Hatte Freud doch recht?

Woran wir uns nicht erinnern wollen, scheint verloren zu gehen

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Sigmund Freud sagte: "Ereignisse, die als Schicksalsschläge empfunden werden, werden supprimiert." Diese Theorie bezog sich auf ein schicksalhaftes Geschehen mit seinen Nachwirkungen und das anschließende Ausblenden der Erinnerung. Michael C.Anderson von der University of Oregon und Mitarbeiter von der Stanford University haben in Science erste Untersuchungen vorgelegt, die solch einen Mechanismus möglich machen. Ob damit jedoch wirklich, wie die Autoren behaupten, eine "biologische Basis für Verdrängung, wie sie Sigmund Freud vorschlug" gelegt wurde, ist eher zweifelhaft.

Ihre Methode beruhte auf der Befragung von Versuchspersonen verbunden mit der funktionellen Magnetresonanztomographie. Die Versuchspersonen sollten versuchen, Gelerntes wieder aus dem Bewusstsein zu löschen - und waren erfolgreich. Allerdings ging es nicht um traumatische Ereignisse, sondern um harmlose Wortpaare.

Die Befragung orientierte sich nach dem so genannten Think/No-Think-Paradigma. Dazu werden die Probanden mit 40 Wortpaaren trainiert. Beispielsweise gehört zu "ordeal" (Feuerprobe) das völlig divergierende "roach", die Küchenschabe. Weder der Stimulus noch der Response hat eine Beziehung zueinander, auch standen die benutzten Worte selbst in keiner Wechselwirkung.

In dieser Anordnung hat Michael Anderson bereits im Jahr 2001 in Nature ausprobiert, ob unerwünschte Erinnerungen durch bewusste Kontrolle ausgeschlossen werden können.

Die Versuchsteilnehmer werden mit Wortpaaren konfrontiert. Jedes Mal wird der Stimulus für 200 msek vorgeführt, gefolgt von einem Wort, das für 4 mSek angezeigt wird und vergessen werden soll. Anschließend wird das Intervall für 400 mSek unterbrochen, und es erfolgte die nächste Prüfung.

Die Erinnerungsfähigkeit für die Wortpaare wird auf zweierlei Weise geprüft. In der selben Probe wird das Ursprungswort ("ordeal") angezeigt, damit der Proband das Lösungswort ("roach") sagen kann (Identische Probe). In dem unabhängigen Worttest erscheint stattdessen die Bezeichnung der Kategorie (Insekt), die ein Maß für den Test ist (Unabhängige Probe). Soweit die Kurzerklärung für diese Befragung.

Die Verbindung zwischen präfrontalem Gehirn und Hippocampus wird durch die Antworten diktiert (Bilder: M. Anderson)

Zeitgleich erfolgt die funktionelle Magnetresonanztomographie.

Während das Gehirn die Unterdrückung nachweist, werden sowohl die Ergebnisse der Suppressionstests wie auch die Antworten ohne Unterdrückung des Gedächtnisses aufgezeigt. Im Falle der Suppression (bewusste Unterdrückung) findet sich in der präfrontalen Region die Aktivierung der Hirnströme. Auch wenn unterschiedliche Areale verschieden reagieren, wird deutlich, dass die motorische Funktion ganz offensichtlich blockiert ist. Die große Menge der präfrontalen Abschnitte, die davon betroffen sind, verrät, dass die Unterdrückung ein aktiver Prozess ist: die Kontrollfunktionen werden bewusst unterdrückt, namentlich der Motor auf die Antwort.

Ganz anders der Verlauf im Hippocampus. Hier reduziert die Unterdrückung offensichtlich die Erinnerungsfunktion. Dabei scheint der Erinnerungsstatus (vergessen versus sich erinnern) und der Impressionstyp (Unterdrückung versus Erwartung) im rechten Hippocampus zu liegen. Je mehr die Erinnerung blockiert wird, um so größer ist auch die Blockade des Hippocampus. Aber auch für die Vergesslichkeit ergeben sich eindeutig niedrigere Aktivitäten.

Bei der Suppression wird die Hippocampus- Formation inaktiviert, und die präfrontalen Gehirnaktivitäten werden stimuliert

Folglich sorgt das Wiederfinden der Erinnerung für einen Prozess, in dem die Aktivität im Hippocampus zunimmt und die Unterdrückung im präfrontalen Gehirn unterschiedlich beantwortet wird. Damit wird ein Netzwerk deutlich, das sowohl die Wahrnehmung als auch die Erinnerungsfunktion beeinflusst.

In der Summe erlaubt dieser Prozess jedoch eine komplette und langanhaltende Amnesie für die Erinnerung unerwünschter Ereignisse. Damit verbunden ist das Vergessen eines unterdrückten, also nicht erwünschten Geschehens. Folglich handelt es sich um den ersten neurobiologischen Beweis, der das bewusste Unterdrücken des Gedächtnisses nachstellt. Das ist jedoch noch nicht unbedingt ein Beweis für jene These von Freud, bei der sich die Verdrängung zwischen Vor- und Unbewusstem abspielt.