Vorauseilender Gehorsam als Standard - Google entfernt erneut Seiten aus dem Index, ohne es auf eine gerichtliche Auseinandersetzung ankommen zu lassen

Googles Ankündigung, man könne sich eine Übernahme durch Microsoft durchaus vorstellen, weckt Besorgnis. Dabei sind Suchmaschinen im allgemeinen nur bedingt zuverlässig

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"Annäherungsversuche anderer Firmen hat es gegeben und wir haben bisher immer Nein gesagt, aber es wäre dumm, ein ernsthaftes Angebot abzulehnen." So äußerte sich der Google-Gründer und Präsident Sergey Brin auf der Fachmesse für Suchmaschinen zu der Frage, ob man sich eine Übernahme durch Microsoft vorstellen könne. Die Reaktionen der Nutzer der populären Suchmaschine waren geteilt. Während die einen sachlich argumentierten, dass Google nun einmal ein privater Dienst sei und daher Gewinn orientiert, sahen die Anderen in dem Konglomerat aus führender Suchmaschine und führendem Betriebssystemhersteller eine Bedrohung für Googles Unabhängigkeit. Dabei ist diese schon jetzt nur noch ansatzweise gegeben. Ein Prinzip, das für alle Suchmaschinen bisher gilt.

Wer zahlt, kommt höher

Nicht nur Google, auch Yahoo, Web.de und andere Suchmaschinen finanzieren sich nicht zuletzt durch Werbung. Für den Nutzer, der sich nicht intensiv mit den einzelnen Suchmaschinen beschäftigt, wird ein Link schnell zur Informationsquelle Nummer 1 obwohl es weitaus bessere gäbe - wenn der Seitenbetreiber entsprechend Geld an den Suchmaschinenbetreiber zahlte. Bei einigen Suchmaschinen, wie zum Beispiel Ouverture sieht man schon beim Suchergebnis, bei welchen Links es sich um bezahlte handelt, bezahlte sind mit dem Zusatz "sponsored listing" versehen.

Google setzt Anzeigen nicht nur farblich ab, sondern listet sie auch gesondert auf - Anzeigen erscheinen, extra mit dem Titel "Anzeigen" versehen, rechts von dem regulären Suchergebnis. Bei anderen Suchmaschinen ist es dahingegen schon schwieriger, zwischen einem Link, der sich unter den ersten 10 findet weil er relevant ist und einem solchen, der auf Grund von finanziellen Mitteln in den ersten 10 landete, zu unterscheiden.

Google.de oder Google.com? - Die Crux der Regionalität

Aber auch regionale Rechtssprechung wirkt sich auf Suchmaschinen aus. Googles "Service", den Nutzer direkt auf die deutsche Google-Version zu leiten, gleichgültig ob dieser nun Google.com oder Google.de aufrufen wollte, erscheint vielen als Bevormundung. Nicht zuletzt auch deshalb weil selbst ein beherzter Klick aus den Link "Google in English" nichts hilft. Der deutsche Internet-Nutzer soll sich nun einmal mit der deutschen Version zufrieden geben. Schließlich ist es so auch leichter, die deutsche Rechtsprechung zu beachten und Links zu inkriminierten Seiten sowie Texte aus dem Google-Archiv zu entfernen.

So findet man über bei Google.de ganz andere Ergebnisse als bei Google.com, die Seite Stormfront.org beispielsweise erscheint im deutschen Index nicht und auch die von der Deutschen Bahn monierte Seite über die Möglichkeit, Züge zu sabotieren, wird man bei Google.de vergeblich suchen. Während der informierte Internet-Nutzer über diese regionale Filterung nicht zuletzt durch diverse Nachrichten bereits informiert wurde, sucht man Hinweise auf diese Praxis auf Google.com wie auch auf Google.de vergeblich.

Stolperfalle DMCA

Da Google seinen Firmensitz in den USA hat, unterliegt man auch dem amerikanischen Recht. Und das bedeutet, dass auch der Digital Millenium Copyright Act Anwendung findet. Dass dieses überaus umstrittene Gesetzeswerk sich auch als Zensurinstrument eignet, zeigte sich schon im Fall von Scientology. Scientology wandte sich an Google, auf dass die Seiten der Operation Clambake nicht mehr im Googleschen Index vorkämen. "Operation Clambake" hatte sich die Aufklärung über Scientology zur Aufgabe gemacht laut Scientology hatte sie dabei auf der ihrer Homepage auch Zitate verwendet, die dem Copyright der "Church of Scientology" unterlagen. Google ersparte sich weitere gerichtliche Auseinandersetzungen und entfernte die Links postwendend (vgl. Die Welt ist fast alles, was Google ist), nach Protesten entschied man sich dann, wenigstens Xenu.net wieder in die Suchmaschine aufzunehmen.

Die Möglichkeit, sich auf den DMCA zu berufen, nutzte nun auch Sherman Networks, bekannt für seine P2P-Software "Kazaa". Sherman Networks wandte sich mit einem freundlichen Brief an Google und forderte darin auf, Links zu Seiten, welche nicht autorisierte Downloads anbieten, nicht im Index aufzulisten.

Utilizing the search query, "kazaa," at www.google.com, the following search results (the "Infringing Material") contain unauthorized copies of the KMD or unauthorized derivative works of the KMD which infringe the KMD and the exclusive rights of the Owner

Auch dieser Aufforderung kam Google nach, ohne es auf eine gerichtliche Auseinandersetzung ankommen zu lassen. In dem Schreiben stellt Sherman Networks auch noch fest, dass er lediglich guten Glaubens darüber ist, dass es sich um Copyright-Verletzungen handelt, weitere Beweise dafür werden nicht vorgelegt.

Please immediately remove or disable all access to the Infringing Material. I have a good faith belief that the use of the Infringing Material is not authorized by the Owner, its agents or the law. The information in this Notice of Copyright Infringement is accurate and under penalty of perjury, I am authorized to act on behalf of the Owner.

Vorauseilender Gehorsam als Standard

Die populärste Suchmaschine scheint das, was ihr Präsident und Gründer auf der Suchmaschinenmesse sagte, sehr ernst zu nehmen:

Wichtig sei, dass Google ein wirtschaftliches Unternehmen sei und Gewinne abwerfe. Gerichtsverfahren werfen jedoch keinen Gewinn ab, sie kosten lediglich Geld. Dass auf diese Weise das Vertrauen der Nutzer in die Suchmaschine schwindet, stellt für Google wohl das kleinere Problem dar. Da die meisten Nutzer nicht einmal von diesen Zensurmechanismen Erfahren, sondern sich weiterhin darauf verlassen, dass Google ihnen die besten und relevantesten Links liefert, ist dieses Denken sogar nachvollziehbar. In Anbetracht der Tatsache, dass die Mehrheit der Nutzer mittlerweile "googlet" statt "im Internet sucht" wird es wohl auch nicht auffallen, wenn durch den DMCA weitere Seiten nicht mehr im Index auftauchen - selbst wenn nicht einmal fest steht, dass diese Seiten wirklich die Regelungen des DMCA verletzen. Das Gebaren von Google zeigt einmal mehr, wie abhängig der Nutzer von Suchmaschinen ist und wie schnell er bereit ist, darauf zu vertrauen, dass ein Wirtschaftsunternehmen wie Google hehre Beweggründe für seinen Dienst hat.