Das schmutzige Geschäft der Politik

Neue Dokumente belegen erneut, wie die USA in den 80er Jahren das Hussein-Regime trotz des Einsatzes von chemischen Waffen stützte; Bechtel machte damals wie heute dank Pentagon-Beziehungen gute Geschäfte mit dem Irak

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Nachdem deutlich wurde, dass das Hussein-Regime möglicherweise doch keine Massenvernichtungswaffen besitzt, veränderte die Bush-Regierung bekanntlich den Schwerpunkt der Begründung für den notwendigen Krieg gegen den Irak von der Entwaffnung zum Sturz eines Diktators und zur Befreiung des Landes. Entsprechend wurde der mediengerecht geplante Feldzug "Operation Iraqi Freedom" getauft. Vorgeworfen wurde dem Diktator an Kriegsverbrechen vor allem, dass er Giftgas selbst gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt hatte. Bekanntlich aber hinderte dies damals die US-Regierung nicht daran, weiterhin in Beziehung mit dem Regime zu stehen und dieses auch militärisch zu unterstützen sowie mit Material für chemische und biologische Waffen zu versorgen.

Rumsfeld trifft Hussein am 20.12.1983

Die Verflechtungen der US-Regierung mit Saddam Hussein vor dem ersten Krieg 1991 sind weitgehend bekannt. Hussein wurde für Reagan und Vizepräsident Bush, nachdem der Irak nach seinem Angriff auf den Iran 1982 große Niederlagen einstecken musste, zu einem Garanten des US-Einflusses im Nahen Osten. Obgleich seit 1983 allen, auch der US-Regierung, bekannt war, dass der Irak "fast täglich" Giftgas gegen iranische Soldaten und Zivilisten sowie gegen "kurdische Rebellen" einsetzte, wurden die Beziehungen vertieft.

Eine "National Security Decision Directive" vom November 1983 beschäftigte sich mit dem Iran-Irak-Krieg und verlangte auch eine militärische Kooperation, um die Ölversorgung zu sichern. Syrien hatte die Pipeline aus dem Irak geschlossen, in einem verlustreichen Angriff mit "menschlichen Wellen" drohte der Iran zudem die Region um Basra mit den meisten irakischen Erdölquellen zu erobern. Schließlich wurde 1983 der frühere Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, der damals Direktor eines Pharmakonzerns war, als Sonderbeauftragter in den Irak geschickt, um Beziehungen zwischen den USA und dem Irak herzustellen und den Diktator bei seinem Kampf gegen den Iran Beistand zuzusichern. Das sollte unter dem Vorwand geschehen, dem Land zu helfen, die Ölexporte zu sichern und zu steigern. Dazu sollte eine neue Pipeline vom Irak über Jordanien an den Golf von Akaba gebaut werden.

Rumsfeld, Hussein und die Giftgasangriffe

Vor fast genau 20 Jahren, am 20.12.1983, besuchte Donald Rumsfeld, der jetzige Verteidigungsminister und Mitbetreiber des Irak-Krieges, auch Saddam Hussein. Von dieser Reise stammt das bekannte Bild, auf dem Rumsfeld mit Hussein in herzlichem Einverständnis die Hände schüttelt. Über chemische Waffen wurde nicht gesprochen, obgleich das US-Außenministerium im November 1983 zu bedenken gegeben hatte, dass das irakische Militär einen großen Vorrat an Giftgas angesammelt habe und vermutlich weitere Angriffe ausführen werde. Das Außenministerium empfahl, dass die US-Regierung dazu Stellung beziehen müsse, um in ihrer Haltung gegen chemische Waffen glaubwürdig zu bleiben.

