Osama und die wilde Neunzehn

Über das Marketing von Terror-Masterminds

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Auch wenn der "Spiegel" die Fragen um die Terrorattacke des 11.9 in einer Titelstory (Das Geständnis) und in einer Art Doku-Soap im Fernsehen für erledigt erklärt hat, weil zwei Phantome aus dem Off gestanden haben (es waren Osama und die Wilde Neunzehn!), hindert dies unpassende Puzzleteile des Rätsels weiterhin nicht am Auftauchen. So wundert es nicht, dass auch einige alte Bekannte aus der WTC-Conspiracy-Serie weiterhin für Aufsehen sorgen.

Am 4.November 2001 war hier unter dem Titel Osama meets CIA! von dem Bericht des "Figaro" die Rede, nach dem Bin Ladin bei einem Aufenthalt im American Hospital in Dubai im Juli 2001 auch vom lokalen Statthalter der CIA besucht worden sei. Die Nachricht über das - aus den USA umgehend dementierte - Treffen machte weltweit Schlagzeilen. Sechs Tage später, am 10. November, forderte Präsident Bush vor der UN-Vollversammlung:

Lasst uns niemals frevelhafte Verschwörungstheorien im Zusammenhang mit dem 11. September tolerieren, boshafte Lügen, die bezwecken, die Schuld von den Terroristen selbst, von den Schuldigen wegzuschieben.

Nun sind von den verdächtigen 19 Terroristen über zwei Jahren nach der Tat erst drei zweifelsfrei identifiziert, die sterblichen Überreste der neun "Hijacker" der Pentagon- und der Pennsylvania-Maschine liegen immer noch unidentifiziert auf Eis. Nicht einmal die Täter, geschweige denn die Hintermänner des 11.9. , sind also bis heute wirklich bekannt, schon gar nicht existieren überführte "Schuldige", von denen man durch "frevelhafte Verschwörungstheorien" ablenken könnte.

Dafür ist Bin Ladins CIA-Kontakt in Dubai wieder zum Thema geworden, seit der Schweizer Journalist und Redakteur von "Radio France International", Richard Labeviere, letzte Woche in einem neuen Buch die zwei Jahre alten Berichte präzisiert hat.

Danach soll das Treffen zwischen dem CIA-Mann in Dubai, Larry Mitchell und Bin Ladin vom damaligen saudischen Geheimdienstchef Prinz Turki arrangiert worden sein. Richard Labeviere, Afrika- und Arabien-Spezialist und Autor eines Buchs über die Rolle der CIA in Saudi-Arabien ("Dollars for Terror", 2000) beruft sich auf Kontakte und Zeugenaussagen im "American Hospital", die das Treffen am 12.Juli 2001 ebenso bestätigt hätten wie ein Insider der saudischen Dynastie. Es soll bei diesen (erfolglosen) Verhandlungen um ein Rückkehrangebot für Bin Ladin nach Saudi Arabien gegangen sein, wenn dieser im Gegenzug seine Aktionen gegen "amerikanische Interessen" einstelle. Der CIA-Sprecher Mark Mansfield bezeichnete diese Behauptungen als "reine Phantasie" - für Professor Michel Chossudovsky hingegen ist zwar nicht das Treffen, aber sind die Berichte über angebliche Verhandlungen eher Desinformation :

Diese "Verhandlungen" zwischen CIA und Osama (einem CIA Geheimdienstaktivisten) sind reine Desinformation. Auch wenn die CIA die Behauptung zurückgewiesen hat, dient der Bericht dazu, Osama als einen bona fide "Feind Amerikas" zu beleuchten, statt als Geschöpf der CIA. Wie es der eheamlige CIA-Agent Milt Bearden in einem Interview mit Dan Rather am 12. September 2001 ausdrückte: "Wenn sie keinen Osama Bin Laden hätten, würden sie einen erfinden." Geheimdienstverhandlungen finden nicht an Krankenbetten statt. Die CIA wusste, dass Osama im American Hospital in Dubai war. Anstatt zu verhandeln hätten sie ihn verhaften können - er war auf der "Most Wanted"-Liste des FBI.

Als Phantom-Teufel ist der Dialyse-Patient Bin Ladin aber fraglos nützlicher - und eben deshalb ließen ihn die USA auch unbehelligt, als er am 10. September 2001 in ein Militär- Krankenhaus m pakistanischen Rawalpindi eingeliefert wurde , wie CBS Ende Januar 2002 gemeldet hatte. Der Universal-Schurke und Chefplaner der WTC-Anschläge am Tropf im Hospital des alliierten pakistanischen Militärs - als solcher hätte er, weniger als 24 Stunden vor seiner angeblichen Großtat, nicht das monströse Bild abgeben können, das für den Mega-Sündenbock im "war on terror" nötig war.

