Gestochen scharf und beeindruckend dreidimensional

ESA veröffentlichte gestern das erste offizielle HRSC-Bild des Mars-Express-Orbiters und zugleich das erste 3D-Bild dieser Größenordnung von der Oberfläche des Mars in hoher Auflösung

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Die erste und bislang einzige HRSC-Aufnahme hat die ESA inzwischen freigegeben. Sie entstand am 14. Januar in 275 Kilometern Höhe. Das Bild zeigt einen Teil des Valles Marineris, einem riesigen Canyon-System, weit größer als der Grand Canyon. Das Grabensystem entstand vor Milliarden von Jahren vermutlich unter der gewaltigen Erosionskraft von großen Mengen Wasser. Das kleinste Detail hat eine Auflösung von nur 12,5 Metern. Noch nie wurde der Mars so hochauflösend, in Farbe und in 3D aufgenommen. Der untere computergenerierte Teil des Bildes zeigt den selben Ausschnitt aus der Perspektive eines niedrig fliegenden Flugzeugs.

Der Rote Planet muss sich noch ein wenig gedulden. Bis ihm die ersten echten Marsmenschen die Aufwartung machen, bis erstmals Abgesandte des Homo sapiens sapiens den fremdartigen, rötlichen marsianen Sandstaub per pedes aufwirbeln, werden trotz aller jüngsten Lippenbekenntnisse für eine "baldige" bemannte Mission zum Mars garantiert noch viele Marsjahre durchs Sonnensystem ziehen. Immerhin haben aber inzwischen die seit Jahren im Marsorbit operierenden NASA-Satelliten und Robotersonden den Weg zum Roten Planeten in punkto Wissenszuwachs geebnet.

Nunmehr ist der Mars-Express-Orbiter der Europäischen Raumfahrtagentur ESA) auf dem besten Weg, dieses Wissen auch auf dreidimensionale Weise zu mehren. Eine Kostprobe seines Könnens, das in den Weiten des Sonnensystem seinesgleichen sucht, gab Mars Express jetzt in Form eines gestochen scharfen 3D-Fotos ab, das die ESA am Dienstag um 16.32 Uhr MEZ veröffentlichte.

Das von der hochauflösenden Stereo-Kamera HRSC (High Resolution Stereo Camera) des Mars-Express-Orbiters am 14. Januar 2004 aufgenommene Bild zeigt einen kleinen Ausschnitt (oben links: 54 Kilometer mal 26 Kilometer) eines 1.500 Kilometer langen und 65 Kilometer breiten Gebiets in Nord-Süd-Richtung im Grand Canyon des Mars (Valles Marineris).

"Allein für die Komposition dieses Bildausschnitts haben wir mehrere Tage investieren müssen", erläutert Prof. Dr. Gerhard Neukum vom Fachbereich Geowissenschaften der Freien Universität in Berlin, bei dem hinsichtlich der HRSC-Kamera und den daraus resultierenden Daten alle Fäden zusammen laufen. "Wir haben inzwischen mit HRSC sieben Orbits absolviert und sind auch einmal über Spirit und das Landegebiet von Beagle 2 geflogen", so der wissenschaftliche Leiter des HRSC-Experiments und "Principal Investigator" (PI), der einem Team von 45 Wissenschaftlern und zahlreichen Mitarbeitern aus 30 Instituten in zehn Ländern vorsteht.

12,5 Meter per Pixel

Zwar wurde das Bild aus einer Höhe von 275 Kilometern "geschossen"; dennoch sind die Details der Marsoberfläche in einer Auflösung von 12,5 Meter per Pixel (pro Bildpunkt) zu bewundern. Das Gesamtgebiet des insgesamt aufgenommenen Bildstreifens auf der Marsoberfläche (siehe Bild oben links) entspricht einem Drittel der Fläche Deutschlands.

In der oberen Bildhälfte sieht man die Marslandschaft aus der Aufnahmeperspektive der Kamera. Im unteren Drittel des Bildes ist die Marslandschaft aus einer Perspektive zu sehen, wie man sie aus einem niedrig fliegenden Flugzeug wahrnehmen würde. Diese Ansicht wurde am Computer aus den originalen Bilddaten berechnet. Das Aufnahmeobjekt liegt in einer geologisch interessanten Mars-Region. Man erkennt eine Landschaft, die einmal hauptsächlich durch die Erosionskraft von Wasser geprägt worden ist. Millionen von Kubikkilometern Gesteinsmaterial wurden abgetragen, wobei sich die jetzt sichtbaren Strukturen wie Gebirge, Täler und Tafelberge gebildet haben.

Der zu sehende Ausschnitt am Ostrand der Valles Marineris, des größten Canyons im Sonnensystem, ist rund 4.000 Kilometer lang und bis zu zehn Kilometer tief. Ferner sind auf dem Bild auch Insel-Berge, Hangrutsche an steilen Flanken, geschichtete Lava und unmittelbar abbrechende Tafelberge gut zu erkennen.

Flüssiger Datentransfer

Damit ein Farbbild auf diesem Niveau überhaupt entstehen kann, muss die satelliteneigene 1,8 Meter-Parabolantenne Höchstarbeit verrichten. Sobald alle Bit und Bytes der HRSC-Kamera zwischengespeichert sind, richtet Mars Express sich auf die Erde aus und schickt die gewonnenen Daten mit einer Sendeleistung von 20 Watt zur in Australien ansässigen Deep Space Ground Station der ESA. Dabei erfolgt die Datenübertragung mit einer maximalen Datenrate von derzeit 114 Kilobit pro Sekunde (Optimum diesbezüglich sind 230 Kilobit pro Sekunde) im X-Band bei einer Frequenz von 7,1 GHz. Ein RAM-Speicher mit einer Speicherkapazität von 12 Gigabit, der Bestandteil des Bordrechners ist, gewährleistet die Zwischenspeicherung der Messdaten.

Die beiden kameraeigenen hochauflösenden Stereoköpfe basieren übrigens auf dem Scanner-Prinzip: Durch die Anordnung seiner neun Zeilensensoren quer zur Flugrichtung nimmt jeder dieser Sensoren aufgrund der Vorwärtsbewegung des Orbiters denselben Bildstreifen auf der Marsoberfläche nacheinander Zeile für Zeile auf. Dabei bildet jeder Sensor dasselbe Objekt auf der Oberfläche unter einem unterschiedlichen Blickwinkel ab. Am Boden werden dann aus fünf dieser Bildstreifen dreidimensionale Bilder erzeugt. Die verbleibenden vier der neun Zeilensensoren sind mit speziellen Farbfiltern für die Aufnahme multispektraler Daten versehen.

Weitere Bilder und Daten zur Mission werden am Freitag, den 23. Januar um 11.00 Uhr im Rahmen einer Pressekonferenz im ESOC-Raumflugkontrollzentrum der ESA in Darmstadt vorgestellt. Zudem werden unter der Leitung der Vorsitzenden des ESA-Rates auf Ministerebene Deutschlands Ministerin für Bildung und Forschung, Edelgard Bulmahn, der Wissenschaftsdirektor der ESA, Prof. David Southwood, und die Hauptexperimentatoren aller Mars-Express-Bordinstrumente die ersten Daten und die für die nächsten Wochen erwarteten wissenschaftlichen Ergebnisse der Mission präsentieren. Telepolis wird vor Ort sein und auch hierüber berichten.