Punk's not dead

"Wir werden Häuser zerstören/Wir werden Brücken zerstören" - Firmenhymne erschüttert die japanischen Charts in ihren Grundfesten

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Zwar verschreckt der um fünfzig Cent bettelnde bierdosenbewaffnete junge Mann mit Parka und Irokesenschnitt keine Oma mehr und auf MTV und Viva ist der buntgefärbte Sausebraus von einst auch nur ein Party-Trottel unter all den anderen geworden. Spätestens seit dem 11.9.2001 aber, nachdem technisch beflissene und religiös befeuerte junge Herren eines Schari`a-Auslege-Kreises um den "Diplomarchitekten" (Peter Hacks) Osama Bin Laden die Twin Towers in New York einem etwas grobschlächtigen und unorthodoxen, aber spektakulären Abrissverfahren unterzogen haben, ist der Geist des Punk - ganz nach dem alten Motto: Search and destroy - wieder in aller Munde. Immer wieder seitdem schlüpfen Anhänger dieser unorthodoxen Lebensform zu den seltsamsten Anlässen in die ungewöhnlichsten Kleider, um ihre frohe Botschaft subversiv unters Volk zu bringen..

Bild: Japan Times

So hat sich etwa einer jener Jünger zur Vorweihnachtszeit am Münchner Christkindlmarkt gar als Knecht Ruprecht verkleidet, um dann einer durchaus tolldreisten Jugendlichen, die sich an seinem falschen Bart zu schaffen machte, mit seinem Metallstab eine Platzwunde zuzufügen und um der etwas fassungslos staunenden Umwelt vor seinem Abgang zuzuraunen, man "solle die Klappe halten."

Ein weiterer Höhepunkt dieser Entwicklung ereignete sich jüngst in Japan . Hier hat sich einer der praktizierenden Punk-Rocker in Gestalt eines normal aussehenden zweiunddreißigjährigen Arbeiters namens "Manzo" in eine Abriss-Firma in Yokohama eingeschlichen, nicht nur um seine Berufung zu seinem Beruf zu machen, sondern auch um seinem Lebensstil auch noch auf musikalische Art zu frönen: Die von ihm komponierte Firmenhymne (eine sogenannte: "Shaka"): "Nihon Break Kogyo Co., Shaka" wird von dem eben genannten Unternehmen nicht nur mehr frühmorgens zur Arbeiter- und Angestellten-Motivierung, auf rauschenden Betriebsfesten oder zur Untermalung ihrer Aktivitäten eingesetzt, sondern erschüttert auch die japanischen Charts in ihren Grundfesten.

Das Oricon, das zu den führenden Musikcharts des Landes der untergehenden Sonne gehört, notiert das Lied, dargeboten von einem Nihon Break Kogyo-Arbeiter, als CD-Single in ihrer Erscheinungswoche gleich auf Platz 22, nur fünf Ränge unter "No Way to Say" von Ayumi Hamasaki (der japanischen Celine Dion) und sogar fünf Markierungen über der neuen Single des südkoreanischen Daniel Küblböck namens BoA, "Rock With You". Darüber hinaus ist es das erste Mal, dass eine Firmenhymne ihren Weg von den Belegschaftsfesten in die Charts macht. Nach Aussagen Eingeweihter ist der Song indes eine ganz normale Up-Tempo-Rocknummer aus dem Japan-Pop-Universum, die sich für den Unbedarften ein bißchen wie das Titel-Thema eines Godzilla-Films anhört.

Der genuine Charme des Stücks scheint also von seinem Text herzurühren:

Wir werden Häuser zerstören/Wir werden Brücken zerstören/ Wir werden Gebäude zerstören/ Von Osten nach Westen/ Vorwärts Nihon Break Kogyo

Mal ehrlich: The Who, die Sex Pistols, Rainald Goetz und Nirvana sind da ein Dreck dagegen. Das klingt wie das Testament des Grafen von Punk-Rock höchstpersönlich. Dementsprechend wird bei Amazon Japan schon eifrig über Lied und Text gestritten.

Die Firmenweise wurde zufällig populär, nachdem sie in der Mitternachtsshow "Tamori Club" ausgestrahlt wurde. Seitdem kann sich die Firma nach Aussage des Nihon Break Kogyo-Angestellten Shogo Kuryta vor Anfragen über Internet oder Telefon nicht mehr retten: So wurde z.B. innerhalb einer Woche die Website der kleinen japanischen Firma (die aus 50 nicht festangestellten Arbeitern und 16 Angestellten besteht) 500.000 mal aufgesucht. Da blieb der Firma gar nichts mehr übrig als ihren Song als CD zu verkaufen. Überdies ist der Firmen-Hymnus in Japan als Mobil-Telephonklingelzeichen zu haben und soll auch in Kürze als Karaoke-Nummer sein zerstörerisches Werk fortsetzen. Möge sein Geist auch über die Bundesrepublik kommen und sich endlich auch am Reichstagsgebäude (und am Hause meiner Bank) zu schaffen machen.