Kometen mit Gefrierbrand

Bislang galten Kometen als Relikte aus der Entstehungszeit des Sonnensystems, die gut tief gekühlt und weit weg von der Sonne ihren ursprüngliche Materiezustand bewahrt haben. Diese Vorstellung ist nicht länger haltbar, denn auch die Schweifsterne durchlaufen evolutionäre Prozesse.

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Komet Wirtanen, Ziel der Rosetta Mission, Bild: Southwest Research Institute

Es ist sowieso zu heiß zum Schlafen in diesen Sommernächten und wer draußen in tiefer Dunkelheit seinen Kopf in den Nacken legt, hat die Chance jede Menge Sternschnuppen zu sehen. Denn Mitte August ziehen die Perseiden vorüber. Die Staubteilchen und Bruchstücke des Kometen Swift-Tuttle verglühen in der Atmosphäre der Erde und wer weit genug von lichtverschmutzten Städten entfernt ist, kann von 10. bis 14. August über hundert Meteore beobachten und sich jedes Mal etwas wünschen.

In der Antike galten Kometen als Vorboten von Katastrophen und Kriegen. Spektakulär ist ihr Auftauchen auch heute noch, aber als mystisches Zeichen werden sie nur noch von Endzeitgläubigen gedeutet. Astronomen hielten sie lange für eine Art gut konservierte, archäologische Relikte unseres Sonnensystems. S. Alan Stern vom Southwest Research Institute in Boulder, Colorado, stellt nun in Nature klar, dass Kometen zwar durchaus Überbleibsel der Geburtswehen der Planetenentstehung sind, aber seit 4,5 Milliarden Jahren verschiedenen Einflüssen ausgesetzt sind, die sie substanziell veränderten.

Kometen sind kleine Himmelsobjekte, die üblicherweise einen Durchmesser von einem bis zu 15 Kilometern haben und die Sonne umkreisen. Die "schmutzigen Schneebälle", wie sie auch genannt werden, bestehen aus Trockeneis (gefrorenem Kohlenstoffdioxid), Wassereis und darin eingeschlossenem Staub. Die kosmischen Eisberge ziehen ihre Kreise von den Rändern des Sonnensystems aus, zu Hause sind sie jenseits des Neptun im Kuiper-Gürtel, in einer Entfernung ab 30 Astronomischen Einheiten (1 AE entspricht ca. 150 Millionen Kilometer), und in der Oortschen Wolke dahinter, die sich bis zu einer Entfernung von 100.000 AE ausdehnt.

KOmet Hale-Bopp. Foto: H.A. Weaver (Applied Research Corp.), P.D. Feldman (The Johns Hopkins University), and NASA

Die Kometen kreisen auf länglichen elliptischen Bahnen um die Sonne und brauchen für einen Umlauf einige Jahren bis zu mehrere Jahrtausende. Ihr charakteristisches Aussehen mit Schweif entwickeln sie im Anflug auf die Sonne. Durch die zunehmende Wärme verdampfen die flüchtigen Substanzen wie das Kohlendioxid und strömen zusammen mit Staubpartikeln von der Oberfläche weg. Um die Kometen herum entsteht dadurch eine neblig-diffuse Kometenatmosphäre (Koma), die einen Durchmesser von zehn bis hunderttausend Kilometer haben kann. In der Nähe der Sonne wird das Gas in der Koma elektrisch aufgeladen und vom Sonnenwind mitgerissen. Der Schweif leuchtet im Sonnenlicht und ist stets von der Sonne abgewandt.

In den vergangenen Jahren ist das Wissen über Kometen enorm gewachsen und zunehmend wird deutlich, dass sie keine unverfälschten Zeugnisse aus den Anfängen unseres Sonnensystems darstellen. Alan Stern hat jetzt die Forschungsergebnisse zusammen getragen und beschreibt in seinem Artikel die Vielzahl verschiedener evolutionärer Vorgänge, die auf die Schweifsterne einwirken. Der Kuiper-Gürtel und die Oortsche Wolke sind gigantischen Tiefkühlschränke, in denen Himmelsobjekte zusammen stoßen, Sterne von außen auf Besuch kommen und jede Menge Strahlung einfällt. Von der herkömmlichen Vorstellung, es handle sich um kryonische Kammern, in denen die Kometen in Stasis liegen, muss endgültig Abschied genommen werden.

Während die schmutzigen Schneebälle weit draußen in der Kälte sind, sorgt die Strahlung großer Sterne aus der kosmischen Nachbarschaft, die vorbei ziehen oder in Supernovae explodieren, für eine Erwärmung der Kometen. Äußere Eisschichten schmelzen dabei ab. Staubkörner aus dem interstellaren Raum schlagen ein und sorgen für einen stetigen Erosionsprozess, eine Art Sandstrahlen-Behandlung. Zudem sind sie ständig kosmischer Strahlung ausgesetzt, Photonen und elektrisch geladene Teilchen bombardieren sie andauernd.

Die Oortsche Wolke ist dünn besiedelt und alles bewegt sich sehr langsam. Nur selten kommt es zu Zusammenstößen. Ganz anders im Kuiper-Gürtel, dort sind Kollisionen mit hoher Geschwindigkeit an der Tagesordnung, mit gravierenden Folgen für die Beteiligten. Kometen verändern im Kuiper-Gürtel ständig ihre Oberfläche, viele sind relativ frische Bruchstücke größerer Himmelskörper. Stern rät deswegen bei künftigen Raumfahrt-Missionen wie Rosetta zwischen Kometen aus dem Kuiper-Gürtel und denen aus der Oortschen Wolke zu unterscheiden. Außerdem sollten Proben aus tieferen Schichten, mindestens einige Meter unter der Oberfläche, entnommen werden, um potenziell wirklich altes Material einzusammeln.