Eine gesäuberte Version vom Krieg

Eine ausführliche britische Studie über eingebettete Journalisten im Irak-Krieg kommt zum Schluss, dass sie zwar relativ objektiv, aber beschönigend gearbeitet haben, während vor allem Fernsehsender sich als unkritisches Sprachrohr der Militärs erwiesen

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Um der Kritik zu entgehen, dass das Pentagon wie im ersten Irak-Krieg und im Afghanistan-Krieg eine objektive Kriegsberichterstattung unmöglich mache, hat das Verteidigungsministerium den Spieß umgedreht und das Konzept der in Truppenverbänden "eingebetteten" (embedded) Journalisten entwickelt (Der "eingebettete" Reporter). Da man nach Afghanistan und mit der militärischen Überlegenheit von einem schnellen Krieg und einem bejubelten Sturz des Hussein-Regimes ausgegangen war, sollten die gut kontrollierbaren Journalisten das Medienabenteuer oder den Thriller Krieg aus der Perspektive der vorrückenden Koalitionstruppen der Weltbevölkerung offerieren.

Medienzentrum der Koalitionstruppen in Katar

Die Strategie, bestimmte Medien und Journalisten als Bestandteil direkt in die Kriegsführung als Partner für die Öffentlichkeitsarbeit mit einzubeziehen, war sicherlich für die US-Regierung erfolgreich gewesen, da man mit wenigen Opfern in den eigenen Reihen gerechnet hatte. Im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Menschen werden primär Spektakel geboten. Und die US-Regierung hatte ein Spektakel versprochen. Die Teilnahme an vorderster Front - die begehrtesten Plätze, die natürlich die US-freundlichen Medien erhielten - ließ sich von den großen Medien kaum ablehnen, wenn sie nicht eine Einbuße der Quote in Kauf nehmen wollten. Die Tausenden von Journalisten, die auf den Flugzeugträgern, in Kuwait und den anderen Golfstaaten, in Jordanien oder im Nordirak waren hingegen ausgeschlossen und hatten gegenüber den Journalisten in den Redaktionen kaum einen Vorteil. Alles durften die etwa 600 "embedded" Journalisten auch nicht direkt berichten - und wurde, wie der genaue Standort oder das Ziel einer militärischen Aktion, auch schon deswegen verschwiegen, weil sie sich damit selbst womöglich gefährdet hätten. Zudem gab es den Disziplinierungsdruck, dabei bleiben zu dürfen und nicht ausgeschlossen zu werden, um weiter vom Spektakel bereichten zu können, auf das die ganze Welt starrte.

Bagdad brennt

Aber die Pentagon-Strategie wäre noch sehr viel erfolgreicher gewesen, wenn man es tatsächlich geschafft hätte zu verhindern, dass unkontrollierbare Journalisten, die das Hussein-Regime ins Land gelassen hatte, zwar nicht aus der Perspektive des Feindes, wohl aber der Opfer berichten (Peter Arnett fällt in Ungnade). Es wurde zwar vor dem Krieg bereits Journalisten gesagt, die ohne Kontrolle durch die Koalitionstruppen aus dem Land berichten wollten, dass sie womöglich Ziele werden könnten. Und bekanntlich wurden auch Journalisten in Bagdad von den US-Truppen beschossen oder bombardiert (Beseitigung und Einschüchterung der Augen der Weltöffentlichlichkeit). So traf es, wie schon zuvor im Afghanistan-Krieg, Mitarbeiter von al-Dschasira in Bagdad. Den Unwillen im Irak-Krieg erregte dieser, weil er zuerst Bilder von gefangenen und toten US-Soldaten zeigte, die vom irakischen Fernsehen stammten (Bombenzensur oder "Kollateralschaden"?). Das Pentagon sah darin eine Verletzung der Genfer Konventionen, deren Einhaltung ansonsten auch nicht gerade das Hauptanliegen der US-Regierung war (Die US-Regierung im Kampf mit den Medien). Die amerikanischen Sender waren in diesem Fall tatsächlich "im Bett" und zeigten die Bilder zunächst nicht. Auch die Bilder von Bombenopfern wurden vor allem den amerikanischen Fernsehzuschauern vorenthalten.

Am Wochenende nach Kriegsbeginn wurden diese schließlich vom arabischen Fernsehsender al-Dschasira an alle Welt geliefert. Getötete US-Soldaten, dazu fünf Gefangene, die vom irakischen Fernsehen interviewt und vorgeführt wurden. In den USA waren diese jedoch nicht zu sehen. Einige TV-Stationen verzichteten komplett auf ihre Ausstrahlung, andere zeigten Interviewausschnitte, in denen alles bis auf das Mikrofon unkenntlich gemacht worden war. Erst als die Identität der Soldaten bekannt war, zeigten auch die US-Stationen Standbilder und kurze Sequenzen ohne Tonspur. Als Grund dafür wurde die Genfer Konvention zum Umgang mit Kriegsgefangenen zitiert.

Im Auftrag der BBC haben britische Wissenschaftler der Cardiff-Universität die Berichterstattung der "embeds" während des Irak-Kriegs untersucht. Danach hätten diese zwar einigermaßen objektiv berichten können, aber es sei vermieden worden, Bilder zu veröffentlichen, die Tote, Verletzte oder die Gewalt deutlich zeigten. Der Krieg wurde, wie dies das Pentagon auch wünscht, in einer gesäuberten Fassung vorgeführt.

Mark Damazer, Direktor von BBC News, warnt, dass solche gereinigten Bilder vom Krieg der Demokratie schaden. Seit dem Falklands-Krieg hätten die Briten keine verletzten Soldaten mehr gesehen: "Die Kultur wurde in den vergangenen Jahren mehr und nicht weniger gesäubert. Wir haben ein Problem und müssen darüber diskutieren."

