Schweinische "Big Brother Awards"-Verleihung in Österreich

In der Alpenrepublik wurde die EU-Kommission mit der IP-Enforcement Directive ausgezeichnet

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Statt über Kakerlaken in Plexiglasröhren dürfen sich die diesjährigen Gewinner über Schweineohren freuen (s.a. Österreichische "Datenkraken" ausgezeichnet). Im Visier der Datenschützer standen heuer im speziellen EU-Behörden und bereits zum zweiten Mal die österreichische Bildungsministerin Elisabeth Gehrer. Klarer Favorit beim Publikum war 2003 der Telefonbuchverlag Herold Business Data.

Herold Business Data hatte im Sommer dieses Jahres vollmundig eine CD-Rom mit "Daten von 2 Millionen Österreichern" angekündigt (Altersklasse, Kaufkraft, Gebäudeart, Partnerschaft, etc...). Sie sollte als Marketingtool auch Klein- und Mittelbetrieben zielgruppengenaue Werbung ermöglichen. Die Ankündigung, dass mit der CD "entsprechende Tiefendaten wie Altersklasse, Kaufkraft, Gebäudeart, Stellung im Haushalt, Partnerschaft, Haushaltsgröße, Kinder, etc. zur Verfügungen stehen" würden, stieß vielen Österreichern sauer auf.

Eine erste, ungeschickte Presseaussendung ließ den Eindruck entstehen, dass man künftig mal eben so vom Nachbarn dessen Kaufkraft abfragen könnte. Das Unternehmen bemühte sich nach einem österreichweiten Aufschrei um Schadensbegrenzung. Das noch nicht käufliche Produkt wird gegenwärtig datenschutzrechtlich geprüft. Datenschützer hatten unter anderem die unsauberen Datenquellen kritisiert. Inzwischen ließen sich Tausende Österreicher von der CD-Rom streichen. In welcher Form sie jemals auf den Markt kommt ist unklar. In der Publikumsempörung hatte Herold aber klar die Nase vorn. "Etwa 80 Prozent der zuletzt über 250 Einreichungen betrafen das Vorhaben der Telefonbuchfirma Herold", berichteten die BBA-Veranstalter.

Die EU-Kommission und Janelly Fourtou schließlich bekamen den BBA 2003 in der Kategorie "Politik". für die so genannte IP-Enforcement Directive. Damit soll es für Inhaber von Urheberrechten - also primär Software, Musik- und Filmindustrie - wesentlich einfacher werden, über den Internetprovider an Stammdaten von Internet-Usern heranzukommen (Richtlinie zum Schutz der Rechte an geistigem Eigentum auf Abwegen).

Wieder wird ein US-Gesetz [Digital Millennium Copyright Act] auf EU-Ebene einfach nachvollzogen, obwohl die negativen Folgen bereits überdeutlich sichtbar sind. Die Lobby-Verbände von Film und Musikindustrie veranstalten regelrechte Treibjagden auf Tauschbörsenbenutzer, die immer öfter in Massenklagen enden. Das auffälligste daran ist dabei die Zahl der 'falschen Treffer'. Kaum eine Woche vergeht, in der nicht Fälle bekannt werden, wie ein Rentner, dem das massenhafte, illegale Anbieten von HipHop-Musikfiles vorgeworfen wird.

Aus der Begründung der Jury

In der Kategorie "Behörden und Verwaltung" traf es schließlich das "Europäische Patentamt" in München, das "gegen geltende nationale EU-Legislaturen tausende Ideen- und Trivialpatente auf die neuen Informationstechnologien zugelassen hat". Mit Schweinsohren beglückt wurde einmal mehr die österreichische Bildungsministerin Elisabeth Gehrer. Diesmal für das "Lebenswerk". Wie berichtet (Von der Wiege bis zur Bahre...), gibt es in Österreich eine Reihe bedenklicher Projekte - Bildungsevidenz, Chipkarten-Schulen, etc -, welche bereits Schüler einer sachlich nicht begründbaren Datensammelwut aussetzen. Per Kurier wurden die Schweineohren umgehend zugestellt. Ob bei den Empfängern darob Freude aufkommt, darf bezweifelt werden.