natur schützt, aber auch benutzt", könnte eine für viele Katholiken und Beobachter sicherlich überraschende Hinwendung zur wissenschaftlichen Forschung Platz gegriffen haben.

Im Hintergrund stehen wirtschaftliche Interessen

Noch am 20. September vorigen Jahres warnten die katholischen Bischöfe auf der "Southern African Catholic Bishops' Conference" vor genverändertem Getreide, weil es die Länder langfristig schädige. Sie empfahlen, Mais zu spenden und zu verteilen, anstatt anzupflanzen, weil "genveränderter Mais über die Verbreitung der Samen die lokalen Pflanzen kontaminiert. Diese Kontamination wird die Bauern von den überseeischen Produzenten von Samen und Herbiziden abhängig und den Export nach Europa unmöglich machen, was wiederum die lokalen ökonomischen Bedingungen verschlechtert." Diese Argumentation fand im Oktober auf dem Earth Summit von 135 afrikanischen Ländern und Organisationen Widerhall. Zusätzlich wurde die Forderung der US-Regierung, Sambia könne ohne Einfuhr von genverändertem Getreide keine US-Hilfe erwarten, als unmenschliches Ultimatum ("GM or Death") gebrandmarkt (Gen-Food, nein danke!).

Die Koppelung von Frankensteinfood und Welthungerhilfe übersieht einen bedeutsamen Aspekt. Die Weltbevölkerung, obwohl sie sich seit 1960 verdoppelte, wurde recht und schlecht ernährt, indem nur 7 Prozent mehr Land kuliviert werden musste. Der größte Anteil des Zugewinns (4 Prozent) in der Vor-GM-Ära entfällt auf Getreide (auch Mais und Reis), das 2/3 der Ernährung ausmacht. Bezogen auf die Menge an Nahrungsmitteln beträgt die Zunahme weltweit 270 Prozent, was statistisch 30 Prozent pro Person ausmacht. Das zunehmende Übergewicht der nordamerikanischen Bevölkerung beweist, dass der Überschuss im Westen nicht zwangsläufig zur "gerechten" Verteilung in den unterentwickelten Ländern führt. Entwicklungshelfer fordern ebenfalls, die Almosen auf die Übergangszeit zu beschränken, damit die lokale Entwicklung stimuliert und die Selbstversorgung zügig sichergestellt wird (Spiel mit dem Hunger?).

Der Bevölkerung in den von Bürgerkriegen gebeutelten Ländern Afrikas fehlt es an der politischen Stabilität, Getreide überhaupt anzubauen und zu ernten. Die Not in Südamerika ist ebenfalls politischer Natur. Die Verbreitung genetisch veränderter Organismen (GVO) ist deshalb kein Allheilmittel.

In Wirklichkeit geht es um die Biotech-Unternehmen und um deren Gewinnoptimierung. "Der jährliche Markt für GM Food liegt bei 9-11 Milliarden US Dollar", steht auf der Webseite der in Basel heimischen Firma Syngenta, dem nach eigenen Angaben drittgrößten weltweit operierenden Anbieter. Die Innovationen für die nächsten Jahre (die Produkte von Morgen) müssten stagnieren, gelänge es nicht, die politischen Widerstände abzubauen.

Trotz des Hungers in der Welt sind die Unternehmen überaus erfolgreich. DuPont, der Eigner von Monsanto, berichtet für "Agriculture & Nutrition" im 2.Quartal dieses Jahres einen Umsatz von 1,9 Milliarden US Dollar. Die zum Vorjahr deutliche Steigerung um 21 Prozent zeigt, dass DuPont trotz der weltweiten Rezession gut verdient. Weil die Pflanzen nicht umsonst sind, geht es nicht um Almosen. Vielmehr profitieren die Unternehmen in guten wie in schlechten Zeiten. Ihre Einnahmen kommen entweder aus der Wirtschaftshilfe, die den notleidenden Ländern zufließt, oder vom direkten Verkauf ihrer Produkte. Mit dem Aussterben natürlicher Pflanzen und den Patenten auf ihre eigenen Erzeugnisse werden die Hersteller den Markt dirigieren. Insofern blicken die afrikanischen Bischöfe zu Recht sorgenvoll in die Zukunft.

Niccolo Machiavelli empfahl seinem Fürsten, zu kooperieren, wenn darin Erfolg liegt. Die Koinzidenz von Ereignissen in den USA könnte ein nicht ganz so offensichtlicher Grund für den Sinneswandel in der römischen Kurie sein. In mehreren Bundesstaaten sind Tausende von sexuellen Übergriffen katholischer Priester an Kindern und Jugendlichen anhängig. Sollte die Staatsanwaltschaft die Anklagen durch Vergleiche abwiegeln, könnte der Konkurs vieler Diözesen vermieden werden. Georges W. Bush hingegen ist daran gelegen, den Bauern und der biotechnischen Industrie unter die Arme zu greifen, die Wirtschaft wieder auf Trab zu bringen und die Vormachtstellung der USA weiter auszubauen.

Georges Bush handelt ganz im Sinne von Niccolo Machiavelli.

So hat er stets große Dinge geplant und ausgeführt, die seine Untertanen ständig mit Spannung und Bewunderung erfüllten und auf den Ausgang neugierig machten.

Machiavelli (1469-1527) schwärmte allerdings von Ferdinand von Aragon, der seine Herrschaft mit der Befreiung Granadas von den "heidnischen Moslems" begründete.