A, 6. April wurde ein Konvoi mit Kurden, Mitglieder von US-Spezialeinheiten und Journalisten im Nordirak durch "friendly fire" beschossen. Blut spritzte bei laufender Kamera auf die Windschutzscheibe des Fahrzeugs, in dem ein BBC-Reporter saß.

Die Wissenschaftler haben für ihre Studie 1.500 Fernseh- und Rundfunksendungen Sendungen untersucht und zahlreiche Interviews mit Reportern und Redakteuren sowie Zuschauer-/Zuhörergruppen durchgeführt. Allgemein hätten die britischen Fernsehsender eine Pro-Kriegsposition eingenommen. Das sei auch auf BBC zugetroffen, auch wenn die britische Regierung trotzdem mit dem Sender unzufrieden war. Die britischen Sender wären allerdings nicht ganz so einseitig wie die US-amerikanischen gewesen, aber sie hätten auch eher die Informationen übernommen, die ihnen von den kriegsführenden Regierungen gegeben wurden.

Im Fall der Massenvernichtungswaffen, die das Hussein-Regime nach der britischen und amerikanischen Regierung besitzen sollte, hätten die Berichte auch in 9 von 10 Fällen unterstellt, dass es diese im Irak geben würde. Eine solche unkritische Position, die Verlautbarungen ihrer Regierungen mehr oder weniger zu übernehmen, ist natürlich für eine freie Presse als angeblich "vierte Macht" in einer Demokratie beschämend. Die Fernsehsender hätten zudem auch sehr viel stärker die Freude der Iraker über die Koalitionstruppen gezeigt als Misstrauen oder gar Feindseligkeit. Und eben diese Tendenz wurde auch bei den "Embeds" festgestellt, wie Justin Lewis, Direktor der Journalistenschule an der Cardiff University, erklärt:

Die Kritik, die zu dieser Zeit geäußert wurde, dass eingebettete Reporter eher eine Pro-Kriegsberichterstattung machen, hat sich nicht bestätigt. Aber wir haben dennoch einige Bedenken, vor allem, was die von den eingebetteten Journalisten erzeugte Erzählung betrifft, bei der einzig darüber diskutiert wird, wer gewinnt und verliert, aber kaum eine größere Perspektive eingenommen wird.

Einige Journalisten hatten von Zensurversuchen berichtet, insgesamt aber hätten sie einigermaßen objektiv, jedenfalls verlässlicher als Mitteilungen der Militärs berichten können. Doch die schreckliche Seite des Kriegs sei ausgeblendet worden, wodurch bei den Zuschauern der Fernsehberichte von der Front der Eindruck entstanden wäre, einem "Kriegsfilm" zuzuschauen, während ihnen die Wirklichkeit des Kriegs vorenthalten wurde. Zudem hätten viele Zuschauer lieber weniger Berichte von der Front gesehen und mehr über den Hintergrund erfahren, beispielsweise auch über die Reaktion der Iraker.

Vom Pentagon unerwünschtes Bild eines gefangenen US-Soldaten, das al-Dschasira sendete

Bedenklich ist, dass oft die Quelle von Informationen nicht in der Berichterstattung erwähnt wird. Kommen die Informationen vom Militär, so kann man in der Regel misstrauisch sein. Die Wissenschaftler untersuchten vier während des Krieges zirkulierende Stories, die sich wie die Scud-Attakcke auf Kuwait oder der Aufstand der Bevölkerung in Basra später als falsch herausgestellt hatten. Fast in der Hälfte der Fernsehberichte, die davon handelten, wurde nicht erwähnt, dass diese Informationen vom britischen oder amerikanischen Militär stammten. Und gerade einmal in einem von zehn Berichten wurden die Behauptungen kritisch hinterfragt.

Aber auch wenn eingebettete Journalisten einigermaßen objektiv, aber die unerwünschte Wirklichkeit ausblendend, berichten konnten, war die Strategie, Journalisten zum Teil der Kriegsstrategie zu machen, für das Pentagon während des Krieges erfolgreich. Da zumindest in Fällen eines asymmetrischen Kriegs, bei dem der Angreifer die weitaus überlegene Macht und zudem eine Demokratie ist, die Medien eine entscheidende Rolle zur Beeinflussung der eigenen Bevölkerung und der Menschen auf der ganzen Welt spielen, bietet die Einbeziehung der angeblich freien Reporter als kontrollierbare Informationskrieger große Vorteile.

Der Erfolg ist desto größer, je besser eine Berichterstattung aus dem feindlichen Lager und auch von wirklich freien Journalisten verhindert werden kann. Man muss fast annehmen, dass das Pentagon, sollte es zu einem nächsten Krieg unter ähnlichen Bedingungen kommen, nicht eingebundene und unabhängige Journalisten und Medien noch stärker unter Beschuss nehmen könnte. Allerdings hat der Irak-Krieg auch gezeigt, dass Internet, Satellitenverbindungen und digitale Medien es auch einzelnen ermöglichen können, aus einem Kriegsgebiet heraus zu berichten und damit zusätzliche Erfahrungen und Perspektiven zu bieten. Und auch sonst haben zahlreiche Websites und Blogs gezeigt, dass interessierte Menschen zunehmend eine weitere Öffentlichkeit schaffen oder dass die herkömmlichen Medien und Journalisten nicht nur selbst stärker kritisiert werden, sondern zum Teil einer größeren, wirklich demokratischen Öffentlichkeit werden.