Daten aus der Steckdose - Müll im Funk

Powerline, die einstige Wundertechnik für die "letzte Meile", die die Telefonleitung ersetzen sollte, entpuppt sich immer mehr als Störenfried

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

PLC - Powerline Communication ist als "Internetzugang durch die Steckdose" - Powerline Access - mehrfach gescheitert: Zu teuer, zu langsam, zu unzuverlässig - und vor allem: Massive Funkstörungen verursachend. Neue, noch aggressivere und damit noch stärker störende Powerline-Modems sollen helfen - und In-House-Verteilungen machen ebenfalls Ärger.

Die Internetbenutzer hofften, mit Powerline - dem Internet aus der Strom-Steckdose - dem Monopol der Telekom zu entkommen und ebenso dem nervigen Zeittakt, dem langsamen Daten-Durchsatz per Modem oder ISDN und der blockierten Telefonleitung. Dann kam DSL und erfüllte alle diese Punkte. Doch nicht überall geht DSL und immer wieder wird gefragt "warum geht es denn mit Powerline nicht weiter"? Sogar verschwörerische Absprachen der Telekom mit den Energieversorgern werden vermutet. Doch ist die Technik schlicht untauglich: Sie bringt nur mit DSL nicht konkurrenzfähige Ergebnisse bei massiven Nebenwirkungen in Form von Funkstörungen.

Schon bei DSL ist es nicht ganz einfach, bis in den Mittelwellenbereich reichende Signale auf die üblichen verzwirbelten Telefonstrippen zu legen, weshalb mit DSL ja auch nach ein paar Kilometern Schluss ist. Aber immerhin werden Telefonleitungen kontrolliert nur an einem Punkt verlegt - Stromleitungen gehen dagegen wild durchs ganze Haus. Trotzdem werden seit Jahren im Langwellenbereich Babyphone und auch Strom-Modems angeboten, die akzeptabel funktionieren und alle Funkstörrichtlinien erfüllen. Doch die Bandbreite dieser Geräte erreicht nur Modemtempo.

Besonders sichere Übertragung: Die halbe Stadt kann mithören

Broadband-Powerline benutzt deshalb Frequenzen bis hoch in den Kurzwellenbereich. Das Resultat: Die Stromleitungen beginnen, massiv das Signal abzustrahlen und damit den Funkverkehr zu stören. Beim Powerline-Kunden kommt nicht mehr genug an. Also muss der Pegel erhöht werden, zumal auch etliche Elektrogeräte wie Motoren Funkstörungen verursachen und Powerline diese übertönen muss. Die Folge: Noch mehr Störungen - nicht nur im Rundfunk, selbst Fernseher und Videorekorder machen schlapp, weil interne Baugruppen gestört werden. Teils sind die Digitalsignale noch in 10 Kilometer Entfernung zu dekodieren - die halbe Stadt kann also beim Surfen und Emailen mitlesen, denn so aufwendig wie bei WLANs sind die Verschlüsselungen bislang nicht. Die Störungen reichen noch weiter, bei Kurzwelle gegebenenfalls um die ganze Welt.

RWE und andere Stromkonzerne haben Powerline-Access inzwischen aufgegeben, weil die ursprünglich verwendeten Ascom-Modems trotz Störungen nicht zuverlässig arbeiteten und die Kunden vom Datendurchsatz enttäuscht waren: Im Gegensatz zu DSL, wo jeder Kunde seinen eigenen Anschluss hat, teilen sich bei Powerline bis zu 400 Surfer einen Zugang. Was da für den einzelnen übrigbleibt, liegt je nach Aktivität der Nachbarn noch unter Modemgeschwindigkeit.

Doch der MVV als Konzern der Stadt Mannheim macht nun mit ursprünglich israelischen und in Deutschland von der Mannheimer PPC AG angebotenen Powerline-Modems der Firma Main-Net weiter. Das Vype genannte Angebot beginnt dabei mit 15 Euro im Monat unterhalb von DSL. Wer eine Flatrate will, hat jedoch Pech: Selbst für 100 Euro im Monat ist der Datenfluss begrenzt - wen wundert es, Strom wird ja auch nach Verbrauch berechnet. Zur erreichbaren Geschwindigkeit werden ebenso nur vage Angaben gemacht, denn das dürftige Ergebnis könnte die Kunden abschrecken.

