Prestigegewinn, Machtdemonstration oder Vorbereitung zum Krieg der Sterne?

Die Ziele des chinesischen Raumfahrtprogramms geben weiterhin Rätsel auf

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Es gab schon in der vergangenen Woche Beobachter, die aufhorchten, als der chinesische Wissenschaftsminister Xu Guanghua die Bedeutung der ersten bemannten Raumfahrtmission seines Landes ("A giant leap into space") mit den ersten erfolgreichen Tests einer Atom- und Wasserstoffbombe in den 60er Jahren verglich. Doch jetzt sind die kommunistischen Machthaber in Peking noch deutlicher geworden. Unter Berufung auf verschiedene, namentlich nicht genannte Experten vermeldeten chinesische Nachrichtenagenturen, dass im Reich der Mitte gezielt an einer "Abschreckungsstreitmacht" gearbeitet wird. "Das chinesische Volk hat den Schlüssel zur Beherrschung des Alls bekommen", ließ ein Angehöriger der Volksbefreiungsarmee verlauten. Dass dieser Schlüssel einzig und allein den Zwecken der Landesverteidigung dienen soll, versteht sich praktisch von selbst.

Die glücklich wieder gelandete Shenzhou V wird ausgestellt

Diese Vorhaben kollidieren allerdings mit den Plänen eines mächtigen Gegenspielers, denn auch die USA haben den Weltraum bereits verplant (Die nationale Sicherheit verlagert sich in den Weltraum). Was mit dem "ultimate high ground of US military operations" in naher und ferner Zukunft geschehen soll, wurde bereits 2001 im "Strategy Master Plan" (SMP) des Air Force Space Command festgelegt, und China spielt dabei begreiflicherweise nicht mal eine untergeordnete Rolle (s.a.: China warnt vor Aufrüstung im Weltall). Wuchtige Merksätze wie "Weltraumkapazitäten sind für militärische Operationen entscheidend geworden ... und für das Alltagsleben" oder: "Wir können den Weltraum nicht voll ausschöpfen, wenn wir ihn nicht kontrollieren" unterstreichen den amerikanischen Anspruch, den Weltraum vollständig zu beherrschen (Das Pentagon strebt absolute militärische Dominanz im Weltraum an).

Mögliche Bedrohungspotenziale sollen mit Hilfe einer nationalen Raketenabwehr ausgeschaltet werden. Wo diese unter Umständen vermutet werden können, zeigt eine im Juli veröffentlichte Pentagon-Studie. Darin heißt es:

Die Benutzung des Weltraums und die Anschaffung diesbezüglicher Technologien haben in Peking weiterhin hohe Priorität. China richtet großes Augenmerk auf die Verbesserung von weltraumbasierter Erkennung und Überwachung, d.h. auf elektrisch-optische, SAR- und andere Satellitenüberwachungssysteme ...Zusätzlich kann China bereits die Möglichkeit besitzen, unter bestimmten Bedingungen optische Sensoren an Satelliten zu zerstören, die für Schäden durch Laser empfindlich sind. Peking kann auch bereits Ausrüstung von Hochenergielaser und technische Unterstützung erworben haben, was wahrscheinlich zur Entwicklung von landgestützten ASAT-Waffen verwendet werden könnte. Geht man von Chinas gegenwärtigem Interese an Lasertechnologie aus, so könnte Peking eine Waffe entwickeln, die in der Zukunft Satelliten zu zerstören vermag.

Diese und viele andere Szenarien (Parasitensatelliten) erinnern nicht zufällig an die Warnung vor einem "Pearl Harbor im Weltraum", mit der Donald Rumsfeld seine Landsleute schon vor der Ernennung zum Verteidigungsminister der Vereinigten Staaten zu mobilisieren versuchte (Pearl Harbor im Weltraum).

Nach den jüngsten Ereignissen stehen die Chancen, dass sich die USA an die harmlose UN-Resolution Prevention of an arms race in outer space gebunden fühlen, noch schlechter als je zuvor. Und auch die Forderungen des Outer Space Treaty von 1967, der die Inbesitznahme und die Platzierung von Massenvernichtungswaffen im Weltraum verbietet, dürften in Washington jetzt endgültig auf taube Ohren stoßen.

Thor greift einen Satelliten an. Die Abbildung vom Umschlag eines Buches von Clayton Chun ist eine Anspielung auf die Thor-Rakete der Air Force, die das Antisatellitensystem 437 beförderte

Die rechtskonservative "Heritage Foundation" bläst jedenfalls schon Mal zum Sturm gegen den neuen Konkurrenten in den endlosen Weiten des Universums und behauptet, China wäre "aktiv beschäftigt mit theoretischer und praktischer Forschung, um seine eigenen offensiven Anti-Satellitensysteme zu entwickeln". Und auch die konservative "Washington Times" macht sich ernsthafte Sorgen: "Kann China nur mit einem Bruchteil des Bruttosozialprodukts der USA Amerika in der bemannten Raumfahrt im nächsten Jahrzehnt und später schlagen? Die Antwortet lautet einfach und aus vielen Gründen ja:"

Im Reich der Mitte reagiert man auf die Vorwürfe mit den oben genannten bedrohlichen Untertönen oder mit vollkommener Gelassenheit. Einheimische Medien stellen beruhigt fest, das China jetzt "in mehreren Schlüsseltechniken der bemannten Raumfahrt weltweit führend ist". Die Thermoisolierungstechnik für die Außenwand der Rückkehrkapsel des Raumschiffs ermögliche eine stabile Temperatur um 20 Grad Celsius, selbst wenn die Außentemperatur von minus 100 Grad bis plus 3000 Grad Celsius schwankt. Überhaupt sei die Rückkehrkapsel des Shenzhou-5 die weltweit größte Rückkehrkapsel und für den Landungsschirm gelte das auch.

Wer sich dann noch für die Nutzlast der Raumkapsel interessiert, bekommt vollends den Eindruck, dass es sich beim Pekinger Säbelrasseln nur um ein Versehen handeln kann. Nach Auskunft des Vorsitzenden der chinesischen Firmengruppe für Raumfahrttechnik, Zhang Qingwei, waren eine chinesische Nationalflagge, eine Flagge der Vereinten Nationen, eine Wappenflagge der Olympischen Spiele 2008, ein bisschen Geld, Gedenkpostsachen, 500g Pflanzensamen aus Taiwan und andere Harmlosigkeiten mit von der Partie.

Was soll man von all dem halten, wenn doch kaum Zeit bleibt, über die verschiedenen Möglichkeiten nachzudenken, da China nur wenige Tage nach der ersten bemannten Weltraummission schon wieder zwei Satelliten auf die Reise geschickt hat und sich bekanntlich auch - ganz zivil - an dem europäischen Satellitennavigationssystem Galileo beteiligen will? Außerdem sind weitere bemannte Raumflüge, der Bau einer eigenen Raumstation und Erkundungsexpeditionen zum Mond geplant.

Die Meinungen gehen weit auseinander. Dass China mit den durchgeführten und beabsichtigen Vorhaben internationales Prestige gewinnen und sich als führende wirtschaftliche, technologische und politische Macht in Asien etablieren will, steht außer Frage. Wie weit die militärischen Ambitionen tatsächlich gehen, bleibt aber vorerst das Geheimnis der Machthaber in Peking.