Ungläubig - und das ist auch gut so

Die "Brights" sind eine neue Bewegung aus den USA, die ihren neuen Begriff wie ein Mem verbreiten wollen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Schwulenbewegung hat vorgemacht, wie man erfolgreich einen Begriff kapert: gay. Einfach nur "heiter" versteht darunter heute niemand mehr. Nun soll ein neuer Begriff auch Ungläubigen zu neuem Selbstbewusstsein verhelfen. Amerikanische Atheisten gründen eine Gemeinschaft der "Brights".

Über siebenhundert sind es schon. Sie sind dabei: James "The Amazing" Randi - der Direktor der Randi Stiftung, die einen Preis von einer Million Dollar für denjenigen ausgelobt hat, der ein paranormales Phänomen unter wissenschaftlich kontrollierten Bedingungen reproduzieren kann. Massimo Pigliucci von www.rationallyspeaking.org. Der Herausgeber des Skeptic Magazine, Michael Shermer. Der Philosoph und Kognitionswissenschaftler Daniel Dennett. Und der Erfinder des "egoistischen Gens" und des Mems, Richard Dawkins. Sie alle zählen sich zu den "Brights".

Die "Brights" sind eine freie Gemeinschaften von Gleichgesinnten. Sie sind "Naturalisten" - Anhänger der naturwissenschaftlichen Weltanschauung, Mystik und Übernatürlichem abgeneigt, frei von Aberglauben - und von Glauben. Jeder kann mitmachen: Auf der Webseite, die im Frühjahr von zwei kalifornischen Lehrern gestartet wurde, die auch schon die Seite Teaching about Religion betreiben, kann man sich als ein "Bright" registrieren lassen. Man kann Buttons und T-Shirts bestellen und andere "Brights" in seiner Stadt kennen lernen. In Deutschland hat das internationale Netzwerk der "Brights" bereits Wurzeln in Düsseldorf und in Hamburg geschlagen.

Die Kunde verbreiten

Doch damit das geschehen kann, muss erst noch die entsprechende Vorarbeit geleistet werden. Daniel Dennett und Richard Dawkins haben damit schon begonnen - mit Aufrufen in der New York Times (The Bright Stuff) und im britischen Guardian (The future looks bright). Der Begriff "Bright" soll unters Volk gebracht werden. Vorbild ist dabei die Diskurspolitik der Schwulenbewegung. Gleichgeschlechtlich Orientierte, die sich selbst nicht länger mit dem hässlichen Wort "homosexuell" bezeichnen wollten, kaperten seinerzeit kurzerhand das Adjektiv "gay", das in der Folge seine ursprünglichen Bedeutung im Sinne von "heiter" so gut wie verloren hat. Auf gleiche Weise wollen die Freidenker und Atheisten sich des Kunst-Substantives "Bright" bemächtigen.

Die "Aufgeweckten" also, die "Hellen" und "Gescheiten". Diese Assoziationen soll die Wortneuschöpfung "Bright" wecken, ohne dabei allerdings allzu ausdrücklich zu werden. Die Webseite gibt Musterbeispiele dafür, wie der neue Ausdruck verwendet werden soll. Auf jeden Fall wollen die "Brights" die Verwendung von "bright" als Adjektiv vermeiden und auch auf Spielereien mit "ein Bright" und "bright" verzichten. Allzu leicht könnte das einen eher arroganten als freundlichen Eindruck machen.

Die Ansichten eines Bright

Als Einsatzbeispiel für das neue Wort reichen die Initiatoren der Aktion einen Musterdialog: "Angenommen, in einem Gespräch kommt die Frage auf das Leben nach dem Tod oder dergleichen. Jemand fragt Sie nach Ihren Ansichten. Sie sagen: "Ehrlich gesagt halte ich nicht so viel von einem Leben nach dem Tod. Ich bin ein Bright." In der Folge soll sich dann eine Unterhaltung darüber entfalten, was es heißt, ein "Bright" zu sein.

Aber man versuche es einmal selbst. "Ich bin ein [braIt]." Das englische Kunst-Substantiv ist zu sehr ein Fremdkörper, als dass es sich mühelos in eine deutsche Konversation fügt. Anstelle einer Konversation über die philosophischen Ansichten der "Brights" werden deutschsprachige "Helle" mit einer Lektion Wortkunde beginnen müssen. Aber selbst, wenn diese absolviert ist, werden Sprüche wie "Ich bin ein Bright. Und das ist auch gut so!" nicht zünden. Hierzulande ist es einfach keine besonders oppositionelle Geste, sich als Atheist zu bekennen.

Unter dem Dach eines "naturalistischen" Weltbildes, das sich allein durch eine vage Ablehnung von Esoterik und Glaubenssachen definiert, ist Platz für viele Ansichten. Man braucht kein knallharter Verfechter des Alleinerklärungsanspruches der Naturwissenschaften zu sein, um dazuzugehören. Selbst so etwas wie Meme finden die Anerkennung der Naturalisten - jene durch Imitation übertragenen "Kultureinheiten", als deren Erfinder Richard Dawkins berühmt wurde. Auch "Bright" ist ein solches "Meme". Trotz der Weitherzigkeit in Fragen der Wissenschaft ist die Spitze der Bewegung dennoch scharf gegen ein einheitliches Ziel gerichtet: den religiösen Unterton in US-amerikanischer Politik und Kultur.

Ungläubige: eine Minderheit

Die Brights kämpfen für die Rechte der gottlosen Minderheit - der allerdings, wie Richard Dawkins weiß, immerhin sechzig Prozent aller amerikanischen Wissenschaftler angehören und sogar 93 Prozent aller Mitglieder der National Academy of Sciences. So, wie hierzulande ein Kopftuch im Unterricht die Gerichte beschäftigt, müssen diese sich in den Staaten damit mit auseinandersetzen, dass die Rechte von Nichtgläubigen nicht verletzt werden.

Erst vor einigen Monaten hatte in Kalifornien ein Vater - ein "Bright", wie er sich jetzt wohl nennen wird - dagegen geklagt, dass sein Kind in der Schule gezwungen werde, "bei Gott" dem Vaterland die Treue zu schwören.(Die Nation soll unter Gott einig bleiben). Ein Berufungsgericht gab ihm Recht: Die Formel "under God" im Pledge of Allegiance sei wegen der Trennung von Kirche und Staat verfassungswidrig und dürfe daher in kalifornischen Schulen bei der alltäglichen nationalen Einschwörung nicht aufgesagt werden. Bestandteil des Treueschwurs ist die Formel "under God" übrigens erst seit den Zeiten des kalten Krieges. Seit dieser Zeit wird auch "In God We Trust" auf Dollarscheinen gedruckt. Dabei soll es auch bleiben: Präsident Bush und Justizminister Ashcroft setzten sich persönlich dafür ein, dass der oberste Gerichtshof über den Fall entscheiden solle.

Umfragen in den USA zeigen, dass diese Politik durchaus im Trend ist: Amerikaner würden eher jemanden zum Präsidenten wählen, der entweder schwarz, homosexuell, weiblich oder Mormone wäre, denn einen atheistischen Kandidaten. Dass sich dies ändern könnte, zeigt das erfolgreiche Vorbild der Schwulenrechtsbewegung. 1978 konnten sich nur 26 Prozent der Amerikaner vorstellen, für einen schwulen Präsidenten zu wählen. 1999 waren es schon 59 Prozent. Wenn die Kampagne mit "Bright" zündet, das hofft Richard Dawkins, wird sein Land vielleicht auch einmal einen "hellen" Präsidenten bekommen.