Die Powerline-Rattenfänger pfeifen in Hameln unter dem passenden Namen Piper-Net in den Äther und auch in Dresden, Offenbach, Hassfurt und in vielen Städten Österreichs wie in Linz knattert die Kurzwelle wie ein wildgewordener Geigerzähler. Das Maximum der Störungen liegt im Bereich 6 bis 12 MHz mit Ausläufern bis 25 MHz, obwohl Powerline-Access ursprünglich unterhalb 4 MHz geplant war. Statt Mehrfachträgern wie bei den gescheiterten Ascom-Geräten benutzt Main-Net Spread-Spectrum, das mit den verwendeten Sendepegeln das gesamte Kurzwellenband verseucht - ob Amateurfunk oder Rundfunk. In Holland hat deshalb das Militär Einspruch gegen die Einführung von Powerline mit Main-Net-Equipment erhoben und im technikbewussteren Japan wurde Powerline mit 109 zu 2 Stimmen komplett verboten!

Notfunk wird lahmgelegt

Als Siemens hierzulande noch in Sachen Powerline aktiv war - inzwischen beschränkt sich das Unternehmen bei PLC auf die USA -, sprach man auf Messen schon mal Klartext - der Feind saß in den Rundfunkhäusern: "Wir arbeiten daran, diese fortschrittsfeindlichen europäischen Grenzwerte den liberalen amerikanischen Grenzwerten anzupassen. Mit dem Militär haben wir uns geeinigt und diese störrischen Funkamateure bekommen wir auch noch weg, nur die Rundfunkanstalten der ARD legen sich quer!" Und auch die Polizei und Rettungsdienste haben mit PLC Probleme. In Linz ist die Situation bereits eskaliert. 18.000 Kunden sind dort im Powerline-Bereich, nur 900 benutzen den Dienst, doch waren bei einer nationalen Katastrophenübung Funkstellen des Roten Kreuzes und der Johanniter Unfallhilfe so beeinträchtigt, dass deren Teilnahme an der Übung abgebrochen werden musste.

Dann kam die "Internetoffensive" der ARD und plötzlich war den öffentlich-rechtlichen Sendern das Internet wichtiger geworden als Radio über Funkfrequenzen. Ihre Redakteure der propagieren mitunter sogar - wenn auch nur mangels besseren Wissens - die den Funk störende Technik.

Die ARD lässt ihre Hörer im Stich

Die Deutsche Welle ist naturgemäß sehr an einer ungestörten Kurzwelle interessiert. Doch kann der Sender, der ja nicht zum Empfang innerhalb Deutschlands bestimmt ist, genau deshalb nicht Einspruch gegen die Zulassung von Powerline-Geräten in Deutschland erheben. "Wir mussten den ARD-Standpunkt vertreten, der unseren Interessen zuwiderläuft, weil er gerade den unteren Frequenzbereich, also unterhalb 30 MHz unberücksichtigt lässt bzw. nicht schützt", so Technikchef Peter Senger, der auch dem DRM-Konsortium vorsteht, das das neue digitale Mittel- und Kurzwellenradio in UKW-Qualität organisiert.

Traurige Tatsache: Die ARD braucht die Mittel- und Kurzwelle - ob analog oder per DRM - innerhalb Deutschlands angesichts ihres flächendeckenden UKW-Netzes nicht mehr, diese Bereiche könnten mit DRM jedoch ausländischen oder auch inländischen "Feindsendern", ob nun öffentlich-rechtlich oder privat, zugute kommen. Also wirft man diese Frequenzbereiche Powerline zum Fraß vor: In Testgebieten ist der Kurzwellenempfang total im Eimer, wie sowohl RegTP, Amateurfunkverbände wie auch Rundfunkanstalten bei Messungen feststellen mussten. Und zu allem Überfluss will nun auch noch die EU mit der "Open PLC European Research Alliance" (OPERA) und 9 Millionen Euro Powerline auf dem Land fördern.

