Dichtende Deppen

Wie man zum Dichter berufen wird

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Ich bin zwar nicht der Bohlen unter den deutschen Dichtern, aber für den Titel Lyrik-Titan sollte es locker reichen. Seit Tagen bin ich nämlich in bester Dichterlaune. Es wird also gedichtet, dass sich die Reime biegen und die Versen Fersengeld zahlen. Und gedichtet wird über alles und jedes. Ausgelöst hat diesen Mut. ja diesen innerlichen Zwang zum Gedicht eine Email, die so unglaublich klingt, dass ich erst angenommen habe, irgendjemand will mich damit verkaspern.

Doch wie eine Überprüfung ergeben hat, ist das nicht der Fall. Und seitdem steht fest: Ich habe das Zeug zum Dichter. Schuld hat der unter anderem vom Verein Deutscher Sprache veranstaltete Online-Wettbewerb Deutschland sucht den Superdichter. Ein Dichterwettstreit, den ich so komisch fand, dass ich mich darüber in einer kleinen Glosse ein wenig lustig gemacht. Und an dem ich dann aus Spaß teilgenommen habe.

Schließlich gibt es für Leute wie mich - also für Dichter, die nicht dichten können, aber wollen - Günter Gehls Genialer Gedicht Generator. Ein echter Netz-Klassiker, bei dem man in eine Maske nur ein paar Wörter einfügen muss und schon wird daraus ein Gedicht generiert. Genau das habe ich getan. Und nach mehren Versuchen war ich mit meinem Gedicht auch höchst zufrieden. Zwar hat es dann nicht den Wettbewerb gewonnen, dafür war die Konkurrenz zu groß, zu lyrisch ("Die Brüste sind frei,/wer kann sie erfassen?/Sie schwanken vorbei/wie Pracht-Kalebassen./Kein Mann kann sie hassen,/kein Jäger sie lassen./Es bleibet dabei:/Die Brüste sind frei.") und mein Gedicht ­ nun ja ­ auch viel zu blöde. Dachte ich zumindest, bis ich die schon erwähnte Email erhielt:

Geschätzte Schöngeister, liebe Dichter!

Sie haben am Dichterwettstreit "Deutschland sucht den Superdichter" teilgenommen. Der Verein Deutsche Sprache dankt Ihnen herzlich für Ihre Teilnahme. Unter Tausenden Einsendungen konnten hierbei nur sehr wenige unter bestimmten Gesichtspunkten ausgewählt und veröffentlicht werden. Ihr Beitrag musste bedauerlicherweise unberücksichtigt bleiben.

Ihr Gedicht wurde jedoch uns, der Frankfurter Brentano-Gesellschaft, übermittelt, mit besonderer Empfehlung zur Aufnahme in die "Frankfurter Bibliothek". Die "Frankfurter Bibliothek" ist ein Standardwerk für Lyrik, das kurz vor Weihnachten als Leinenband mit Bestausstattung im Buchhandel erscheinen wird (Fadenheftung, Goldprägung).

Der Verein Deutsche Sprache hat uns gebeten, Ihnen den Bescheid des Vereins zusammen mit unserer Aufnahmenachricht zukommen zu lassen. Daher benötigen wir Ihre Postanschrift.

Wir bitten Sie um Mitteilung Ihrer Anschrift, damit wir Ihnen auch den Korrekturabzug Ihres Gedichtes für die (selbstverständlich kostenfreie) Veröffentlichung in der "Frankfurter Bibliothek" zusenden können.

Mit freundlichen Grüßen

Brentano-Gesellschaft Frankfurt/M. m.b.H.

Kurzum: Ehre, wem Ehre gebührt. Bevor meine Zeilen in Bestausstattung erscheinen und hoffentlich unter Tausenden von Weihnachtsbäumen in Fadenheftung und Goldprägung liegen, kann man sie natürlich jetzt an dieser Stelle schon einmal vorab lesen. Mein Gedicht trägt den durchaus literaturkritisch gemeinten Titel "Dichtende Deppen" und liest sich wie folgt:

Deppen dichten euch doof

Doof und ratteldoof
Ihr Deppen
Ihr dichtet nicht das Gestammel
Doch dichtet euch das Hopsen
Ihr Deppen, ihr Ratteldoofen.