Verschollen in außerirdischen Gefilden

'Beagle 2' verpasste gestern die bisher beste Chance, auf sich aufmerksam zu machen - Auch wenn jetzt alles auf ein Scheitern des ESA-Landers hindeutet, hat die ESA den Roboter immer noch nicht endgültig abgeschrieben

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Die "Mars Express"-Muttersonde konnte auch bei dem gestrigen Tiefflug über den Roten Planeten keinen Kontakt zum verschollenen Landeroboter 'Beagle 2' herstellen (Das Schweigen der Beagle). Nunmehr sind die Chancen wieder ein Stück geschwunden, die erste europäische Mars-Mission mit Signalen von dem kleinen Raumgefährt zu krönen. So langsam gewinnen auch bei der ESA die Zweifel die Oberhand. Vor allem im ESOC-Kontrollzentrum verfinstern sich derzeit die Mienen der Projektingenieure und Wissenschaftler. Aber noch hat keiner den Lander endgültig aufgegeben. Bei der ESA übt man sich nach wie vor in Zweckoptimismus. Jetzt soll die HRSC-Kamera des Orbiters zumindest die Fallschirme und Airbags der 'Beagle 2' aufspüren.

ESOC-Kontrollzentrum in Darmstadt am 7.1.2003. Foto: ESA

Wir haben bislang immer noch nicht alle Hoffnung verloren, mit 'Beagle 2' doch noch in Kontakt zu treten. Aber wir wissen auch, dass die Sonde auf einem gnadenlosen Planeten gelandet ist.

David Southwood, der in den letzten Tagen in seiner Funktion als Wissenschaftsdirektor der ESA selten um eine optimistische Prognose hinsichtlich des Schicksals der 'Beagle-2'-Sonde verlegen war, bemühte sich auch auf der gestrigen Pressekonferenz bei der ESOC in Darmstadt immer noch, möglichst zuversichtlich zu wirken, machte dann aber aus seiner Enttäuschung keinen Hehl.

Ich muss, so befürchte ich, eine traurige Nachricht verkünden. Als wir heute die Bedingungen hatten, von denen wir dachten, sie seien sehr gut, um eine Kommunikationsverbindung zwischen Mars Express, dem Mutterschiff, und 'Beagle 2', dem Baby, herzustellen, erhielten wir kein Signal von der Oberfläche.

Doch aufgeben wolle man deswegen noch lange nicht:

Es ist nicht das Ende der Geschichte. Es gibt immer noch Gelegenheiten, in den nächsten Tagen mit 'Beagle 2' in Kontakt zu treten, und wir werden dabei unser Bestes geben.

Nicht das Ende der Fahnenstange

"Mars Express"-Projektleiter Rudolf Schmidt beschönigte gestern hingegen nichts. "Die Daten haben keinen Anhaltspunkt gegeben, dass 'Beagle' sendet." Allerdings sei das "Ende der Fahnenstange" längst noch nicht erreicht, auch wenn die Bedingungen "sehr gut" gewesen waren.

Die äquatornahe Region Isidis Planitia - Hier müsste Beagle 2 - auf welche Art und Weise auch immer - gelandet sein. Bild: Nasa

Und in der Tat - das waren sie. Große Hoffnungen in diesen Tag gesetzt hatten die ESA-Verantwortlichen vornehmlich deshalb, weil die Muttersonde "Mars Express" erstmals die Gelegenheit hatte, das vermutliche Landegebiet der 'Beagle 2' in der äquatornahen Region Isidis Planitia aus nur 315 Kilometer Höhe unter die Lupe zu nehmen. Doch nachdem um 13.15 Uhr die Muttersonde Position bezogen hatte, um den Hilferuf des verschollenen Sohnes mit Ultrahochfrequenz-Empfängern zu lokalisieren, und als auch in den folgenden zweieinhalb Stunden im "Äther" das große Schweigen herrschte und sich das kleine Landegefährt immer noch in Zurückhaltung übte, traten um 16.00 Uhr (MEZ) Prof. Southwood und seine Kollegen vor die Kameras, um die Öffentlichkeit von dem gescheiterten Versuch zu unterrichten. "Das ist noch nicht das Ende der Mission, aber es ist ein Rückschlag", gestand Southwood.

Tatsächlich sieht man aus dem europäischen Weltraumkontrollzentrum ESOC in Darmstadt überwiegend lange Gesichter. Nach wie vor fehlt vom kleinen ESA-Lander jede Spur. Alle seit dem 25. Dezember vorgenommen Kontaktierungsversuche mit Mars Odyssey und zwei Radioteleskopen schlugen fehl. Und nun scheiterte auch die erste Kontaktaufnahme mit der "Mars Express"-Muttersonde, obwohl diese über ein mit 'Beagle 2' zugeschnittenes, voll erprobtes Kommunikationssystem verfügt.