Inhouse-Powerline: Kein Stück besser als der große Bruder

Immerhin sind die bisherigen Test-Standorte von Powerline Access aber bekannt: Wenn die RegTP aus diesen Bereichen eine Störungsmeldung bekommt, weiß sie, was zu tun ist. Doch nun kommt der kleine Bruder von Powerline Access in den Handel: Inhouse-Powerline will nicht mehr den Netzzugang selbst liefern, sondern nur im Haus als Ethernet-Ersatz über die Stromleitung dienen. Dafür wurde der Kurzwellen-Bereich von etwa 4 bis 20 MHz vorgesehen.

Die Inhouse-Lösung strahlt natürlich zunächst einmal nicht so stark wie Powerline Access, weil nur innerhalb des Hauses verteilt wird und die Signale nicht über den Stromzähler hinaus gehen sollen. Andererseits sind ein paar Meter der üblichen Hausstromverteilung bereits eine ausgezeichnete Antenne für diesem Frequenzbereich. Die beim Powerline Access gescheiterten Stromversorger versuchen nun, Inhouse-Powerline durch Musterinstallationen in Schulen zu pushen, bei denen die eigentliche Internet-Anbindung über Glasfaser oder DSL läuft, um zumindest die Symbolik des "Internet aus der Steckdose" zu wahren. Und schließlich können die bislang nicht mal endgültig zugelassenen Geräte in jedem Elektronikmarkt gekauft und an beliebigen Orten angeschlossen werden - sie später zu finden und aus dem Verkehr zu ziehen, ist praktisch unmöglich. Das Problem ist daher nicht zu unterschätzen.

Prinzipiell werden die Powerline-Adapter als Alternative zu Wireless LANs angeboten, wobei sie dicke Betondecken leichter überwinden als WLAN. Dafür ist die Ankopplung von Notebooks per Powerline uninteressant, weswegen dann teils Brücken von DSL auf Powerline und von Powerline auf WLAN angeboten werden, was dann endgültig die Nachteile aller Systeme kombiniert.

Amateurfunkbänder teils ausgespart - Rundfunk trotzdem gestört

Die Amateurfunkbänder werden bei den Inhouse-Geräten im Pegel teilweise abgesenkt, um den Zorn der Funkamateure abzuwenden - schwache Stationen hören sie trotzdem nicht mehr. Auf die Rundfunkbänder wird dagegen überhaupt keine Rücksicht genommen, was momentan zumindest in Deutschland, wo der Normalhörer im Gegensatz zu England oder gar Entwicklungsländern nur noch UKW benutzt, kaum auffallen wird.

Das kommende Digital Radio Mondiale (DRM) wird dem Hörer dank Digitaltechnik jedoch nicht mit offensichtlichen Störgeräuschen, sondern unerklärlichen Aussetzern verleidet, wenn im Nachbarhaus ein PLC-Set sein Unwesen treibt. Die Störungen reichen einige 100 Meter, somit ist der Krach mit Nachbarn programmiert. Im Ruhezustand stören die Komponenten dabei wesentlich weniger als mit Beginn einer Datenübertragung. Werden nur sporadisch Daten übertragen, ist es also sehr schwierig, die Ursache der Empfangsstörungen zu finden. Ist diese endlich beim Powerline-surfenden Nachbarn lokalisiert, sind etliche Messeinsätze der RegTP oder privater Dienstleister angefallen, die weit mehr kosten können als eine Standleitung und die der Störer bezahlen muss.

Doch das jetzige Powerline ist noch nicht einmal das Ende der Pläne: Das mittlerweile in den USA entwickelte BPL - "Broadband over Powerline" - soll bis zu 20 MB/s übertragen und dazu gleich die Frequenzen von 2 bis 80 MHz komplett mit Beschlag belegen. Bei Überreichweiten kann dann also auch im alten Europa empfangen werden, was so in den amerikanischen Hausdatennetzen übertragen wird.

Die Störstrahlung wird ganz legal höher liegen als das, was so mancher Rundfunk-Piratensender einst in den Äther pustete. Witzig, wenn Funkgegner dann schon mal die bei 2,4 GHz mit einigen Milliwatt sendenden Wireless LANs aufs Korn nehmen und als Ersatz ausgerechnet Powerline-Adapter empfehlen. Die Financial Times Deutschland schreibt so nichtsahnend der wahren Verhältnisse: "Doch mir behagt die Vorstellung nicht, meine eigenen vier Wände mit Funkwellen zu überfluten. Daher: Daten im Strom find' ich gut." Wenn die Daten denn nur brav "im Strom" blieben...