Unplugged: JenniCam.org ist offline

Zum Jahreswechsel 2003 ging mit der JenniCam ein einzigartiges Langzeitexperiment offline

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Nach fast neun Jahren im Cyberspace hat Jennifer Ringley das bekannteste BigBrother-Projekt im Web aufgegeben. Zumindest war es das Vorbild für viele andere (Veröffentlichung des Intimen). Zum Jahreswechsel 2003/2004 schaltete sie die Kameras in ihrer Wohnung endgültig ab. Hauptgrund dürften Finanzierungsprobleme sein.

Am Morgen um 7:30 am des letzten Tages kurz vor dem Aufstehen

Was mit einem halben Dutzend Freunde begann, erlangte bald Kultstatus: Jennifer Ringley installierte im April 1996 in ihrem Studentenwohnheim eine Kamera. Die von der Kamera aufgenommenen Bilder wurden live im Web zugänglich gemacht. Zeitweilig ergänzt von einem Tagebuch, ließ die Jennicam 7 Jahre lang jeden am Leben der damals 19 Jahre alten Studentin teilhaben.

Ringley startete nach eigener Aussage ohne jede exhibitionistische Ader das Experiment, das ein "Fenster in einen virtuellen Menschenzoo" bieten sollte. Jennifer Rigley führte es weiter, wie sie schrieb, "nicht weil ich beobachtet werden wollte oder dies brauchte, sondern weil es mir einfach nichts ausmachte, beobachtet zu werden". Trotzdem musste sie sich bald gegen Anwürfe verteidigen:

Yes, it contains sexual material from time to time. Real life contains sexual material. However, this is not a site about nudity and sexual material. It is a site about real life.

Ringley 1998

Als Ringley umzog, zogen die Kameras und die wachsende Zahl der Zuschauer mit. Die Kosten für die Bandbreite stiegen, Ringley bot daraufhin einen Dienst an, der - gegen 15 US-Dollar jährlich - die Intervalle der Bildaktualisierung von 20 auf 2 Minuten reduzierte. Kritiker sagten ihr daraufhin nach, dass sie ihren Lebensstil aus den Jennicam-Einnahmen finanzierte.

Mittwoch, den 31.12.2003 um 2:30 pm

Die Popularität der Jennicam nahm die Entwicklung der Fernsehshows vorweg, in denen Personen auf engstem Raum eingepfercht rund um die Uhr unter Beobachtung standen. Freiwillig ließ sich Ringley bei allem zuschauen, was sie tat. Und ihre Fangemeinde dankte es ihr: Fast 25.000 Beiträge der Newsgroup alt.fan.jennicam diskutierten alles, was zu sehen war. Dass ihr Freund nun wirklich nicht die beste Wahl sei - oder die neue Haarfarbe.

Mitternacht, das letzte Bild

PayPal, das die JenniCam-Beiträge verwaltete, ließ verlauten, dass die Inhalte der JenniCam wiederholt gegen die Geschäftsbedingungen der Firma verstoßen hätten. Jennifer Ringley hingegen äußerte sich zur Abschaltung nicht. Den letzten Tag in der Öffentlichkeit verbrachte sie so, als ob nichts wäre: Sie stand zur selben Zeit auf wie immer, saß vor dem Computer, aß und ging dann fort. So wie auch die Jahre vorher.