Katalysator des Lebens

Salze der Borsäure könnten bei der Synthese präbiotischer Moleküle eine entscheidende Rolle spielen

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Die Ribonukleinsäure (RNS) ist derzeit das von vielen Wissenschaftlern favorisierte Bindeglied zwischen einer rein anorganischen Welt und zellbasiertem Leben. Weil RNS sowohl als Träger von Erbinformation als auch als Enzym fungieren und sich selbst duplizieren kann, gilt eine RNS-Welt als plausibelste Vorstufe zu vollwertigem, in Zellen organisiertem Leben. Wie aber kann RNS auf nicht-biologische Weise aus anorganischen Ausgangsstoffen entstehen? Die Untersuchungen einer US-Forschergruppe, die jetzt in Science publiziert wurden, bieten eine Teilantwort.

Bereits in den fünfziger Jahren hatten sich Stanley L. Miller und Harold C. Urey mit der Frage beschäftigt, wie aus anorganischen Stoffen Bausteine des Lebens entstehen können. Ein einfaches Experiment erbrachte verblüffende Ergebnisse: In einem Gasgemisch, das den damaligen Vorstellungen von der Ur-Atmosphäre der Erde entsprach, erzeugten sie elektrische Entladungen und erhielten nach relativ kurzer Zeit komplexe organische Moleküle wie etwa Aminosäuren.

Die von Miller und Urey angenommene Zusammensetzung der frühen Erd-Atmosphäre (Methan, Ammoniak, Wasserstoff, Wasserdampf) wurde später zwar angezweifelt. Schon frühzeitig wurde aber auch vermutet, dass die Miller-Urey-Synthese nicht zwingend auf der Erde erfolgt sein muss. Diese von Fred Hoyle bereits 1955 formulierte Theorie konnte inzwischen auch experimentell bestätigt werden: Selbst in interstellaren Staubwolken, bei Temperaturen von wenigen Grad über dem absoluten Nullpunkt können sich einfache Grundstoffe wie Wasser, Ammoniak, Methanol und Blausäure zu einer Vielzahl von Aminosäuren zusammenfügen (Überall Aminosäuren). Auf Meteoriten wurden neben Aminosäuren auch Zuckermoleküle außerirdischen Ursprungs nachgewiesen (Zucker aus dem All).

Um Zucker geht es auch in der Studie des Forschungsteams der University of Florida, Gainesville, und der University of Southern California, Los Angeles. Zucker sind biologisch wichtige Stoffe. Sie dienen als Energiespeicher oder als strukturelle Stütze für andere Moleküle. So besteht auch die RNS aus dem Zucker Ribose, an den sich jeweils die verschiedenen organischen Basen binden. Die nicht-biologische Synthese von Ribose hat daher zentrale Bedeutung für die Theorie der RNS-Welt.

Das Problem dabei ist weniger die Synthese an sich, deren Ablauf im Prinzip bekannt ist. Schwieriger war es, Bedingungen zu definieren, unter denen die entstandenen Moleküle stabil bleiben. Genau dies scheint jetzt gelungen zu sein. Die entscheidende Zutat waren Borate: Wie das von Steven A. Benner geleitete Team berichtet, bildeten die Moleküle bei Anwesenheit von Salzen der Borsäure mit diesen Komplexe und blieben bis zu zwei Monaten stabil. Ohne Borate waren sie dagegen bereits nach einer Stunde wieder zerfallen.

Die Forscher experimentierten mit den Mineralien Ulexit, Kernit und Colemanit. Borate, schreiben sie, kämen häufig in magmatischem Gestein als Turmaline vor. Eine Antwort auf die Frage, ob das Leben im All oder auf der Erde entstanden ist, erlaubt die Studie gleichwohl nicht. Die von ihnen beobachtete Reaktion, so die Autoren, könne sowohl auf der Erde als auch in interstellaren Nebeln ablaufen.