Schwarze Löcher im Miniformat

Neuen Theorien zufolge entstehen und vergehen sie ständig in der Erdatmosphäre

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Im Zusammenhang mit Schwarzen Löchern ist zumeist von gigantischen Größenordnungen die Rede. Die gewaltigsten Exemplare findet man in Zentren von Galaxien: Diese so genannten supermassiven Schwarzen Löcher versammeln die Masse von bis zu 100 Millionen Sonnen auf so engem Raum, dass nicht einmal Licht der ungeheuren Schwerkraft entkommen kann. Theoretisch sind aber auch kleinere Versionen vorstellbar. Jetzt glauben Wissenschaftler sogar, in der Erdatmosphäre Hinweise auf winzige Schwarze Löcher in der Größenordnung von wenigen Millionstel Gramm gefunden zu haben.

Illustration: ein Schwarzes Loch saugt Gas und Staub auf und lässt dabei seine Umgebung leuchten, als spucke es Feuer wie ein Drache. Bild: NASA/Aurore Simonnet, Sonoma State University

Die Existenz Schwarzer Löcher wurde erstmals 1916 von dem deutschen Astronomen Karl Schwarzschild vermutet, der damit Schlussfolgerungen aus Albert Einsteins im selben Jahr veröffentlichter Allgemeiner Relativitätstheorie zog. Einstein hatte insbesondere das Verständnis der Schwerkraft grundlegend neu formuliert. Schwarzschild berechnete nun, wie stark Masse konzentriert sein müsste, damit selbst die Lichtgeschwindigkeit nicht ausreicht, um ihrem Schwerefeld zu entkommen.

Für die Erde beträgt dieser so genannte Schwarzschild-Radius fantastische 0,89 Zentimeter. Das heißt, wenn es gelänge, die über 12.000 Kilometer durchmessende Erdkugel auf die Größe eines Kirschkerns zu komprimieren, würde sie zu einem Schwarzen Loch werden! Doch das ist reine Theorie. Sterne ab einer bestimmten Größe können, nachdem ihr Kernbrennstoff aufgebraucht ist, unter ihrer eigenen Schwerkraft zu Schwarzen Löchern kollabieren. Aber bei kleineren Körpern müsste eine zusätzliche, externe Kraft die Komprimierung bewirken. Wo sollte die herkommen? "Es gibt Spekulationen darüber, dass kurz nach dem Urknall Bedingungen geherrscht haben könnten, die zur Entstehung so kleiner Schwarzer Löcher hätten führen können", sagte Stefanie Komossa vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching vor einem Jahr im Zusammenhang mit der Entdeckung zweier kollidierender supermassiver Schwarzer Löcher. "Bislang konnten sie aber durch keinerlei Beobachtungen bestätigt werden."

Möglicherweise doch: Wie die Zeitschrift New Scientist in ihrer aktuellen Ausgabe berichtet, interpretieren einige Wissenschaftler rätselhafte Messergebnisse von Observatorien kosmischer Strahlung als Signaturen winziger Schwarzer Löcher. Theodore Tomaras von der University of Crete in Heraklion und seine russischen Kollegen Andrei Mironov und Alexei Morozov stützen sich auf etwa 40 Ereignisse, die seit 1972 von Detektoren in Bolivien und Tadschikistan beobachtet wurden. Diese Detektoren registrieren Partikelschauer, die bei der Kollision eines hochenergetischen Teilchens kosmischer Strahlung mit einem Molekül in der Erdatmosphäre entstehen. Bei den Ereignissen, die die Neugier der Forscher entfachten, zeigte sich eine auffallende Asymmetrie: Zum einen wurden ungewöhnlich viele geladene, quark-basierte Teilchen gezählt, zum anderen konzentrierten sich die Teilchen stärker im unteren als im oberen Bereich des Detektors.

Tomaras und Kollegen glauben, dieses Phänomen am besten durch Schwarze Löcher erklären zu können, die beim Zusammentreffen eines kosmischen Partikels mit einem Luftmolekül entstehen und sofort - nach einer billardstel Nanosekunde - wieder zerfallen. Der Mechanismus ergibt sich aus Theorien, die die Schwerkraft durch die Existenz höherer Dimensionen zu erklären versuchen. Eine weitere Konsequenz dieser Theorien wäre die Möglichkeit, Miniaturausgaben Schwarzer Löcher in Teilchenbeschleunigern künstlich zu erzeugen. Der neue Hadron Collider, der ab 2007 am Forschungszentrum CERN in Genf den Betrieb aufnehmen soll, hätte das Zeug dazu. Wenn also demnächst Schwarze Löcher in Serie gefertigt werden könnten, wäre das auch eine Bestätigung der Theorie von Tomaras et. al.