Kontrolle über Internetzugänge

Auf Kuba wird der Internetzugang neu organisiert, das Gesetz sieht vor, private Zugänge nur noch über Prepaid-Cards zu ermöglichen

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Die Meldung der BBC ließ keine Interpretation zu: "Cuba weiter von Cyberspace isoliert", berichtete ein Korrespondent des Britischen Mediennetzwerkes am vergangenen Samstag. An diesem Tag hatte das kubanische "Ministerium für Informatik und Kommunikation" (MIC) eine Neustrukturierung des Internet im sozialistischen Inselstaat angekündigt: Die User sollen künftig nicht mehr die staatlichen Telefonleitungen nutzen können. Dabei wurden die Verbindungsgebühren bislang preisgünstig in kubanischen Pesos abgerechnet. In Zukunft sollen private Anschlüsse jedoch nur noch über die teureren Dollarleitungen laufen. Ein Dollar entspricht derzeit rund 27 kubanischen Pesos. Die spanische Nachrichtenagentur EFE zitierte eine Erklärung des MIC, der zufolge mit der Neustrukturierung der Internetzugänge auf Kuba "der Missbrauch von Zugangscodes" verhindert werden soll. Das neue Gesetz wird am 24. Januar in Kraft treten.

Tatsächlich hatte sich auf Kuba in den vergangenen Jahren ein wahrer Schwarzmarkt mit dem Internet entwickelt. Mitarbeiter staatlicher Institutionen verkauften ihre persönlichen Zugangscodes zunehmend an zahlungskräftige Kunden, meist ausländische Studenten oder Geschäftsleute. Die Gebühr dieser Zugänge bewegte sich mit monatlich rund 50 US-Dollar deutlich unter dem Angebot der staatlichen Telefongesellschaft ETECSA.

Nun soll mit dem ausufernden Geschäft Schluss sein: Internetzugänge soll es nur noch an den Arbeitsplätzen geben. Durch die ausschließliche Nutzung reservierter Datenleitungen werden sich aber auch die privaten Benutzer besser zurückverfolgen und Missbrauch im Sinne der Regierung umgehender feststellen lassen. Die alleinige Deutung der Maßnahme als "verschärfte Kontrolle der Internetzugänge" (Spiegel Online) ist jedoch wohl zu kurz gegriffen. Die kubanische Regierung versucht mit dem Schritt zumindest auch dem kreativen Vermarktungssinn der Kubanerinnen und Kubaner entgegenzuwirken und den Verkauf von staatlichen Anschlüssen zu verhindern, die sie für bestimmte Gruppen zur Verfügung gestellt hat. Das Paradox ist, dass Havanna damit Opfer der eigenen Politik wird.

Computre und Internet für Bildungsprogramme

Zum ersten Mal wurde die neue Informationstechnologie auf dem V. Kongress der Kommunistischen Partei Kubas 1997 thematisiert. Das Land, so hieß es in der Resolution des Parteitages, solle "durch ein integrales Programm, in dem technologische, finanzielle und intellektuelle Ressourcen Berücksichtigung finden, auf dem Weg der Modernisierung durch Informationstechnologien weiter fortschreiten". Zehn Jahre zuvor hatte Staatschef Fidel Castro mit der Gründung der "Jugend-Computerclubs" den Weg zur landesweiten Erschließung mit der neuen Informationstechnologie gegeben. Binnen weniger Monate wurden 156 dieser Zentren in fast ebenso vielen Gemeinden eröffnet. Bis heute sind in den "Jóven Clubs" fast 500.000 Jugendliche im Umgang mit Computer und Internet geschult worden. Insofern war die kubanische Bevölkerung gut vorbereitet, als das Land 1995 ans Internet angeschlossen wurde (Surfing Cuba).

Um die Planung des Internet auf Kuba zu erleichtern, rief der Ministerrat Kubas Mitte Januar 2000 das Informatikministerium ins Leben. Das MIC fasst seither vier Planungs- und Kontrollbehörden zusammen. Im Ausbau des Internet wurden damals acht Arbeitsschwerpunkte festgelegt, die bis heute Gültigkeit haben: "Bevölkerung allgemein, Gemeinden, Regierung, Industrie, Digitalisierung von Datenbeständen, Infrastruktur, Jugend-Computerclubs und Bildung". Ein Schwerpunkt im Ausbau der modernen Kommunikationsmedien lag auf Kuba von Beginn in der Vernetzung mit Bildungsprogrammen. So werden bis heute vorzugsweise Schulen und Universitäten mit Computern ausgestattet.

