Bilderberger stolpert: Selbstbereicherung und Täuschung der Aktionäre

Ein Skandal um Conrad Black und andere Führungskräfte führt das internationale Medienimperium Hollinger und seinen Gründer in die Schlagzeilen

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Innerhalb von 37 Jahren hat Conrad Black aus einem Zweimannbetrieb mit Hollinger International eines der größten Zeitungsimperien weltweit aufgebaut. Dem Verlag gehören heute 23 Tageszeitungen sowie Anteile von mehr als 250 weiteren Medien, vor allem in Israel, den USA und Großbritannien. Der Daily Telegraph, die Chicago Sun Times und die Jerusalem Post gehören zu den bekanntesten Zeitungen, die Hollinger International herausgibt.

Ab 1987 wurde Black Co-Vorsitzender des kanadischen Zweigs der nebulösen Bilderberg-Konferenz (Bilderberg-Untersuchung endgültig abgeblasen) und verteilte Posten und Gelder aus seinem Zeitungskonglomerat an seine internationalen "Kameraden". So sind zum Beispiel Ex-US-Außenminister Henry Kissinger und Pentagon-Sicherheitsberater Richard Perle Vorstandsmitglieder von Hollinger International. Perle, nebenbei gesagt, gilt auch als einer der Wegbereiter des Irak-Krieges. Vor etwa zwei Wochen, am Montag, 17. November 2003, hat der 59jährige Conrad Black als Vorstandschef und geschäftsführender Aufsichtsratsvorsitzender von Hollinger International einen Rücktritt angekündigt, am 19.11. ist er noch vor dem angekündigten zurückgetreten. Der Verkauf des Konzerns ganz oder in Teilen könnte im nächsten Jahr folgen.

Blacks Rücktritt folgt einem zunächst als "Schmierenkampagne" zurückgewiesenen Vorwurf, dass er und andere Manager in nachweisbaren Einzelfällen in die eigene Tasche gewirtschaftet und die Aktionäre getäuscht hätten. Die Vorwürfe haben sich als zutreffend herausgestellt.

Wie die International Herald Tribune am 18. November auf der Titelseite berichtete, kam eine nicht zuletzt auf Druck von Großinvestoren zustande gekommene interne Untersuchung zu dem Ergebnis, dass Black, Hollinger International-Vizepräsident Peter Atkinson und Chicago Sun Times-Herausgeber David Radler im vergangenen Jahr insgesamt 15,6 Millionen US-Dollar unautorisiert eingestrichen haben. Jeweils 7,2 Millionen davon gingen nach diesem Bericht allein an Black und Radler. Weitere 16,55 Millionen US-Dollar wurden an die kanadische Firma Hollinger Inc. überwiesen, ohne dass die Aktionäre darüber ordnungsgemäß benachrichtigt worden wären.

Hollinger Inc., die nach Angaben von Canadian Press 72,6 Prozent der stimmberechtigten Anteile von Hollinger International Inc. hält, wird über die Firma The Ravelston Corporation Ltd. wiederum zu 78 Prozent von Conrad Black kontrolliert. Black ist zudem Vorstandsvorsitzender der Hollinger Inc. Neben ihren Rücktritten von Hollinger International verpflichteten sich Black und die anderen Manager die unautorisiert eingestrichenen Beträge "bis Juni" zurückzuzahlen.

Krise erst am Anfang

Die Rückzahlung wird Multimillionär Black vermutlich nicht sehr schwer fallen. Kritiker fragen sich, warum diese großzügige Frist überhaupt eingeräumt worden ist. Schwerer wiegt aber sein Verbleib als Vorstandschef bei der Muttergesellschaft Hollinger Inc. Die einstimmige Forderung des mit vier Vorstandsmitgliedern besetzten Audit-Komitees der Gesellschaft, dass Black auch hier abtritt, wurde mit den Stimmen der anderen Vorstandsmitglieder Conrad Black, seiner Frau Barbara Amiel Black, David Radler, Peter Atkinson und Jack Boultbee abgelehnt - alle außer Frau Barbara Empfänger nicht-autorisierter Zahlungen.

Nach der 90minütigen Vorstandssitzung am 21. November sind die unabhängigen Vorstandsmitglieder des Audit-Komitees aus Protest umgehend zurückgetreten. Seitdem verletzt die in Toronto sitzende Hollinger Inc. börsenrechtliche Bestimmungen, dass ein Audit-Komitee von Management-unabhängigen Vorstandsmitgliedern zu besetzen ist. Die Tochtergesellschaft Hollinger International konnte den fälligen Quartalsbericht durch den Rücktritt bei Hollinger International nur unzertifiziert abgeben.

Ermittlungen aufgenommen

Wie die kanadische National Post letzte Woche berichtete, werden die Vorgänge bei Hollinger inzwischen sowohl von der New Yorker Börsenaufsicht SEC als auch von der Börsenaufsicht im kanadischen Ontario OSC untersucht. "Eine Gesellschaft zu plündern und unautorisierte Zahlungen anzunehmen, ist an sich keine Verletzung des Aktienrechts, aber vielleicht ein Straftatbestand", zitiert die Zeitung einen US-Anwalt.

