Der Irak-Krieg war unnötig, der globale Krieg gegen den Terrorismus unrealistisch

Auch aus Militärkreisen kommt nun scharfe Kritik an der Politik der Bush-Regierung

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Während die Bedenken gegenüber der Wirtschaftspolitik der Bush-Regierung zunehmen, andere wie der kanadische Ministerpräsident Paul Martin und der mexikanische Präsident Vicente Fox davor warnen, dass die Sicherheitspolitik der USA den freien Handel gefährde, wächst auch die Kritik gegenüber dem von Bush ausgerufenen "Krieg gegen den internationalen Terrorismus" und gegen den Irak-Krieg als dessen Bestandteil ("Der Krieg war nicht die beste und nicht die einzige Option"). Nun kommt zur politischen Kritik auch noch Kritik von militärischer Seite. Eine vom Army War College veröffentlichte Studie über den globalen Krieg gegen den Terrorismus lässt nahezu kein gutes Haar am Vorgehen der Bush-Regierung.

Schon die ersten Zeilen machen deutlich, dass der Autor der Studie auch aus ganz pragmatischen, aber durchaus machtstrategischen Gründen den Ansatz der Bush-Politik für verfehlt hält: Damit scheint nun auch in den USA politisch und militärisch erstmals eine umfassendere Diskussion über das geeignete Vorgehen gegen den Terrorismus zu beginnen, die unter dem Eindruck der Anschläge vom 11.9. und dem schnellen Entschluss der Bush-Regierung, den Terror militärisch niederschlagen zu wollen und dabei auch durch den Sturz von Regierungen die Welt neu zu ordnen, nicht zum Zuge kommen konnte.

Nach den Terroranschlägen von al-Qaida am 11.9. 2001 erklärte die US-Regierung einen globalen Krieg gegen den Terrorismus (GWOT). Die Art und die Parameter dieses Kriegs bleiben jedoch frustrierend undeutlich. Die Regierung hat eine Menge unterschiedlicher Feinde wie Schurkenstaaten, Verbreiter von Massenvernichtungswaffen, Terrororganisationen im globalen, regionalen und lokalen Maßstab und den Terrorismus selbst postuliert. Sie scheint diese auch zu einer monolithischen Bedrohung aufgebläht zu haben und hat dadurch strategische Klarheit der moralischen Klarheit unterworfen, die sie in der Außenpolitik verfolgt, sowie möglicherweise die USA auf einen Kurs von endlosen und überflüssigen Konflikten mit Staaten und nichtstaatlichen Organisationen gebracht, die keine ernsthafte Bedrohung für die USA sind.

Jeffrey Record, der Autor der Studie, war im August 2003 Gastprofessor am Strategic Studies Institute und lehrt am Department of Strategy and International Security Air War College in Montgomery, Alabama. Record hat allerdings Nähen zu Demokraten wie dem ehemaligen Senator Nunn gehabt, bei dem er gearbeitet hat, als dieser den Vorsitz des Militärausschusses innehatte. Er habe aber auch gegenüber der Clinton-Regierung kritische Arbeiten geschrieben. Da seine Studie aber ganz offiziell in der Schriftenreihe des Strategic Studies Institute erscheinen ist und dessen Direktor, Douglas Lovelace, in seinem Vorwort sich in keiner Weise von dem Inhalt distanziert, scheint Record auch nicht alleine zu stehen. Auch der Kommandant des Army War College hatte der Veröffentlichung zugestimmt.

Hoffnungslose Suche nach absoluter Sicherheit

Record kritisiert vor allem die falsche Verbindung von al-Qaida und dem Hussein-Regime, die die Bush-Regierung vorgenommen hat. Das sei ein "Fehler ersten Ranges" gewesen, weil damit die Unterschiede zwischen beiden im Hinblick auf die Bedrohung und die Möglichkeit zu ihrer Bekämpfung verwischt wurden: "Das Ergebnis war ein unnötiger Präventivkrieg", sagt Record, "der eine neue Front im Nahen Osten für den islamischen Terrorismus geschaffen und die Ressourcen vom Schutz des amerikanischen Landes vor einem weiteren Anschlag der nicht abzuschreckenden al-Qaida abgezogen hat". Regimewechsel könne man auch ohne militärische Gewalt erzwingen, die USA hätten "beträchtliche Erfahrung" darin, beispielsweise mit "verdeckten Operationen".

