Wie spürt man sich selbst?

Zur Verbindung von Wahrnehmung, Motorik und Emotion

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Wie wichtig die Wahrnehmung des eigenen Körpers ist, zeigt sich sehr schön, wenn vierbeinige Aibo-Roboter Fußball spielen. Die kleinen Kickmaschinen spüren nicht, ob und wie sie den Ball getroffen haben, sondern müssen warten, bis er wieder ins Blickfeld ihrer Kamera rollt. Ein Mensch dagegen hat schon bei der Ballberührung ein Gefühl dafür, ob der Schuss gelungen ist oder nicht. Mit der Funktionsweise dieser Innenwahrnehmung haben sich jetzt zwei Studien beschäftigt.

In der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science berichtet ein US-amerikanisches Forscherteam von einem Experiment, das helfen sollte, die Gehirnregionen, die die Ausführung von Bewegungen steuern, von denen zu unterscheiden, die diese Bewegungen wahrnehmen. Die Versuchspersonen wurden aufgefordert, mit einem Cursor die Umrisse einer Ellipse auf einem Bildschirm nachzuzeichnen. Dabei konnten sie ihren eigenen Arm, mit dem sie den Cursor steuerten, nicht sehen. Während mehrerer aufeinander folgender Versuche wurden die Bewegungen des Cursors in der Horizontale nach und nach reduziert, sodass die Testpersonen am Ende mit der Hand einen Kreis beschreiben mussten, um auf dem Bildschirm eine Ellipse zu erzeugen. Trotzdem waren alle überzeugt, auch mit der Hand Ellipsen ausgeführt zu haben. Im Konflikt zwischen Augen und Körperwahrnehmung siegten die Augen.

Um zu klären, wo genau im Gehirn sich dieser Konflikt abspielt, wiederholte das vom Neurobiologen Andrew B. Schwartz, University of Pittsburgh, geleitete Team das Experiment mit Affen, deren Gehirnaktivität dabei gemessen wurde. Aufgrund früherer Erkenntnisse galt das besondere Interesse dem ventralen prämotorischen Kortex, der mit der Koordination von Wahrnehmung und Bewegung in Zusammenhang steht, und dem primären Motorkortex, der zielgerichtete Bewegungen steuert. Die Dekodierung der neuronalen Aktivität zeigte, dass der primäre Motorkortex den tatsächlichen Bewegungen der Hand folgte, der ventrale prämotorische Kortex dagegen der visuellen Wahrnehmung. Letzterer, vermuten die Forscher, könnte demnach einen Knotenpunkt darstellen, der die auf ein bestimmtes Objekt bezogene Wahrnehmung mit der daraus resultierenden Bewegung verbindet.

Dem ventralen prämotorischen Kortex Funktionen bei der Wahrnehmung zuzuweisen, stellt gängige Vorstellungen von der Funktionsweise des Gehirns in Frage. Jacqueline Gottlieb und Pietro Mazzoni von der New Yorker Columbia University fordern daher in einem kommentierenden Artikel weitere Untersuchungen, ehe diese Sichtweise breite Zustimmung finden könne. Schließlich bedeute die Kodierung von Sinnessignalen nicht automatisch, dass der jeweilige Hirnbereich Wahrnehmung steuere. Vielmehr könnten solche Signale auch der Bewegungsplanung dienen. Die Ergebnisse der Studie von Schwartz et. al. müssten daher noch stärker mit Beobachtungen zur visuellen Wahrnehmung in Bezug gesetzt werden.

Die Beurteilung des eigenen Herzschlags

Mit einer anderen Form von Körperwahrnehmung beschäftigt sich eine Studie, die ein britisches Forscherteam unter Leitung von Hugo D. Critchley, University College London, in Nature Neuroscience veröffentlicht hat. Hier sollten die Testpersonen beurteilen, inwieweit ihr eigener Herzschlag synchron mit einem akustischen Signal erfolgte. Dabei ging es zum einen darum, mithilfe bildgebender Verfahren die Hirnregionen zu identifizieren, die diese Innenwahrnehmung steuern (Insula und Operculum). Zum anderen suchten die Wissenschaftler nach Zusammenhängen mit den jeweiligen subjektiven Befindlichkeiten der Testpersonen.

Es zeigte sich, dass diejenigen Versuchspersonen, die beim Herzschlagtest die genauesten Werte erzielten, die gefühlsbetontesten waren. Das bestätigt zunächst Theorien, die Emotionen als subjektive Wahrnehmung körperlicher Reaktionen auf äußere Reize begreifen. Allerdings konnte der Zusammenhang nur für negative Emotionen wie Ängstlichkeit und Depressivität beobachtet werden. Die Autoren konnten keine Verbindung zwischen der Genauigkeit der inneren Körperwahrnehmung und der Erfahrung positiver Emotionen feststellen.

Für die Konstrukteure von Fußballrobotern, die ihren Spielern Torinstinkt und Ballgefühl beibringen wollen, mag die Studie trotzdem ein Anlass sein, verstärkt über die Verbindung von Innen- und Außenwahrnehmung nachzudenken.