Rumsfeld besuchte auch Tariq Aziz, der damals schon irakischer Außenminister war, stellte die "gemeinsamen Interessen" heraus und erwähnte bei dieser Gelegenheit, dass die US-Hilfe durch den Einsatz von Giftgas und die Verletzung von Menschenrechten behindert werde. Öffentlich hatte die US-Regierung kurz darauf den Einsatz von chemischen Waffen durch den Irak - und auch den Iran - verurteilt, nachdem das Regime deren Einsatz im Februar 1984 unmissverständlich deutlich gemacht hatte: "The invaders should know that for every harmful insect there is an insecticide capable of annihilating it whatever the number and Iraq possesses this annihilation insecticide"

Auf die Verurteilung hin verschlechterten sich die Beziehung mit Hussein, weswegen Rumsfeld im März 1984 erneut nach Bagdad geschickt wurde, um dem Regime Kredite anzubieten, u.a. für die geplante Pipeline, und deutlich zu machen, dass die US-Regierung die Beziehung mit dem Irak weiterhin "on the track" halten will. Schon zuvor hatte allerdings die US-Regierung ihre Haltung deutlich gemacht und eine vom Iran gewünschte UN-Resolution gegen den Giftgaseinsatz durch den Irak verhindert. Die irakische Regierung wurde gebeten, Störungen zu vermeiden, man versicherte ihr aber, dass dieses Thema nicht die bilateralen Beziehungen dominieren soll. Zwar wurde von Präsident Reagan nochmals im Frühjahr der Einsatz von Chemiewaffen verurteilt, Irak wurde aber nicht explizit erwähnt. Im November 1984 nahmen die USA wieder diplomatische Beziehungen mit dem Irak auf. Formell traten die USA zwar als neutrales Land im Iran-Irak-Konflikt auf, aber das Regime von Hussein wurde finanziell, technisch, militärisch und sogar personell unterstützt. Zeitweise arbeiteten mehr als 60 Offiziere der Defense Intelligence Agency für den Irak und versorgten das Regime mit Geheimdienstinformationen wie Details von Satellitenbildern.

Bechtel und die Geschäfte mit dem Diktator

Vor wenigen Tagen veröffentlichte das National Security Archive weitere Dokumente aus der Zeit der prekären Irak-USA-Beziehungen, die eben nicht nur frühere Regierungen, sondern mit Donald Rumsfeld, Dick Cheney oder indirekt auch George Bush persönliche Verflechtungen betreffen. Die jetzige US-Regierung hat zu dieser Angelegenheit noch nie Stellung genommen, Donald Rumsfeld hat versichert, dass er sich, wie dies auch andere Politiker gerne bei unangenehmen Themen machen, an die Zeit nicht mehr recht erinnern könne.

Die neuen Dokumente offenbaren aber noch eine weitere Verwicklung, wobei nach dem National Security Archive bei weitem noch nicht alle Informationen von den amerikanischen Behörden aufgrund des Informationsfreiheitsgesetzes freigegeben wurden. Auch das weitere Detail ist pikant, denn es betrifft den Bechtel-Konzern, der auch jetzt wieder gute Geschäfte mit dem Wiederaufbau mit dem Irak macht, wie dies auch bei dem Unternehmen Halliburton der Fall ist, mit dem derzeitigen US-Vizepräsident Dick Cheney, unter Bush I Verteidigungsminister der USA, verbandelt ist. Vermutlich wird Bechtel einen Großauftrag für fast 700 Millionen US-Dollar im Irak erhalten. Auch 1983 ging es bei dem Besuch von Rumsfeld bei Hussein um Geschäfte und um einen Auftrag für Bechtel.

Bechtel hatte schon damals die guten Beziehungen zur US-Regierung, die beispielsweise Halliburton jetzt hat. Der Außenminister von Reagan, George Shultz, arbeitete bis zu seiner Berufung bei Bechtel, und auch der Verteidigungsminister Caspar Weinberger kam von diesem Konzern in die Regierung. Und weil diese dem Irak beistehen und die Ölversorgung sicherstellen wollte, sollte eben die neue Pipeline gebaut werden. Für das milliardenschwere Projekt bewarb sich Bechtel. Am 20.12.1983 unterhielt sich Rumsfeld mit Hussein auch über die Pipeleine und Bechtel und meldete, dass der Diktator daran interessiert sei. Nach der Abkühlung konnte aber Rumsfeld auch bei seinem zweiten Besuch das Geschäft mit Hussein nicht endgültig zum Abschluss bringen.

