Nutzung von Tauschbörsen ging in den USA zurück

Nach einer Umfrage ist die Zahl der Tauschbörsenbenutzer im letzten Jahr fast um die Hälfte gefallen, zumindest kurzfristig könnten die Klagewellen der Musikindustrie erfolgreich gewesen sein

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Aus einer Umfrage des Pew Internet & American Life Project geht hervor, dass offenbar die Amerikaner im letzten Jahr erheblich weniger Tauschbörsen benutzt haben, um Musik kostenlos herunterzuladen. Die Zahl derjenigen Internetnutzer, die Dateien von Tauschbörsen herunterladen, ist zwischen der letzten Befragung im Frühjahr und der aktuellen im November/Dezember von 29 Prozent (35 Millionen Internetnutzer) auf 14 Prozent (28 Millionen) fast um die Hälfte zurück gegangen. Dafür verantwortlich gemacht werden die Klagewellen, die der Musikverband RIAA im Juli des letzten Jahres gestartet hatte.

Zu Beginn des Jahres hatte RIAA einen entscheidenden Prozess gegen den Internetprovider Verizon gewonnen, der sich weigerte, die Daten von Kunden, die des Tauschens von urheberechtlich geschützten Werken verdächtigt wurden, an den Musikverband ohne Gerichtsbeschluss herauszugeben. Nach dem Digital Millennium Copyright Act (DMCA) sei, so das Gericht, der Provider dazu verpflichtet. Im Juni wurde dieses Urteil von einem Berufungsgericht bestätigt, woraufhin der Verband die erste Klagewelle gegen 261 Internetnutzer startete (Die Jagd hat begonnen). Hohe Geldforderungen standen im Raum, da eine einzige Urheberrechtsverletzung durch Anbieten von Dateien im Internet bis zu 150.000 US-Dollar Schadensersatz. Manche der Beschuldigten haben daher schnell eine außergerichtliche Einigung gesucht.

Nach dem Ergebnis der Telefonumfrage, die im November und Dezember bei 1358 Internetnutzern über 18 Jahren noch vor dem neuen Urteil geführt wurde, dass das Verizon-Urteil aufhebt und für die Herausgabe von Kundendaten einen Gerichtsbeschluss fordert (Klagekampagne der Musikindustrie vorerst gestoppt), scheint neben möglichen anderen Gründen auch die Abschreckungskampagne erfolgreich gewesen zu sein - zumindest kurzfristig. Hatten noch im Frühjahr an einem beliebigen Tag 4 Prozent der Internetnutzer angegeben, sie würden Dateien herunterladen, so habe dies jetzt nur noch ein Prozent gesagt. Und ein Fünftel derjenigen, die weiterhin Dateien von Tauschbörsen herunterladen, erklärten, dass sie dies weniger oft als früher machen.

Nach Mary Madden vom Pew Internet & American Life Project habe man eine so starke Veränderung der Internetnutzung noch nie beobachten können: "Offensichtlich gibt es einen Teil der Bevölkerung", so ihre Interpretation, "der nichts mit den potenziellen Problemen eines Rechtsstreits zu tun haben will. Diese Gruppe ist sicherlich abgeschreckt worden."

Zur Bestätigung verweisen die Autoren der Pew-Umfrage auf Daten von comScore Media Metrix, die zeigen, dass die Benutzung der vier Tauschbörsen KaZaa, WinMX, BearShare und Grokster zwischen November 2002 und November 2003 zwischen 9 und 59 Prozent zurück gegangen sind. Die Unterschiede könnten aber eher darauf hinweisen, dass Tauschbörsenbenutzer schnell wechseln, wenn ein Angebot verspricht, besser zu sein. So ist zwar bei Kazaa ein deutlicher Knick im Juni festzustellen, bei den drei anderen Tauschbörsen lässt sich mit den Klagewellen jedoch kein Zusammenhang feststellen.

Zudem habe com.Score festgestellt, dass in den letzten Monaten die Benutzung von kostenpflichtigen Online-Musik-Shops wie iTunes Music Store oder Napster zugenommen habe. Neben der Abschreckung kommt also auch das steigende Angebot, Songs billiger und mit weniger Einschränkungen als bislang legal erwerben zu können. Mit zum Rückgang der Benutzerzahlen beigetragen könnte aber neben der Angst vor Strafe auch die Qualität der Dateien auf den Tauschbörsen oder der Umstand, dass der seit Napster bestehende Hype allmählich zurück geht. Und vielleicht will auch jeder am Telefon sagen, dass er weiterhin fleißig gegen das Gesetz verstößt.

Interessant ist aber auch, wer sich möglicherweise von der umstrittenen Klagekampagne hat einschüchtern lassen. Zwar ist der Rückgang bei allen festzustellen, es gibt jedoch teilweise erhebliche Unterschiede. So ist der Rückgang bei Männern und Frauen und in allen Altersgruppen etwa gleich groß - obgleich sich Männer weniger abhalten ließen -, die Weißen ließen jedoch sehr viel stärker die Finger von den Tauschbörsen als die Schwarzen oder Latinos. Seltsamerweise haben die Menschen mit dem geringsten Einkommen ihre Benutzung sehr viel stärker reduziert als die Topverdiener. Erstaunlich ist auch, dass gerade auch bei Studenten die Nutzung um mehr als die Hälfte gefallen ist.

Mitch Bainwol, der Vorsitzende von RIAA, ist natürlich überzeugt, dass die von seinem Verband mit viel Getöse gestartete Abschreckungskampagne (Die provozierten Pannen der amerikanischen Musikindustrie) erfolgreich war: "Dies sind weitere Daten, die uns deutlich machen, dass die Anklagen einen enormen Einfluss auf das öffentliche Bewusstsein von der Legalität des Herunterladens hatten." Für den Erfolg der RIAA-Abschreckungskampagne würde auch sprechen, dass nach den Pew-Umfragen der Anteil der Internetnutzer, die allgemein Dateien (Musik, Filme, Fotografien, Computerspiele etc.) tauschen, nur von 28 Prozent im Juni auf 20 Prozent im November/Dezember gefallen sind.

Allerdings bedeutet Abschreckung noch keinen Erfolg, wie ihn Bainwol sehen will. Die Menschen haben vielleicht Angst, sind aber deswegen noch nicht unbedingt davon überzeugt, dass sie ein Vergehen begehen, wenn sie Dateien tauschen oder Privatkopien herstellen (Urheberrecht nebensächlich). Erst die Einsicht, dass die Urheberrechtsgesetze und die von diesen geschützten DRM-Einschränkungen für die Käufer schützenswert und Verstöße dagegen strafwürdig sind, würde einen langfristigen Erfolg bewirken. Solange die Content-Industrie aber nur die Kontrolle über ihre Produkte verstärken und damit den Umsatz vergrößern will, aber nicht ganz marktwirtschaftlich auch den Kunden Besseres oder Günstigeres anbietet, dürfte sich die Einstellung der Menschen nicht wirklich ändern.