Schlittern zwischen scharfer Kontrolle und Zugang zum Netz

An den Zugängen in Schulen, Universitäten, Journalisten- und wissenschaftlichen Büros wird sich durch das neue Gesetz kaum etwas ändern. Beibehalten werden nach Angaben eines Mitarbeiters des Informatikministeriums auch die Zugänge für wissenschaftliches Personal. Ärzte, Journalisten und forschendes Personal wissenschaftlicher Institutionen gehörten bislang zu den privilegierten Gruppen, die einen Internetzugang von zu Hause aus nutzen konnten. Fortan werden sie nur noch vom Arbeitsplatz aus surfen können. Nach Angaben der BBC ging die Regierung in Havanna zuletzt (bei 60.000 gemeldeten Usern) von 40.000 illegalen Zugriffen aus. Der Verkauf von ausgegebenen Zugangscodes ist damit nicht mehr möglich, weil diese Daten zentraler verwaltet werden. Wer trotzdem von zu Hause aus surfen kann, wird Prepaid-Cards erwerben können. Sie waren bislang ausschließlich für Ausländer käuflich. Zugleich kündigte das MIC an, den kostenfreien Zugang zu Email-Konten auszubauen. Entsprechende Stationen werden seit gut zwei Jahren in den öffentlichen Postbüros des Landes eingerichtet.

Online können US-Zeitungen in den Universitäten durchaus gelesen werden, gesperrt sind hingegen die Seiten derjenigen Organisationen, die von Havanna wie die Kubanisch-amerikanisch Nationalstiftung als "terroristisch" eingestuft werden. Allerdings ist es bis heute für Kubanerinnen und Kubaner nicht möglich, selbst Computer zu kaufen. Der Grund der Verkaufssperre für internetfähige Hardware ist auch, dass regierungsfeindliche Gruppen keine eigenen Informationsnetzwerke aufbauen können, was unmittelbar auch mit dem politischen Konflikt mit den USA zu tun hat.

Amnesty International hat das neue Internetgesetz scharf kritisiert: "Die neuen Maßnahmen, die eine nicht-offizielle Internetnutzung begrenzen und behindern, stellen einen weiteren Versuch dar, den Zugang der Kubaner zu anderen Meinungen und die Diskussion über diese zu blockieren. Dieser Schritt, der nach der letztjährigen Verfolgung von 75 Aktivisten, die ihre Meinung freidlich äußerten, gibt den Behörden eine weitere Möglichkeit, Dissidenten zu unterdrücken und Kritiker zu bestrafen."

Die Regierung in Havanna hatte die Festnahme von über 70 Regierungsgegnern im vergangenen März damit begründet, dass sie "konterrevolutionäre Propaganda" verbreitet hätten. Zwar war es für die Gegner der Regierung Castro nicht möglich, sich über das kubanische Telefonnetz ins Internet einzuwählen, allerdings erhielten die Mitarbeiter regierungskritischer Onlinemedien wie Cubanet über die Vertretung der USA in Havanna die Möglichkeit, ihre Berichte zu versenden. Die Festnahmen und anschließenden teils langjährigen Haftstrafen lösten massive Proteste gegen die Regierung in Havanna aus.

Die kubanischen Behörden berufen sich auf das 1999 verabschiedete Gesetz Nummer 88. Es war Teil eines Gesetzespaketes, mit dem regierungsfeindliche Kräfte bekämpft und die kubanische Wirtschaft geschützt werden soll. Das Gesetz 88 über den "Schutz der nationalen Unabhängigkeit und Wirtschaft von Kuba" sah Haftstrafen von bis zu 20 Jahren für eine Reihe von Delikten vor, darunter die Weitergabe von Informationen an die US-Regierung, Besitz, Weitergabe oder Vervielfältigung von durch die US-Regierung oder andere ausländische Stellen produzierten Schriften sowie Formen der Kollaboration aller Art mit ausländischen Radiostationen, Fernsehsendern, der Presse oder sonstigen Medien im Ausland, "die dem Zweck dienen, Kuba zu destabilisieren und den sozialistischen Staat zu zerstören". Das Gesetz wurde mit einer Verschärfung der antikubanischen Politik Washingtons begründet. Zuletzt forderte US-Präsident George W. Bush am Montag einen "schnellen friedlichen Übergang zur Demokratie auf Kuba", da Diktaturen keinen Platz in Südamerika hätten (In der Hand Miamis). Diese indirekte Drohung dürfte in Kuba nicht zu einer Liberalisierung der Informationspolitik beitragen.