Gigantisches tiefes Brummen

NASA-Röntgenteleskop Chandra nahm erstmals Schallwellen eines Schwarzen Loches und zugleich den bislang tiefsten detektierten Ton eines kosmischen Objekts auf

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Mit dem NASA-Röntgenteleskop Chandra konnten Astronomen erstmals Schallwellen eines Schwarzen Loches aufspüren, das rund 250 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt im Perseus-Galaxienhaufen sein Unwesen treibt. Die Schallwellen könnten den Forschern einen wichtigen Fingerzeig geben, wie Galaxienhaufen, die größten Strukturen im Universum, wachsen. Der extrem dumpfe Ton, mit dem das Schwarze Loch um Aufmerksamkeit ringt, scheint in den letzten 2,5 Milliarden Jahren konstant geblieben zu sein. Zwar konnten die Forscher die Wellen als Ton "B" identifizieren; gleichwohl wäre der Ton für das menschliche Ohr nicht zu hören, da er 57 Oktaven unter dem mittleren C liegt. Damit ist er der tiefste Ton, der je von einem Objekt im Universum registriert wurde.

Umhüllt von Gas- und Nebelwolken, eingebettet im Sternenstaub spielen sich - verteilt über das ganze Universum (und vielleicht auch in anderen Universen) - in den Herzen ferner Galaxien unvorstellbare Szenarien ab. Wo man vielleicht Licht oder lebendes Pulsieren vermuten würde, machen todbringende Energiemonster unbarmherzig Jagd auf alle Form von Materie respektive Energie. Was jenseits unserer Vorstellungskraft liegt und allenfalls science-fiction-tauglich scheint, ist in diesen galaktischen Zentralregionen kosmischer All-Tag.

Röntgenstrahlung offenbart gesunden Appetit

Oft ist es ein supermassives Schwarzes Loch mit rund einer Million bis zu einer Milliarde Sonnenmassen, das sich als Quelle intensivster Strahlung in einem Zentrum einer Galaxie eingenistet hat. Wie es dort hingekommen ist und warum es sich in dieser Region gebildet hat, weiß noch kein Astronom so recht. Dies gilt auch für das "Biest" im Zentrum unserer Galaxis, das wie seine extragalaktischen Kollegen durch seine ungeheure Schwerkraft jegliches Gas und Staub und sogar ganze Sterne derart schnell verschlingt, dass die einfallende Materie sich auf Millionen von Grad aufheizt.

Dass den Wissenschaftlern beim Beobachten solcher "Fressattacken" gleichsam selbst das Wasser im Munde zusammenläuft hängt damit zusammen, dass sich die unsichtbaren Schwarzen Löcher beim Verspeisen eines Sterns durch intensive Röntgenstrahlung verraten. Über einen solchen gesunden Appetit freuen sich die Astronomen vor allem deshalb, weil Diätkuren im sternenleeren All meist den Alltag dieser Energiemonster bestimmen und Delikatessen wie etwa sonnenähnliche Sterne zu den selten aufgetafelten kulinarischen Genüssen zählen. Dies mag erklären, warum Schwarze Löcher beim Verschlingen von Planeten etc. meist ihre Hemmungen und damit auch ihre "Tarnung" über Bord werfen. Mit hochempfindlichen Röntgenteleskopen können Astrophysiker dann quasi jeden Todesschrei eines sterbenden Sterns oder Planeten und salopp gesagt auch jedes "Schmatzen" und jeden "Rülpser" eines Schwarzes Loches detektieren.

57 Oktaven unter dem mittleren C

Dass Schwarze Löcher offensichtlich aber mehr können als nur "schmatzen" und "rülpsen", dass diese vielmehr sogar extrem tiefe Töne von sich geben, brachte kürzlich das NASA-Weltraum-Röntgenteleskop Chandra während einer 53-stündigen Observation in Erfahrung. Mit Hilfe des orbitalen Fernrohrs konnte ein US-Forscherteam erstmals nachweisen, dass sich hinter dem 50 Millionen Grad heißen Schleier des Galaxienhaufens Perseus A ein Schallwellen aussendendes Schwarzes Loch versteckt, das förmlich um Aufmerksamkeit ringt.

Zwar stehen Schwarze Löcher schon seit dem letzten Jahr, als NASA-Astronomen ebenfalls mit Chandra kleine wellenförmige Strukturen im Gas des 250 Millionen Lichtjahre entfernten Perseus-Clusters aufspürten, in Verdacht, Schallwellen auszusenden. Doch reichten damals die Indizien nicht aus, die Existenz der Schallwellen zu bestätigen und das Schwarze Loch im Zentrum von Galaxie Perseus A als potenzielle Quelle zu lokalisieren.