Ein Verstoß gegen aktienrechtliche Bestimmungen liege nur vor, wenn die Zahlungen nicht oder nicht richtig ausgewiesen worden seien. Man könne aber annehmen, dass die US-Staatsanwaltschaft bereits involviert sei. Eine strafrechtliche Untersuchung wird bei Hollinger offenbar sehr ernst genommen. Nicht umsonst lässt sich Black in dem Skandal von US-Staranwalt David Boie vertreten. Der Jurist hat einschlägige Erfahrung mit Prozessen der besonderen Art, die nützlich werden könnten. So vertrat er im Enron-Skandal den ehemaligen Finanzchef der Firma, Andy Fastow, war am Anti-Trust-Verfahren gegen Microsoft beteiligt und half Al Gore bei den Rechtsstreitigkeiten um die Stimmauszählung in Florida bei den US-Präsidentschaftswahlen 2000 - allerdings genauso erfolglos wie bei der Abwehr der Klagen gegen die Musiktauschbörse Napster durch die Musikindustrie. "Es gibt eine ernstzunehmende Wahrscheinlichkeit, dass [Black] über all dies ins Gefängnis gehen könnte" zitiert die National Post eine nicht genannte Quelle bei Hollinger.

Der Skandal kommt zu einem Zeitpunkt, bei dem das Thema Corporate Governance und saubere Geschäftsführung ganz oben auf der Tagesordnung auf dem nordamerikanischen Kontinent ist. Erst letzte Woche etwa verhaftete die US-Bundespolizei während des "bislang spektakulärsten Schlags gegen Wirtschaftskriminalität an der Wall Street" (Financial Times Deutschland) 47 Mitarbeiter bei mehr als einem Dutzend Finanzfirmen, darunter JP Morgan Chase, Dresdner Kleinwort Wasserstein und UBS . Eine unübersichtliche Anzahl von Verfahren gegen Analysten, Fondsgesellschaften und Investmentbanken sind im Rollen.

Aufgeräumt wird aber nicht nur mit offensichtlich kriminellen Praktiken. So war im September der Chef der New York Stock Exchange, Richard Grasso, nach beispiellos heftigem Druck aufgrund seines selbst eingefädelten, aber rechtmäßigen Jahreseinkommens von 140 Millionen US-Dollar "mit größtem Widerstreben" zurückgetreten. Dies war vermutlich, so die Financial Times, "erst der Anfang der voraussichtlich größten Aufräumaktion in der 211-jährigen Geschichte" der New Yorker Börse.

In diesem Klima könnten für Black raue Zeiten anbrechen: Neben den Ermittlungen der Börsenaufsichten und der Staatsanwaltschaft drohen auch Klagen von Anteilseignern.

Bilderberg-Connection als Karrierehilfe

Schande über Hollingers Direktoren, die sich als Verzierung einer Geschäftsräuberei haben benutzen lassen, indem sie Lord Blacks Finanzmanipulationen und seinem unaufhaltsamen sozialen Aufstieg Legitimität verliehen haben.

Steven Pearlstein in der Washington Post

Die waren aber offensichtlich mit von der Partie. In seinem Artikel zählt Pearlstein zahlreiche Merkwürdigkeiten und persönliche Verflechtungen im Geschäftsgebaren von Hollinger International auf. Darüber hinaus habe das Unternehmen allein zwischen 1998 und 2002 über 200 Millionen US-Dollar offiziell an Black und "enge Vertraute" in Form von Gehältern, Management-Gebühren und anderen Zahlungen überwiesen. Im gleichen Zeitraum blieb den Aktionären ein verhältnismäßig mageres Plus von 23 Millionen US-Dollar.

Der mit 18 Prozent zweitgrößte Anteilseigner von Hollinger International, die Managementfirma Tweedy Browne and Co., hinterfragt nach einem aktuellen Bericht des Toronto Star 300 Millionen US-Dollar, die seit 1995 an Black und andere Führungskräfte geflossen seien. "Conrad Black hat es offenbar übertrieben", kommentierte die Süddeutsche Zeitung seinen jetzigen Rücktritt von Hollinger International.

An seinem Aufstieg hatte die Verbindung zum Netzwerk der Bilderberg-Konferenz einen großen Anteil, wie Black in seiner Autobiographie "A life in Progress" von 1993 freimütig berichtet:

Not having very satisfactory recollections of school days, nor being a very enthusiastic or observant university alumnus, Bilderberg has been the closest I have known to that sort of camaraderie. The animated sessions [...] have given me, and many other regular participants, a powerful and entirely agreeable sense of community with some very talented and prominent people [...] Providentially, the world became more accessible for me as Canada became less commodious. It was from Bilderberg that our eventual vocation as an international newspaper company arose.

