Frieden schaffen mit immer mehr Waffen

Das Wettrüsten gegen den Terrorismus nimmt kein Ende

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Friedensbotschaften dieser Tage sind zweifellos ehrenwert und sicher auch notwendig, weil sie wenigstens versuchen, die Menschheit daran zu erinnern, dass es prinzipiell möglich sein muss, Krisen und Konflikte ohne Krieg und Waffengewalt zu lösen. Doch erhört werden sie bislang nicht. Die Rüstungsspirale dreht sich schneller, unberechenbarer und offensichtlich auch effektiver als je zuvor.

Der 11. September 2001 hat die Rüstungslobby endgültig von der lästigen Notwendigkeit befreit, den unmittelbaren Zusammenhang von Waffenproduktion und Waffeneinsatz zu verschleiern, und "modernen" Kriegen das zwar brüchige, aber immerhin transportable Image präzise kalkulierbarer Notoperationen verschafft. Alte Haudegen wie der Oberkommandierende der Iraktruppen, General Tommy Franks, fallen zwar gelegentlich aus der Rolle und nähren durch markige Sprüche ("We don't do body counts") den Verdacht, selbst im modernen Krieg würden ganz einfach nur Menschen abgeschlachtet. Und zwar massenhaft und ohne jede Rücksicht auf die Genfer Konvention.

Aber dieser störende Eindruck hält sich allenfalls bis zur nächsten Werbepause. Denn um die Errungenschaften der westlichen Welt gegen die heimtückischen Feinde aus dem Morgenland zu verteidigen, ist der selbsternannten Zivilisation - ebenso wie ihren erbitterten Gegnern - jedes Mittel recht. Das Stockholmer Institut für Friedensforschung (SIPRI geht in seinem Jahrbuch 2003 davon aus, dass im Jahr 2002 weltweit 794 Milliarden US-Dollar für militärische Zwecke ausgegeben wurden. Der seit 1998 registrierte Anstieg der Rüstungsausgaben belief sich 2002 auf 6%, was einer Verdoppelung der Anstiegsrate gegenüber 2001 entspricht.

Keine Kehrtwende im Bereich Rüstungsausgaben in Sicht

Rund 75% dieses Anstiegs gehen laut SIPRI auf das Konto der USA, die ihren Verteidigungsetat im Zuge der Terrorismusbekämpfung noch einmal um 10% erhöhten. Für 2004 werden - allein in den Vereinigten Staaten - 401,3 Milliarden Dollar für Militärausgaben veranschlagt, gegenüber dem letzten Haushaltsentwurf der Clinton-Regierung bedeutet das eine Steigerung um rund 100 Milliarden. Bis zum Ende dieses Jahrzehnts sind weitere Erhöhungen geplant, obwohl die jüngsten Entwicklungen im Irak und vielen anderen Ländern nicht dafür sprechen, dass dieses gewaltsame Problemlösungskonzept dauerhaft von Erfolg gekrönt sein wird.

Trotzdem lassen sich ähnliche Entwicklungen in China, Russland oder Indien aufzeigen. Auch hier wird mit schöner Regelmäßigkeit auf den Kampf gegen den Terrorismus und das Recht zur Selbstverteidigung verwiesen.

Noch bedenklicher als das stetige Aufrüsten der einzigen Supermacht und der verbliebenen Großmächte erscheint freilich der ungezügelte Waffenexport in Länder der Dritten Welt und/oder Staaten, in denen Demokratie und Menschenrechte zwar nur eine untergeordnete Rolle spielen, die sich aber durch ihre amerikafreundliche Haltung im Rahmen der Antiterror-Feldzüge von früheren Handelsbeschränkungen befreien konnten. Dazu gehören Teilrepubliken der ehemaligen UdSSR wie Armenien, Aserbeidschan oder Tadschikistan oder auch die Atommacht Pakistan, die im ständigen Konflikt mit ihrem indischen Nachbarn liegt.

Der Congressional Research Service hat vor einiger Zeit ermittelt, dass 2002 weltweit konventionelle Waffen im Wert von 17,7 Milliarden Dollar in Länder der Dritten Welt geliefert wurden, knapp die Hälfte stammte aus den Waffenschmieden der Vereinigten Staaten. Angesichts der Tatsache, dass in den Empfängerländern nach vorsichtigen Schätzungen noch weit mehr als 100 Millionen Landminen herumliegen, erscheint das kaum als angemessene Entwicklungshilfe.

Leider ist auch im Neuen Jahr keine Kehrtwende im Bereich Rüstungsausgaben in Sicht. Es sei denn, den Staaten geht - wie der guten alten Bundesrepublik - langsam aber sicher das Geld aus. Hierzulande musste oder durfte Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) die Bürger kurz vor Weihnachten auf drastische Kürzungen bei der Bundeswehr einschwören. Vor allem im Bereich der Rüstungsausgaben soll ein historischer Rotstift angesetzt werden, der im Zeitraum von 2005 bis 2015 zu Einsparungen von etwa 26 Millionen € führen könnte. Sicher wäre es wünschenswert, wenn diese Maßnahmen politischer Ein- oder historischer Weitsicht zu verdanken wären, aber man sollte die Erwartungen an ein Land, das noch immer zu den fünf größten Waffenexporteuren der Welt gehört, auch nicht überstrapazieren.