Jetzt aber konnten die Wissenschaftler vom Institute of Astronomy in Cambridge (England) mit dem Chandra X-ray-Observatory einwandfrei nachweisen, dass die vermeintlichen Schallwellen de facto existieren und von dem bewussten Schwarzen Loch im Perseus-Cluster herrühren. "Wir haben gewaltige Mengen an Licht und Hitze beobachtet, die auf die Existenz eines Schwarzen Lochs zurückzuführen sind. Jetzt haben wir auch die Töne des Schwarzen Lochs aufgespürt", verdeutlicht Andrew Fabian vom 'Institute of Astronomy'.

Wichtiger Fingerzeig

Wohl gemerkt sind es dabei keine Töne, die auf musikalische Weise erklingen; vielmehr ist es nur ein einziger extrem tiefer Bass-Ton, der gleichwohl für das menschliche Ohr nicht zu hören ist, da er sage und schreibe 57 Oktaven unter dem mittleren C liegt. Damit liegt er - die NASA www.nasa.gov identifizierte ihn als Ton "B" - Billiarden Mal tiefer als der tiefste Ton, den ein menschliches Ohr wahrnehmen kann. Mit anderen Worten: Perseus A hämmert aus seinem Inneren den tiefsten jemals gemessenen Bass.

"Die Schallwellen von Perseus sind aber deutlich mehr als nur eine kuriose Form von Schwarz-Loch-Akkustik", erklärt Steve Allen, der ebenfalls am Cambridger 'Institute of Astronomy' arbeitet und den Perseus-Galaxienhaufen ganz gezielt anvisierte, da er der bislang hellste bekannte Galaxienhaufen im Röntgenbereich ist. "Diese Schallwellen könnten uns einen wichtigen Fingerzeig geben, wie Galaxienhaufen, die größten Strukturen im Universum wachsen."

Mit dem Problem, warum in Galaxienhaufen einerseits viel heißes Gas, andererseits nur sehr wenig kühles Gas anzutreffen ist, schlagen sich Astronomen schon seit Jahrzehnten herum, zumal von solchen Galaxienclustern bekannt ist, dass sie immense Energiemengen verlieren, da sie so enorm viel Röntgenstrahlen emittieren.

2,5 Milliarden Jahre den selben Ton

Gemäss den bisherigen Modellen sollte sich heißes Gas, das permanent Röntgenstrahlung emittiert, im Laufe der Zeit eigentlich viel schneller abkühlen als bisher beobachtet - und zwar am schnellsten im Innern von Galaxienhaufen. Dadurch sollte kühleres Gas aus den äußeren Bereichen in zentralere Bereiche leichter vordringen und auf diese Weise die Sternentstehungsprozesse in Gang setzen. Allerdings wurden hierfür bis dato höchst dürftige Beweise gesammelt, so dass keines der derzeit kursierenden Erklärungsmodelle wirklich zu überzeugen vermochte. Auch für das gängigste Modell, wonach die Aufheizung möglicherweise auf Schwarze Löcher zurückzuführen sei, fehlten bislang handfeste Beweise.

Dies hat sich dank Chandra eben nunmehr völlig geändert. Andrew Fabian und seine Kollegen glauben jetzt erklären zu können, wieso Gasnebel in Galaxienhaufen oftmals so heiß sind. Ihrer Theorie zufolge war für die Bildung der von Chandra sichtbar gemachten Blasen, die durch das Gas innerhalb des Sternenhaufens Perseus laufen, eine gewaltige Energie vonnöten - vergleichbar der von etwa 100 Millionen Supernova-Explosionen. Ein großer Teil dieser Energie wurde dann von den Schallwellen transportiert und von dem Gas des Haufens nach und nach aufgenommen. Es wurde somit erhitzt, konnte dabei aber nicht abkühlen. Ergo muss auch das Schwarze Loch, so der Vermutung der Forscher, in den letzten 2,5 Milliarden Jahren ziemlich exakt den Ton gehalten und immer in "B" 57 Oktaven unter dem mittleren C gebrummt haben. Zu solch einer monotonen "musikalischen" Leistung, wenn auch unzählige Oktaven höher, wäre noch nicht einmal der versierteste irdische Bassist in der Lage.

Eine Animation der Soundwaves