Weitgehend unbemerkt hat US-Präsident Bush weitere Überwachungsmöglichkeiten für das FBI eingeführt

Husseins Gefangennahme sorgte für mediale Ablenkung, Bush unterzeichnete an jenem Samstag schnell und politisch geschickt eine erhebliche Erweiterung des Patriot-Gesetzes

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Die Bush-Regierung hat wohl mehr als eine Regierung zuvor auf die Medienwirksamkeit und damit auf die Beeinflussung der öffentlichen Meinung durch die Selbstdarstellung und Informationsübermittlung mittels der Medien gesetzt. Trotz zahlreicher Mediencoups, die daneben gingen, war sie darin bislang überaus erfolgreich und wurde damit auch zum Vorbild für andere Regierungen. Beim "Spin", also den Propagandaleistungen der immer wichtiger gewordenen Medienberater, ist nicht zuletzt entscheidend, wann bestimmte Informationen bekannt gegeben werden. Die Festnahme von Saddam Hussein war so wieder einmal ein günstiger Termin, um etwas zu machen, ohne dass dies bei den Medien und damit auch bei der Bevölkerung zu sehr Aufmerksamkeit erregte.

Das Spiel mit der Aufmerksamkeit ist zentral für die Kontrolle der öffentlichen Meinung. Da die Aufmerksamkeit, sowohl die individuelle als auch die kollektive in Form der Medien, nur eine beschränkte Kapazität hat, lassen sich durch bestimmte spektakuläre Inszenierungen auch Dinge in aller Öffentlichkeit, aber gewissermaßen im Dunkel um den Scheinwerfer der Aufmerksamkeit herum verstecken.

Inwieweit die Gefangennahme von Saddam Hussein oder zumindest deren Bekanntgabe ein geschickt vor Weihnachten inszenierter Mediencoup war, ist umstritten (US-Regierung erneut im Propagandakrieg?). Auch ob die Unterzeichnung des Intelligence Authorization Act for Fiscal Year 2004 (H.R.2417) am 13.12., also just am Samstag der Festnahme von Hussein, spinmäßig eingefädelt war, ist unklar. Allerdings darf man vermuten, dass man im Weißen Haus die Aufregung um Hussein gerne nutzte, um ein innenpolitisch heikles Gesetz umzusetzen, nachdem bereits der schon von Justizminister vorbereitete, aber dann vorzeitig den Medien bekannt gewordene Patriot II Act nach scharfer Kritik zu Beginn des Jahres zurückgezogen wurde. Offenbar will man jetzt die geplanten Maßnahmen scheibchenweise durchsetzen. Ungewöhnlich war es zumindest, dass US-Präsident Bush, der bekanntlich seine Wochenenden gerne frei hält, am Samstag ein Gesetz unterzeichnet. Das letzte Mal ist dies vor einem Jahr als Notmaßnahme geschehen, weil sonst am Montag die Regierung nicht mehr handlungsfähig gewesen wäre.

Der unter Vermeidung von großer Aufmerksamkeit mit der Unterschrift von Bush in Kraft getretene Intelligence Authorization Act regelt die finanzielle Ausstattung der Geheimdienste, aber auch von anderen "Aktivitäten im Krieg gegen Terroristen auf globaler Ebene". Mit dem Gesetz werden die Befugnisse des Präsidenten und die Geheimhaltung über Geheimdienstaktivitäten erweitert und Geheimdienstarbeiter der CIA und der NSA, die Schusswaffen tragen dürfen und in Ausübung ihres Berufs Gewalt ausüben, vor Haftung geschützt. Die CIA wird beauftragt, alle Behörden und Ministerien, die mit geheimen Informationen im Rahmen der nationalen Sicherheit zu tun haben, zu überprüfen, um "geheimdienstliche Quellen und Methoden vor unautorisierter Veröffentlichung zu schützen". Geheim bleibt allerdings auch schon der Haushalt für die Geheimdienste. Der US-Präsident sichert sich allerdings das Recht auf der Grundlage der Verfassung, Informationen geheim zu halten, die "auswärtigen Beziehungen, die nationale Sicherheit, den Entscheidungsprozess der Exekutive oder die Leistung der verfassungsmäßigen Aufgaben der Exekutive beeinträchtigen können". Hier kann vieles hineinpassen.