Viele seiner künftigen Vorstandsmitglieder, Geschäftspartner und Karrierehelfer lernte Black eben über Bilderberg gut kennen:

While I had first met Henry Kissinger in Palm Beach 1979 [...] it was at Bilderberg that I got to know him and a number of our other, future, directors and advisory board members. These included Dwayne Andreas (controlling shareholder of giant agri-business Archer-Daniels, Midland), Zbigniew Brzezinski (former National Security Adviser in the Carter administration), Lord Carrington (former British Foreign and Defence Secretary and secretary-general of NATO), Andrew Knight (editor of Economist), Richard Perle (former US assistant-secretary of Defence and one of the champions of the Strategic Defence Initiative [...] and Euro-missile development), Paul Volcker (chairman of Federal Reserve), Gianni Agnelli (controlling shareholder of Fiat [...]) and George Will (US conservative columnist and commentator), as well as many other interesting people.

Höhepunkt von Blacks Establishment-Karriere dürfte die von ihm organisierte Bilderberg-Konferenz Mitte1996 im nördlich von Toronto gelegenen Luxus-Ressort King City gewesen sein. Wie John Deverell von der Toronto Star in einem ganzseitigen Bericht vom 31. Mai 1996 feststellte, nahmen wie üblich internationale Spitzenkräfte aller Couleur teil, darunter David Rockefeller, George Soros, James Wolfensohn, Königin Beatrix und über 100 andere. Vor drei Jahren schließlich wurde der Zeitungsmagnat von der englischen Queen zum Lord Black of Crossharbour geadelt und ist seitdem Brite mit Sitz im Oberhaus - wofür er sich mit dem kanadischen Premierminister Chrétien überwarf und auf seine kanadische Staatsbürgerschaft verzichtete.

Parvenüs der High-Society

Black und seine Gattin Barbara Amiel haben sich mit ihrem luxuriösen Lebensstil mittlerweile über Bilderberg hinaus einen festen Platz in der High-Society gesichert. "Ich habe eine Extravaganz, die keine Grenzen kennt", versicherte Amiel im vergangenen Jahr der Zeitschrift Vogue. In den Modemagazinen und Frauenblättern ist sie keine Unbekannte. Das Tatler-Magazin kürte sie zu einer der 10 "am besten gekleideten Frauen" Großbritanniens. Auch ihre Vorliebe für teuren Schmuck trägt sie gern zur Schau. Für die Dekoration eines von den Blacks genutzten Challenger-Jets von Hollinger gab sie angeblich drei Millionen US-Dollar aus, mehr als 75.000,- US-Dollar für ein Abendkleid von Oscar de la Renta oder Jean Paul Gaultier sind offenbar Routine. Die Blacks unterhalten luxuriöse Anwesen in Palm Beach, Kensington, Toronto und ein Appartement in der Park Avenue in New York, in denen sie regelmäßig Partys und Soirées für ihre Freunde veranstalten:

Sundry Rothschilds, passles of politicians, including Margret Thatcher and France's Valéry Giscard d'Estaing, pals from the Bilderberg group, corporate leaders, bankers, minor royals, major aristocrats, and the right sort of journalists were eager, or at least curious to sweep past the giant painting of Napoleon in the stairwell [in Kensington] and see what the Blacks had to offer besides the obvious. [...] The list of power-brokers they associate with is a long and highly social one. Going by Vogue or W magazine, they are forever dashing about to each other's parties. It's said that Hollinger board members spend almost as much time talking soirees as stock shares.

Lynda Hurst im Toronto Star

Black bleibt gelassen

Während die Krise bei Hollinger ihren Lauf nimmt, sieht Black keinen Anlass, die Tour zur Vorstellung seines neuen Buches, einer Biographie von Franklin D. Roosevelt, zu unterbrechen. In die Vorstandssitzung bei Hollinger Inc. hatte er sich telefonisch dazugeschaltet. Am Rande einer Pressekonferenz im Rahmen der Buchvorstellung erklärte Black, dass bei Hollinger nichts verborgen worden sei und er sich keines Fehlverhaltens schuldig gemacht habe. Die Untersuchung der Börsenaufsicht sei "nicht unwillkommen". In einem Interview mit CBC Radio News räumte Black ein, dass die Unternehmensverflechtungen um Hollinger sehr kompliziert seien:

Ich akzeptiere, dass es im gegenwärtigen Klima etwas unästhetisch ist, kommerziell gesehen, also werden wir das ändern.

Wie schon am Tag seines Rücktritts als Vorstandschef von Hollinger International mitgeteilt wurde, könnte das milliardenschwere, aber unter Liquiditätsengpässen leidende Unternehmen im Rahmen einer Umstrukturierung über die Investmentbank Lazard ganz oder in Teilen veräußert werden. Inzwischen erklärte Black, dass er gerne im Geschäft bleiben würde, aber einem Abgang nicht abgeneigt wäre, "wenn das Geld stimmt". Sollten Zeitungen im Zusammenhang mit der Umstrukturierung verkauft werden, würden die Anteilseigner von Hollinger jedenfalls "eine sehr anschauliche Auszahlung" erhalten - "und als größten Anteilseigner mich eingeschlossen", so Black.

Immerhin: Black hat den Konzern aufgebaut. Ein Selbstbedienungsladen ist das an der Börse notierte Unternehmen deshalb aber trotzdem nicht.