Zwar sollen bis zum 14. Januar noch fünf weitere Überflüge mit dem ESA-Orbiter erfolgen. Doch bleibe den Europäern möglicherweise nur noch die Hoffnung auf den nächsten Flug zum Roten Planeten: Die jetzige Mission könne die ESA auch viel lehren, sagte Southwood, denn: "In der Zukunft gehen wir zurück zum Mars."

Spielen bis zum Schlusspfiff

In Bezug auf 'Beagle 2' hält sich der Optimismus von Mike McKay, seines Zeichens Flight Operations Director für "Mars Express" und Ground Segment Manager des Raumfahrtkontrollzentrums ESOC in Darmstadt, indes in Grenzen:

Wir müssen davon ausgehen, dass es zerstört worden ist oder in einem Krater liegt.

Gleichwohl wollte von einem Scheitern der gesamtem Mission in Darmstadt trotzdem niemand etwas wissen. Denn angesichts des Erfolges des "Mars Express"-Orbiters, der gegenwärtig "perfekt" arbeitet und dessen Einbringung in den Orbit Projektleiter Rudolf Schmidt als "ein Triumph" feiert, blicken die ESA-Forscher insgesamt doch rosigen Zeiten entgegen. Schon im Vorfeld hatten die Wissenschaftler immer wieder betont, dass 'Beagle 2' nur einen Teil der Mission ausmache.

Seine Enttäuschung über das voraussichtliche Ende der Lande-Mission lässt der geistige Vater des ESA-Landers, 'Beagle'-Chefwissenschaftler Colin Pillinger, nur bedingt durchblicken. "Wir spielen bis zum Schlusspfiff." Weitaus nüchterner hingegen kommt indes die kurze Information über den aktuellen Missionsstatus der 'Beagle 2' auf der offiziellen Website des Landers daher. Dort ist zu lesen: Current status - 07-Jan-2004 - 15:08 GMT - No signal returned from 'Beagle 2' via "Mars Express".

April 2003: Noch voller Optimismus: Beagle-2-Chefwissenschaftler Colin Pillinger von der 'Open University' (Milton Keynes, UK). Er hat Beagle 2 ins Leben gerufen und entwickelt Foto: ESA

Nackte Zahlen und kalte Worte. Aus ihnen geht leider nicht hervor, wie es derzeit um das Seelenleben der Ingenieure, Forscher und Raumfahrtmanager, die das 'Beagle-2'-Projekt über Jahre hinweg vorbereitet und betreut haben, steht.

Kamerasuche nach Fallschirmen und Airbags

Auf der Suche nach dem Verbleib des verschollenen Raumfahrzeugs soll auch die vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof entwickelte gerade mal 20 Kilogramm schwere Stereokamera HRSC (High Resolution Stereo Camera) zum Einsatz kommen, mit der die Mars-Planetenoberfläche dreidimensional und in Farbe abgebildet werden soll. Da die räumliche Auflösung der Stereobilder bisherige topographische Daten der Marsoberfläche bei weitem übertrifft, kann die Kamera Details mit einer vertikalen Genauigkeit von 10 bis 40 Meter "in 3-D" analysieren. Zusätzlich enthält das Aufnahmegerät ein ultrahochauflösendes Teleobjektiv. Mit diesem "Super Resolution Channel (SRC)" ist die Abbildung von zwei bis drei Meter großen Objekten möglich. Damit lassen sich beispielsweise Felsbrocken in der Größe einer Garage sowie Sedimentschichten erkennen.

Auch wenn die Kamera bei weitem noch nicht sensibel genug ist, um die gerade mal Autoreifen große 'Beagle-2'-Kapsel zu lokalisieren, so ist dennoch vorgesehen, die HRSC-Kamera bei der Spurensuche nach der verschollenen Sonde einzusetzen. Während nämlich der "Mars Express"-Orbiter den vermuteten Landeplatz des Roboters überfliegt, soll die hoch auflösende Farbkamera nicht nach dem Landegefährt selbst, sondern nach den weitaus größeren Fallschirmen und Airbags Ausschau halten, die bei der Landung eingesetzt wurden, um den Aufprall abzumildern.

Fände der Orbiter beispielsweise den geöffneten Hauptfallschirm oder gar Reste der Airbags, so könnte dies ein Indiz dafür sein, dass 'Beagle 2' möglicherweise auf dem Roten Planeten halbwegs sanft aufgesetzt hat. Mehr aber auch nicht.