Geschäfte im "weltweit größten Gefängnis" für Internetnutzer

Keiner der Chefs großer IT-Unternehmen, die nach Ansicht von "Reporter ohne Grenzen" mit ihren Produkten direkt die Internetkontrolle unterstützen oder vor ihr die Augen verschließen, hat auf einen Appell der Organisation reagiert

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Internetzensur und Unterdrückung der Meinungsfreiheit ist in China trotz mancher Annäherung an den Westen und einem explodierenden Internet noch immer gang und gäbe. Zwar wurde im Dezember kurz vor dem Besuch von Bundeskanzler Schröder die wegen einiger Kommentare in Chaträumen seit einem Jahr in Haft befindliche Psychologiestudentin Liu Di zusammen mit zwei weiteren Cyberdissidenten entlassen. Doch immer noch befinden sich noch mindestens 40 Personen in Haft, alleine im November wurden 8 Menschen wegen ihrer politischen Äußerungen im Internet mit Haftstrafen bis zu zehn Jahren verurteilt.

Für Internetnutzer sei China das "weltweit größte Gefängnis", sagt die Organisation Reporter ohne Grenzen. Im Dezember wurde beispielsweise der Arbeiter Kong Youping festgenommen, weil er einige Artikel und Gedichte auf einer ausländischen Website veröffentlicht hat, in denen er u.a. für das Ende der Korruption und für die Freilassung von Liu Di eingetreten isr. Und am 20 Dezember wies das Oberste Gericht in Peking eine Berufungsantrag für He Depu ab, der im November wegen der Veröffentlichung von "Artikeln, die zur Suversion aufrufen", zu 8 Jahren Gefängnis verurteilt worden ist. Um Menschen wegen ihrer abweichenden politischen Meinung verhaften und hart bestrafen zu können, wird der Internetzugang scharf überwacht (China macht das Netz dicht) und der Zugang zu bestimmten Seiten im Ausland gesperrt (Gefiltertes Internet für China).

Zur Internetüberwachung werden aber nicht nur aus dem Westen stammende Technologien gekauft und eingesetzt, auch die Unternehmen, die mit dem boomenden Internetmarkt ihre Geschäfte machen wollen, mussten 2002 eine schriftliche Selbstverpflichtung unterzeichnen. Sie müssen unter Strafandrohung selbst die Inhalte kontrollieren, da "keine schädlichen Dokumente oder Informationen, die die nationale Sicherheit oder die gesellschaftliche Stabilität gefährden, Gesetze oder Regeln verletzen, falsche Informationen, Aberglauben oder Obszönität verbreiten könnten, hergestellt oder verteilt werden" dürfen. Viele westliche Unternehmen unterzeichneten bereitwillig diese Selbstverpflichtung, was Reporter ohne Grenzen scharf kritisierte. Die Organisation forderte die Unternehmen auf, zumindest die Zensur nicht selbst auszuführen (Reporter ohne Grenzen kritisieren Yahoo).

Im Dezember des letzten Jahres versuchte die Organisation noch einmal einen Appell an die westlichen Unternehmen zu richten, die entweder direkt Produkte nach China verkaufen, mit denen sich Internetnutzer überwachen lassen, um sie zu verfolgen, oder die die Augen vor der Repression im Internet verschließen. Die Organisation schickte an die Chefs von Cisco Systems, Microsoft, Intel, Thomson, Nortel, Hewlett-Packard, Logitech, NEC, Samsung, Sun, IBM, Yahoo und Alcatel Briefe, in denen die Verantwortung der Unternehmen für die Verfolgung im Internet dargelegt wurde. Sie wurden aufgerufen, sich bei der Regierung für größere Freiheit im Internet einzusetzen und bei ihren Geschäften die Repression im Land berücksichtigen (Chinas Kampf mit der Freiheit im Internet).

Wie zu erwarten, hatte dieser Appell - zumindest bislang - keinen Erfolg. Am 5. Januar meldete Reporter ohne Grenzen, dass sich keiner der angesprochenen Unternehmenschefs die Mühe zu antworten gemacht habe. Jetzt ruft die Organisation, die auch für einen Boykott der Olympischen Spiele 2008 in China wegen der Verletzungen der Menschenrechte eintritt, die Medien dazu auf, die Unternehmenschefs unter Druck zu setzen, damit sie erklären, warum sie nicht antworten wollen.