Folglich ließ man ihn in Ruhe - so wie die Créme de la Créme der "al-Quaida", die einige Wochen später, nach der Bombardierung der Höhlen in Tora Bora, von Spezialeinheiten in der Ortschaft Kundus zusammengetrieben worden waren. Als US-Hubschrauber zum Angriff auf Bin Ladins Elitegarde ansetzen wollten, erhielten sie Weisung, am Boden zu bleiben. Der Befehl kam, wie Seymour Hersh recherchiert hat, direkt aus Washington. Zu ihrem Entsetzen sahen sich die Einsatztruppen zum Zusehen verdonnert, als Osamas Leute, darunter auch einige seiner Familienangehörigen, ins 150 Kilometer entfernte Pakistan ausgeflogen wurden. Dabei handelte es sich nicht, wie "Newsweek" und andere später meldeten, um eine militärische Panne, sondern wie Hersh im "New Yorker" gezeigt hat, um die Erfüllung einer Absprache zwischen dem Pentagon und dem pakistanischen Geheimdienst ISI, der für seine Leute sicheres Geleit vereinbart hatte. Und die "Leute" des ISI sind nun mal die Eliten der Taliban und der "al-Quida"-Truppe.

Hier kommen nun zwei weitere alte Bekannte des 9-11-Plots ins Spiel: der ISI-Chef General Mahmud Ahmed, der am 10.9. 2001, als sich Bin Ladin im Militärkrankenhaus Rawalpindi eingefunden hatte, in Washington mit seinen CIA-Partnern konferierte. Dass sein prominenter Patient dabei eine Rolle gespielt haben dürfte, liegt auf der Hand. Und sein Topagent und Zahlmeister Omar Sheik. Ende Oktober 2001 trat General Ahmed dann "überraschend" zurück, als bekannt wurde, dass Omar Sheik in seinem Auftrag 100.000 $ an Mohamed Atta überwiesen haben soll. Einen Tag, nachdem die "Times of India" über diese brisante Connection berichtet hatte, verschwand in Karatschi der Reporter des Wall Street Journals Daniel Pearl. Lange Zeit blieb unklar, auf welcher Spur sich Pearl vor seiner Entführung und grausamen Ermordung befunden hatte, bis sein Mörder gefasst und im Juli 2002 zum Tode verurteilt wurde: der ISI-Topagent Omar Sheik.

Welche Gefahr von einer weiteren Entlarvung der "Masterminds" und Zahlmeister der 9-11-Täter, General Ahmed und Omar Sheik, seit Oktober 2001 ausging, liegt auf der Hand: die Achse der Verdächtigen - die Verbindung CIA-ISI-Taliban-Osama-Atta - wäre allzu offensichtlich geworden. Und so machten sich die Propaganda-Köche und Spin-Doktoren daran, die Legende umzustricken und zwei neue "Masterminds" zu installieren: Ramsi Binalshibh und Khalid Sheik. Wie dies geschah. hat der amerikanische Journalist Chaim Kupferberg in einer beispielhaften Arbeit aufgezeigt - der 70- Seiten lange Essay There's Something About Omar (eine deutsche Zusammenfassung findet man unter dem passendem Titel Scheichegal!) gibt einen hervorragenden Einblick in die Details dieser Propagandaoperation, mit der der britische Staatsbürger und ISI-Agent Omar Sheik und der CIA-Partner und ISI-Chef General Ahmed von der Bildfläche abgezogen und durch die zwei "Masterminds" Binalshibh und Khalid Sheik ersetzt wurden.

Dies sind nun die beiden Terror-Phantome, die an unbekannten Orten ein unüberprüfbares Geständnis nach dem anderen ablegen, weiterhin das Obermonster Osama anschwärzen und wahrscheinlich alles von sich geben, was ihnen von amerikanischen "Verhörspezialisten" nahegelegt worden ist. Für Nachfragen aber stehen sie selbst Gerichten nicht zur Verfügung - aus Gründen der "nationalen Sicherheit". Das betrifft übrigens nicht nur US-amerikanische, sondern auch bundesdeutsche Gerichte: Auch in den Hamburger Prozessen gegen vermeintliche al-Qaida-Unterstützer konnten die beiden "Kronzeugen" aus diesem Grund nicht befragt werden, es gab nicht einmal die Möglichkeit, in die Verhörprotokolle Einsicht zu nehmen. Was den Richter freilich an einer Verurteilung nicht hinderte.