Mit dem Waffenstillstand von 1988 wurde die Pipeline unnötig, aber Bechtel hatte im Irak sowieso auch andere Geschäfte gemacht. So wurde von dem Konzern eine petrochemische Anlage für zwei Milliarden US-Dollar gebaut, die möglicherweise auch der Herstellung von chemischen Waffen gedient hatte. Nach dem Krieg 1991 kam man dann wieder ins Geschäft, um die vielen brennenden Erdölquellen in Kuwait zu löschen und wieder funktionsfähig zu machen.

Nach dem von der jetzigen US-Regierung viel beschworenen Giftgasangriff auf Halabja im März 1988 schickte der US-Senat ein Team zur Untersuchung des Vorfalls in die Türkei. Dessen Bericht bestätigte, dass der Irak ab 1984 wiederholt Giftgas gegen Iraner und Kurden eingesetzt hat. Der Senat verabschiedete im September den "Prevention of Genocide Act", der den Import von irakischem Öl und den Export von Gütern, militärische Hilfe und Kredite verbot. Die Reagan-Regierung brachte das Gesetz wohl auch aufgrund der Interessen der Wirtschaft schließlich wieder zu Fall. Nicht nur hatte sich die irakische Regierung heftig beschwert und behauptet, die Vorwürfe entstammten einer "zionistischen Verschwörung", um den Sieg über den Iran zu hintertreiben, sondern auch Firmen wie Bechtel passte das Gesetz nicht, da sie trotz aller Giftgaseinsätze weiterhin im Geschäft bleiben wollten. So drohte etwa Bechtel explizit damit, dass man über ausländische Firmen die Geschäfte mit dem Irak fortsetzen wolle, wenn das Sanktionsgesetz tatsächlich in Kraft treten solle.

Noch im Herbst 1988 erhielt der Irak mit Billigung der US-Regierung weiterhin zahlreiche Kulturen zur Entwicklung biologischer Waffen, darunter auch Milzbrand (Der Irak, die USA und die Massenvernichtungswaffen). Bekannt war der US-Regierung auch schon lange, dass der Irak ein Atomwaffenprogramm entwickelte, was die Beziehungen hinter den Kulissen zwischen den Ländern bis zum Einmarsch des Irak nach Kuwait auch nicht störte. Im Oktober 1989 hieß es in der National Security Directive 26 von Bush I., mittlerweile US-Präsident, dass normale diplomatische Beziehungen mit dem Irak erwünscht seien. Man müsse mäßigend auf die irakische Regierung einwirken, immerhin aber wurden Sanktionen nicht für die Entwicklung, aber für den Einsatz chemischer und biologischer Waffen angedroht. Bush setzte sich auch dafür ein, dass der Irak neue Kredite erhielt.

Ob es beim Prozess gegen den inhaftierten Diktator und alten Freund Saddam Hussein aber auch über die heikle Geschichte der US-Regierungen und manche ihrer Angehörigen bei der Unterstützung des Regimes und der Entwicklung sowie dem Einsatz von dessen Massenvernichtungswaffen geht, dürfte interessant werden. Der Iran will natürlich auch die Kriegsverbrechen Husseins geahndet wissen, dabei aber ließe sich schwerlich die Rolle der USA, aber auch die anderer westlicher Staaten außer Acht lassen. Um das möglichst klein zu halten, wird der Prozess, solange es nach dem Willen der Amerikaner geht, sicherlich nicht vor einem internationalen Strafgerichtshof stattfinden. Fraglich dürfte auch sein, ob die US-Regierung wirklich unabhängige irakische Richter zulassen wird oder zumindest beeinflussen will, was Gegenstand des Prozesses werden soll und was nicht. Allerdings kamen bereits nach dem ersten Krieg gegen den Irak viele Verwicklungen der US-Regierungen mit dem Diktator auf, aber Iraqgate war keinesfalls der Grund, warum Clinton schließlich Bush I. ablösen konnte.