Jet fliegt mit annähernder Lichtgeschwindigkeit

Der bisher schnellste Materieausstoß in unserer Galaxis

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Bisher dachte man, gigantische superschnelle Materieausflüsse, so genannte ultra-relativistische Jets, würden nur von schwarzen Löchern erzeugt. Jetzt beweist ein Team internationaler Wissenschaftler, dass diese riesigen Teilchenbeschleuniger auch von einem Neutronenstern hervor gebracht werden können.

Im Wissenschaftsjournal Nature berichten Rob Fender und Michiel van der Klis von der Universität Amsterdam, Kinwah Wu vom University College London, Helen Johnston von der University of Sydney, Tasso Tzioumis von der Australia Telescope National Facility, Peter Jonker von der University of Cambridge sowie Ralph Spencer vom Jodrell Bank Observatorium der University of Manchester über einen Neutronenstern, der ein schwarzes Loch imitiert (Online-Veröffentlichung: An ultra-relativistic outflow from a neutron star accreting gas from a companion)

Circinus X-1 ist eine Röntgenstrahlenquelle im Sternbild Circinus nahe dem Kreuz des Südens am Himmel. Von der Erde ist Circinus X-1 ungefähr 20 000 Lichtjahre entfernt. Es handelt sich um ein binäres System, das aus einem normalen Stern mit etwa dem drei- bis fünffachen der Masse unserer Sonne und einem kleinen, sehr kompakten Begleitstern besteht. Entdeckt wurde es Anfang der 70er Jahre. Das Forscherteam um Rob Fender studierte dieses System drei Jahre lang intensiv. Mithilfe des australischen Radioteleskops des Narrabri Observatory gelang es ihnen, einen Jet zu beobachten, der mit 99,8% Lichtgeschwindigkeit von Circinus X-1 ausgestoßen wurde.

Bisher wurden solche Materieströme immer supermassiven schwarzen Löchern in der Mitte weit entfernter Galaxien zugeschrieben (vgl. Durstiges Schwarzes Loch giert nach Wasser). Das Modell muss überdacht werden, offensichtlich können ultra-relativistische Jets, die mit annähernder Lichtgeschwindigkeit durchs All rasen, auch von Neutronensternen verursacht werden.

Ein ultra-relativistischer Jet aus Circinus X-1, Serie von täglichen Radio-Beobachtungen bei 4,8 und 8,6 GHz. Von links nach rechts: Oktober 2000, Mai 2001, Dezember 2002. Die blauen Balken stehen für Röntgenstrahlenausbrüche, die Kreuze für die Position des Neutronensterns

Die Strahlenquelle Circinus X-1 galt schon vor der aktuellen Studie als galaktischer Mikroquasar. Quasare (Quasi-Stellare-Radioquellen) sind Sternensysteme mit leuchtkräftigem Kern. Ihre Leuchtkraft wird durch die Existenz eines schwarzen Loches in ihrem Zentrum erklärt. Mikroquasare sind sozusagen ihre kleinen Geschwister, da sie ebenfalls Radiowellen und Röntgenstrahlung ausstoßen, wenn auch in weitaus geringerem Umfang.

Der Kompanion der Sonne in Circinus X-1 ist ein Neutronenstern. Ein Neutronenstern ist ein extrem kompakter Himmelskörper, das Resultat einer Supernova eines Riesensterns, der am Ende seiner Existenz kollabiert und seine Reste zusammenballt. Er wird zu einem Objekt mit mehr als der Masse der Sonne bei einem Durchmesser von ungefähr 30 km. Seine Dichte ist enorm, seine Schwerkraft extrem (vgl. Tanz der Neutronensterne). Von diesen seltsamen Relikten ist es nur noch ein Sprung bis zum schwarzen Loch (vgl. Das Funkeln einer exotischen Leiche). In Circinus X-1 interagieren die beiden Sterne miteinander. Die Gravitationskraft des Neutronensterns zieht Materie aus dem großen Partner ab und dieser Einverleibungsprozess (Akkretion) verursacht den Röntgenstrahlenausstoß. Die Stärke des Ausbruchs variiert über eine Periode von 17 Tagen, die beiden Sterne umkreisen einander also wahrscheinlich auf einer sehr elliptischen Umlaufbahn einmal in dieser Zeit. Dabei kommen sie sich zwischendurch so nahe, dass sie sich beinahe berühren.

Der Forschergruppe ist es gelungen, den bisher schnellsten Materieausstoß in unserer Galaxis zu beobachten. Diese Art extrem energiereicher Jets hängt mit den gigantischen kosmischen Blitzen, den Gammastrahlenausbrüchen zusammen (vgl. Monster, die verschiedene Gesichter, aber den gleichen Körper haben). Der Teamleiter Rob Fender erläutert die Bedeutung:

Die Entstehung von Jets ist ein fundamentaler kosmischer Prozess, aber dennoch einer, der nach Dekaden der Erforschung immer noch nicht völlig verstanden ist. Was wir jetzt gesehen haben, sollte uns helfen, zu verstehen wie auch viel größere Objekte wie supermassive schwarze Löcher Jets produzieren können, die wir noch quer durch das halbe Universum sehen können.