Der so genannte Führerbunker ist kein Mythos

Noch nicht

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Ein Mythos überlagert die historische Realität durch Vermutungen, Legenden oder Lügen. Das sagte Sven Felix Kellerhoff bei der Präsentation seines neuen Buches Mythos Führerbunker am 3.9. in Berlin.

Der Autor räumte auch gleich mit einigen wilden Thesen auf, etwa der, dass es einen geheimen Gang vom Führerbunker bis zum Flughafen Tempelhof gegeben hätte. Erstaunlich genug, dass sich bisher kein Buch mit der Geschichte des Gebäudes, seinem Abriss und den heutigen Überresten beschäftigt hat. Jeden Tag ziehen die Touristengruppen die Berliner Wilhelmstrasse entlang und fragen nach dem Ort, an dem Hitler sich die Kugel gab. Aber noch nicht einmal eine Tafel weist darauf hin.

Eines der bekanntesten Fotos aus den letzten Tagen der Schlacht um Berlin zeigt den "Gröfaz" vor den Trümmern der neuen Reichskanzlei. Der Bunker nördlich der Reichskanzlei, in dem Hitler seine letzten Tage verbrachte, wurde schon 1935 gebaut - niemand kann behaupten, die Nazi-Führer hätten nicht gewusst, was ihre Politik anrichten würde. Der Führerbunker bestand aus zwei Teilen: der alte Luftschutzkeller wurde 1943 durch einen massiven Bunker ergänzt, der bis zu acht Meter unter der Erdoberfläche und wegen des Grundwassers immer feucht war. Wände und Decken bestanden aus vier Meter dickem Beton und waren mit den damaligen Waffensystemen nicht zu zerstören. Die Größe der Räume konterkarierte Hitlers Größenwahn: sie maßen in der Regel nicht mehr als zehn Quadratmeter.

Rochus Misch, der letzte Telefonist Hitlers, der als Zeitzeuge auch im Film Der Bunker aus dem Off kommentiert, gab der Buchvorstellung eine "besondere" Note: eingeladen, um die Atmosphäre kurz vor Hitlers Tod zu schildern, dokumentierte er eher den Typus des Deutschen, der sich nicht erinnern kann, worum es bei dem Wahn der Nazi-Ideologie ging - er sei ein einfacher Soldat gewesen, der seine Pflicht tat. Man muss dem Verlag dankbar sein, dass er da Risiko einging, den Zeitzeugen wie eine Art Bonsai-Winifred Wagner sich blamieren zu lassen.

Geradezu abenteuerlich ist die Geschichte des Abrisses. Teile des völlig zerstörten Führerbunkers wurden für den Bau des sowjetischen Ehrenmals in Berlin-Treptow und den U-Bahnhof Mohrenstrasse in Berlin-Mitte verbaut. Das Gelände lag nach 1961 im Todesstreifen, direkt an der Mauer. Der Ost-Berliner Künstler Erhard Schreier bekam zufällig mit, dass auf dem Gelände gesprengt wurde. Ein Bauarbeiter verriet ihm, dass es sich um "Adolfs Bunker" handelte. Schreier setzte durch, dass er den Abriss in Zeichnungen und Fotos akribisch dokumentieren durfte.

Das Ministerium für Staatssicherheit hatte die Ruine schon 1973 untersucht - die Akten umfassen 26 Ordner - und den Zustand beschrieben. Da auf dem Gelände Wohnbauten errichtet werden sollen, wurden die Reste des Führerbunkers bis auf die Grundwanne aus Beton "tiefenenttrümmert".

Heute ist von Hitlers letztem Hauptquartier nichts mehr zu sehen. Das Buch Kellerhofs enthält zahlreiche Skizzen, die auch belegen, dass die Baugesellschaft, die heute für das Gelände verantwortlich ist, eine Lücke lassen muss, da der unsichere Untergrund eine Gebäude nicht zuließe. Das geplante Holocaust-Denkmal würde den Blick vom Projekt Wohnen in den Ministergärten auf den Führerbunker versperren.

Kellerhoff plädierte vehement dafür, wenigstens durch eine Tafel über die historische Bedeutung des Ortes zu informieren. Mythen entstünden durch Schweigen. Und die Angst, das Gelände würde zu einem Wallfahrtsort für Alt- und Neonazis werden, ist sicher unbegründet. Und wenn doch, wäre der Bunker gleich eine doppelte Mahnung, nicht weg-, sondern der Realität ins Auge zu sehen: der Schoss ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.