Internetnutzer sind leichtgläubig, schauen weniger Fernsehen und gehen mehr sozialen Aktivitäten nach als Nichtnutzer

Die neuen Ergebnisse des World Internet Project weisen auf erstaunliche Unterschiede in verschiedenen Ländern hin

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Das Internet ist spätestens seit Ende der 90er Jahre zumindest in den reichen Industrieländern, die sich zu Informationsgesellschaft verwandelt haben, zu einem Massenmedium geworden. Es unterscheidet sich zwar vor allem durch die vielfältigen interaktiven Möglichkeiten von den herkömmlichen Massenmedien, die Nutzung ist aber inzwischen breit in der Bevölkerung gestreut. Den typischen Internetnutzer als eine leicht identifizierbare gesellschaftliche Gruppe gibt es nicht mehr, wenn es ihn denn jemals so gegeben hat, auch wenn zu Beginn das Internet sicherlich weitgehend von Studenten und Akademikern genutzt wurde. Als Massenmedium greift das Internet in die Gesellschaft ein und verändert das Alltagsleben - und das trotz gleicher Technik nicht gleichförmig in allen Kulturen. Das ist wohl das Hauptergebnis des neuen Berichts des World Internet Project.

Das World Internet Project wurde noch in der Zeit des Internetbooms 1999 am UCLA Center for Communication Policy gegründet, um - mit Geldern von Unternehmen wie AOL, Microsoft, Hewlett-Packard, Sony, Verizon oder National Cable Television Association - herauszufinden, wie das Internet die "gesellschaftlichen, politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Verhaltensweisen bei Internetbenutzern und Nicht-Nutzern" beeinflusst. Jährlich sollen mit internationalen Partnern in unterschiedlichen Ländern Befragungen mit dem Ziel durchgeführt werden, die durch das neue Medium verursachten Veränderungen während der Zeitspanne einer ganzen Generation mitsamt der Unterschiede in verschiedenen Kulturen zu erfassen (Wie verändern Computer und das Internet die Welt?).

Nach dem neuen Bericht des UCLA World Internet Project, für den Umfragen in 14 Ländern (Deutschland, Großbritannien, Italien, Macau, Japan, Schweden, Singapur, Spanien, Südkorea, Taiwan, Ungarn, USA) durchgeführt wurden, scheint es beispielsweise eine digitale Kluft zwischen der Zahl der Frauen und Männer zu geben, was die Benutzung des Internet betrifft. Das Internet ist noch immer eher eine Männerdomäne, allerdings ist diese Geschlechterkluft von Land zu Land höchst unterschiedlich (wobei freilich die Vergleichbarkeit der Ergebnisse in den einzelnen Ländern schon darunter leidet, dass in dem einen Personen ab 12 Jahren oder in dem anderen nur Erwachsene befragt wurden oder dass auch die Befragungszeit zwischen 2001 und 2003 variiert). Insgesamt nutzen 8 Prozent mehr Männer als Frauen das Internet. In Schweden (67,7/64,4), den USA (73,1/69), Taiwan (25,1/23,5) und Ungarn (20,3/15,1) ist die Differenz am geringsten, Deutschland (50.4/41,7) liegt bereits über dem Durchschnitt. In Italien (41,7/21,5) oder Spanien (46,4/27,2) lässt sich auf jeden Fall von einer "digitalen Kluft" sprechen, die größer ist als in Südkorea (67,8/53,8), Singapur (47,2/34) oder Makau (37,8/28,8).

Da die Zeit der Menschen nicht mehr wird, muss eine verstärkte Internetnutzung auf Kosten anderer Aktivitäten (oder auch des Schlafes) gehen. Nach der Umfrage lässt sich feststellen, dass der Fernsehkonsum in allen Ländern davon betroffen ist. Wie weit solche Zahlen zuverlässig sind, ist eine andere Frage, zumindest hat der Fernsehkonsum nach den Befragten wöchentlich um durchschnittlich 5,2 Stunden für Internetnutzer abgenommen, am meisten in Chile oder Ungarn. Interessant wäre natürlich hier ebenso wie bei der Geschlechterdifferenz im Hinblick auf die Internetnutzung, warum dies in dem einen Land so und in dem anderen Land anders ist. Weltweit, so Jeffrey Cole, der Direktor des UCLA Center for Communication Policy, wird die Internetzeit vom Fernsehkonsum abgezapft: "Wir beobachten eine riesige Veränderung des Verhaltens, das wir gerade erst zu erforschen beginnen."

Erstaunlich ist auch, dass mittlerweile ein beachtlicher Teil der Internetnutzer davon auszugehen scheint, dass die Informationen im Internet auch verlässlich sind. Die Hälfte der Befragten sagte, dass die Informationen immer oder meistens verlässlich und genau seien. Südkoreaner scheinen dabei dem Internet am meisten zu trauen, auch die Amerikaner sind wenig skeptisch. Hier sagen lediglich 7,1 Prozent, dass keine oder nur einige Informationen vertrauenswürdig seien. Am skeptischsten sind die Schweden (36) und die Japaner (25,3), gefolgt von Deutschland (18,5) und Singapur (18,3).

Angeblich verbringen Internetnutzer in allen Ländern auch mehr Zeit mit sozialen Aktivitäten (Treffen mit Freunden, Sport ...) als Nichtnutzer. Normalerweise sollen sie auch mehr Bücher lesen, was nur in Deutschland und den USA nicht zutrifft. Und noch ein erstaunliches Resultat bietet der Bericht. Zwar sei die Internetnutzung beim reichsten Viertel der Bevölkerung am höchsten, während beim ärmsten Viertel durchschnittlich nur 20 Prozent das Internet nutzen. Ungarn (1,6) und Italien (10.6) stellen dabei Negativrekorde auf. Das scheint in Schweden, Südkorea und den USA schon ganz anders zu sein, wo fast die Hälfte der Ärmeren auch Zugang zum Internet besitzt. Deutschland liegt mit 27,8 Prozent ein wenig über dem Durchschnitt, auch wenn hier die digitale Kluft noch sehr deutlich ist.

Aber Umfragen haben es an sich, dass man nicht allem trauen kann, was die Befragten sagen, zudem hängen die Ergebnisse von den Fragestellungen ab. Dem Kommentar von Andrew McKay kann man daher nur zustimmen:

So what does this tell us? Not much, I'm afraid. The idea of a socially-adjusted, well-exercised, all-believing, non-TV watching society is pretty far-fetched to begin with; the concept that heavy Internet users are any better off than our brethren is hard to swallow. I should know: I'm online about 17 hours a day. I don't believe anything I read, I haven't exercised in 7 months, and I have trouble hailing a cab in public, let alone being friendly and social. No, I think our best learning is this: never trust anyone who's willing to tell you their Web surfing habits.