Den Krieg gegen den Irak war ein Abweg vom eigentlich Ziel des GWOT. Überdies habe die Bush-Regierung den GWOT mit zu vielen Zielen befrachtet:

Die meisten der erklärten Ziele des GWOT, zu denen die Zerstörung von al-Qaida und anderen transnationalen Terrororganisationen, die Umwandlung des Irak in eine blühende und stabile Demokratie, die Demokratisierung des Rests des autokratischen Nahen Ostens, die Vernichtung des Terrorismus als Mittel einer irregulären Kriegsführung und die - notfalls mit Gewalt durchgeführte - Beendigung der Weitergabe von Massenvernichtungswaffen an wirkliche und mögliche Feinde weltweit, sind unrealistisch und verdammen die USA zu einer hoffnungslosen Suche nach absoluter Sicherheit. Auf eine solche Weise sind die Ziele des GWOT sowohl politisch als auch finanziell und militärisch nicht zu erreichen.

Der GWOT verspricht mehr, als er leisten kann, weswegen er den strategischen Interessen und vorhandenen Möglichkeiten der USA angepasst werden müsse. Die Hauptregel einer jeden Strategie sei es, die Zahl der Feinde beherrschbar zu halten.

Zunächst einmal sollte die permanente Warnstufe heruntergefahren werden, die die US-Regierung innenpolitisch benötigt, um den von ihr betriebenen GWOT durchzuhalten. Wichtig sei es, eine glaubwürdige Abschreckungspolitik gegenüber Staaten zu finden, die sich mit Massenvernichtungswaffen aufrüsten. Operation Iraqi Freedom habe, neben anderen Problemen, gerade die Konflikte mit dem Iran und Nordkorea verstärkt. Record verweist auf den Iran als Beispiel für eine falsche Politik der US-Regierung, die jetzt auf gefährliche Prävention setzt, um Staaten abzuhalten, Massenvernichtungswaffen zu erwerben, während Record eher eine klassische Abschreckungsstrategie vorzuschweben scheint:

Das iranische Interesse an Nuklearwaffen begann unter dem Schah und wurde ausgelöst durch eine feindliche Atommacht im Norden (die Sowjetunion), einen Staat, der eine Atommacht werden wollte, im Westen (Irak) und einen weiteren im Osten (Pakistan). Dazu nehme man ein mit Nuklearwaffen aufgerüstetes Israel und eine Geschichte der Gewalt, der Instabilität und des Krieges in der Region, sowie später eine Erklärung der USA, dass der Iran "böse" ist, dann hat man eine absolut verständliche Erklärung für den iranischen Wunsch nach Atomwaffen.

Auch die Supermacht USA kann das Böse nicht ausrotten

Am wichtigsten sei jedoch, sich wieder auf den Kampf gegen al-Qaida und deren Verbündete sowie den Schutz der USA zu konzentrieren. Für den Krieg seien bereits 150 Milliarden Dollar bewilligt oder angefordert worden, der Heimatschutz habe nur 90 Milliarden für eine 5-Jahres-Periode erhalten . Terrororganisationen wie al-Qaida müsse man primär mit Geheimdiensten und Polizei bekämpfen.

Im Irak sei es wichtiger, Stabilität - beispielsweise auch durch eine "friendly autocracy" wie in Riad, Islamabad oder Kairo - einzuführen, als eine Demokratie aufzubauen, wenn eine solche Entscheidung unumgänglich würde, überdies sollte man die Zukunft des Irak der internationalen Gemeinschaft überlassen. Eine internationale UN-Truppe würde nicht nur die USA von Verantwortung entlasten, sondern auch von Kosten und Opfern. Rumsfelds "Transformation" des Militärs kommt ebenfalls nicht gut davon. Im Augenblick, da über 370.000 Soldaten oder ein Drittel des Militärs im Ausland stationiert oder im Einsatz sind, sei es bis an die Grenze oder darüber belastet. Man brauche nicht nur eine Hightech-Truppe, sondern vor allem auch mehr Bodentruppen, um tatsächlich nach einem gewonnenen Krieg auch zu dem gewünschten Ergebnis zu kommen.

Insgesamt ruft der Militärstratege zu einer pragmatischen Machtpolitik auf, die weniger auf Ideologie und demonstrierte Macht, denn auf Effizienz setzt. Und dabei müsste man auch die politischen Ziele der Wirklichkeit anpassen und auf die apokalyptisch unterfütterte Politik verzichten, dazu berufen zu sein, das Böse aus der Welt zu vertreiben:

Die USA können wahrscheinlich al-Qaida besiegen oder sogar vernichten, aber sie können die Welt nicht vom Terrorismus befreien, geschweige denn vom Bösen.