Das Terrorist Screening Center steht unter Kongress-Beobachtung

Interessant ist beispielsweise, dass die Geheimdienste dem Kongress berichten müssen, welche Erfahrungen sie aus dem Irak-Krieg ziehen konnten oder welche "konventionellen Waffen und Munition" im Irak "unter Verletzung bestimmten UN-Sicherheitsrat-Resolutionen seit der Invasion in den Kuwait im August 1990" gefunden wurden. Von Massenvernichtungswaffen ist im öffentlich zugänglichen Gesetzestext zumindest nicht die Rede. Ein Bericht soll vorgelegt werden, der die Abhängigkeit der Geheimdienste von Hard- und Software feststellt, die vom Ausland stammen, ein weiterer, der bestehende Probleme für den horizontalen und vertikalen Austausch von geheimen Informationen aufzeigt.

Ein Bericht soll aber auch über das von Bush im September eingerichtete "Terrorist Screening Center" dem Kongress vorgelegt werden (Eine Terroristen-Master-Liste soll den Informationsfluss verbessern). Darin soll enthalten sein, ob die Tätigkeiten der Verfassung entsprechen, welche Daten in den Datenbanken erfasst, wie viele Datenbanken einbezogen werden und wie diese technisch strukturiert wird. Überdies soll die Effektivität, die Maßnahmen zum Datenschutz sowie die Zahl der erfassten Individuen berichtet werden. Das Terrorist Screening Center könnte neben CAPPS, dem System zur Überwachung von Flugpassagieren, einige technische Ideen übernommen haben, die im Rahmen des Darpa-Projekts Total Information Awareness entwickelt wurden. Nach erster Kritik wurde das Projekt Terrorism Information Awareness umgetauft, bis der Kongress schließlich die Gelder sperrte, worauf das Pentagon manche der Projekte zu anderen Ministerien verschoben hat (Kongress streicht Gelder für Pentagon-Überwachungsprojekt; Alles für den Schutz der Freiheit).

FBI kann ohne richterliche Genehmigung und ohne begründeten Verdacht alle Daten bei "Finanzinstitutionen" einsehen

Der Intelligence Authorization Act sieht die Einrichtung eines neuen Geheimdienstes im Finanzministerium vor: das "Office of Intelligence and Analysis". Und gut versteckt in dem Geheimdienstgesetz ist eine erhebliche Erweiterung des Patriot-Gesetzes. So wird der Begriff von "Finanzinstitutionen", der bislang auf Banken beschränkt war, auf alle Institutionen erweitert, deren "Geldtransaktionen einen großen Nutzen für kriminelle, steuerliche oder gesetzliche Angelegenheiten besitzen". Damit sind nicht nur Börsen- oder Autohändler, Kreditkartenunternehmen oder Versicherungsgesellschaften, sondern auch Fluglinien, Reisebüros, die Post oder auch Juweliere betroffen.

Mit dieser Erweiterung wird auch automatisch die mit dem Patriot-Gesetz bereits geschaffene Befugnis des FBI erweitert, Einsicht in alle Daten von Bankkunden durch Vorlage eines "National Security Letter" zu erhalten. Dieser stellt zudem unter Strafe, dass Informationen über die Einsichtnahme weiter gegeben werden (gag order). Jetzt also kann das FBI von allen "Finanzinstitutionen" die Herausgabe von Informationen verlangen, ohne eine richterliche Genehmigung vorlegen oder einen Grund für die berichtige Annahme geben zu müssen, dass die betreffende Person eines Vergehens oder des Terrorismus beschuldigt wird.