Kriegsspiele zum Wahlkampfauftakt

Hamburg: Innensenator verhängt Ausnahmezustand wegen angeblichem Terroranschlag auf Bundeswehrkrankenhaus

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Mit einem Paukenschlag eröffnete Hamburgs Innensenator Dirk Nockemann (Schill-Partei) den Wahlkampf in der Elbmetropole: Nachdem bekannt wurde, dass der US-Geheimdienst CIA Hinweise auf einen möglicherweise für Anfang Januar geplanten Terroranschlag auf das Bundeswehr-Krankenhaus in Hamburg hat, fackelte Nockemann nicht lange und ließ "alle verfügbaren Polizeikräfte" plus dazugehöriges Militärarsenal vor dem Hospital auffahren. 342 zum Teil schwer bewaffnete Uniformierte mit Spürhunden und zahlreiche Panzerfahrzeuge der Polizei versetzten den Stadtteil in den Ausnahmezustand. 30 Tonnen Laub und Sand wurden für Straßensperren angekarrt.

Mit seiner gelungen militärischen Inszenierung, die ihn in die Abendnachrichten jedes deutschen Fernsehsenders brachte, sorgte Nockemann vor seinem endgültigen Abgang im Februar noch einmal kräftig für sicherheitspolitischen Wirbel. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) konnte sich darüber allerdings gar nicht so recht freuen: Nockemann erschwere mit seiner übereifrigen Aktion die Ermittlungen, so Schily, der Medien gegenüber lediglich von "ungesicherten Hinweisen" sprach. Schilys Parteikollege Dieter Wiefelspütz warf Nockemann vor, nur aus wahlkampftaktischen Erwägungen gehandelt zu haben. Solle sich diese Vermutung bewahrheiten, gehöre Nockemann "auf den Mond geschossen".

Das Militärkrankenhaus wurde am 4.8.1937 als Standortlazarett des Heeres eingeweiht. Damals wurde es mit der Inschrift "Scienciae, Humanitate, Patriae" - Wissenschaft, Menschlichkeit und Vaterland - versehen. Bekanntermaßen war "Vaterland" schon seinerzeit ein weiter Begriff, und in Zeiten, in denen wir sowieso "alle Amerikaner" sind, klingt es nicht abwegig, dass im Irak verletzte US-Soldaten in einem Hamburger Militärhospital behandelt werden. Diese Annahme jedenfalls soll der Grund dafür sein, dass das Spital ins Fadenkreuz von al-Qaida geriet. Genau genommen ins Visier der Gruppe Ansar-al-Islam, in der sich Kurden aus dem Nordirak zusammengeschlossen haben und die zum Al-Qaida-Netzwerk gehören soll. Ansar-al-Islam wird u.a. vorgeworfen, hinter den Anschlägen auf britische Einrichtungen in Istanbul im November '03 zu stecken.

Nockemanns bizarres Kriegsspiel inmitten eines dicht besiedelten Stadtteils ist nicht die einzige medienwirksame Maßnahme der Hansestadt im Kampf gegen den Terror. Polizeipräsident Udo Nagel plant, die Hansestadt flächendeckend mit Videoüberwachung zu sichern, der Hamburger Hafen ist zudem der erste der Welt, der mit dem Automatischen Identifikationssystem (AIS) ausgerüstet wurde. Der gläserne Hafen in Hamburg wird in der nautischen Zentrale rund um die Uhr von vier erfahrenen Kapitänen auf 20 Bildschirmen kontrolliert.

Bereits im Dezember 2002 wurde eine Hafensicherheitskommission bestehend aus Vertretern von Hafenwirtschaft, Behörden, Zoll und Polizei, gegründet. Eine regelrechte Terror-Hysterie war ausgebrochen, nachdem das Nachrichtenmagazin Newsweek ein inhaftiertes Al-Qaida-Mitglied zitierte, demzufolge Anschläge auf maritime Ziele geplant seien. Aufgabe der Sicherheitskommission war zunächst eine genaue Analyse der vorausgesetzten Gefahrensituation, daraus folgend sollte bis Ende 2003 ein detaillierter Maßnahmeplan erarbeitet werden. Eine dieser Maßnahmen ist die Installation von AIS. Das bedeutet, dass Schiffe mit einer so genannten Black Box und Häfen mit einem Empfänger ausgerüstet werden. Die Blackbox sendet automatisch über UKW-Funk alle Daten des Schiffes an Land bzw. an entgegenkommende Schiffe. Etwa 10% aller Schiffe sind derzeit mit einer solchen Blackbox ausgerüstet, bis Ende 2004 ist es Pflicht für alle Schiffe weltweit.