Gegen die Sexindustrie

Eine schwedische Abgeordnete des Europäischen Parlaments fordert ein schärferes Vorgehen gegen die sexuelle Ausbeutung durch Prostitution und Pornografie auf allen Ebenen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Schweden ist das einzige Land in Europa, indem bezahlter Sex verboten ist. Seit 1999 ist das "Gesetz über das Verbot des Erwerbs sexueller Dienste" in Kraft. Das Gesetz kriminalisiert den Käufer, nicht aber den oder die Verkäufer(in) von Sex. Marianne Eriksson, Abgeordnete im Europäischen Parlament für die Vereinigten Linken, schlägt vor, dass die EU ebenfalls ein entsprechendes Gesetz einführt. Irland, das gerade die EU-Präsidentschaft innehat, ist einem solchen Verbot nicht abgeneigt und will, wie der irische Justizminister Willie O'Dea sagte, einen Gesetzesvorschlag einbringen, auch wenn ihm keine wirklichen Chancen eingeräumt werden.

In Schweden soll das Gesetz zu einem starken Rückgang der offenen Prostitution auf den Straßen geführt haben. Die Zahl der sich auf der Straße Prostituierenden sei um mehr als die Hälfte, die Zahl der Kunden um fast 80 Prozent zurück. Ausländische Frauen finde man bei offener Prostitution kaum mehr. Allerdings hat sich durch das Verbot das Gewerbe verlagert. So organisieren Banden nun in Schweden oder etwa im benachbarten Finnland Prostitution mit osteuropäischen Frauen, die in Bordellen, Feriendörfern oder Campingplätzen ihre Dienste anbieten.

Marianne Eriksson hatte am Montag ihren "Bericht über die Konsequenzen der Sexindustrie in der Europäischen Union" dem Ausschuss für die Rechte der Frau und Chancengleichheit des Europäischen Parlaments vorgelegt. Sie hofft nach der ersten Anhörung im Ausschuss, dass ein Kompromiss gefunden und der endgültige Bericht am 18. Februar vorgelegt werden kann.

Darin wird weit zurück gegangen auf die griechische Antike, in der Prostitution von Frauen als Beruf eingeführt wurde, zu dem man auf Sklavinnen, Kriegsgefangene oder Frauen aus anderen Ländern zurück griff. Sie wurden beaufsichtigt und mussten Steuern zahlen. Im Hinblick auf Legalisierung von Prostitution gäbe es keinen großen Unterschied zwischen Antike und Gegenwart.

Eriksson will jedoch gegen diese Tradition der Ausbeutung angehen und alle Versuche, Prostitution als Beruf zu begreifen und damit zu legalisieren zurück weisen. Im Ausschuss stellte Janice Raymond von Coalition Against Trafficking in Women (CATW) die Folgen der Legalisierung der Prostitution in Holland vor. Danach habe der Umsatz der Sexindustrie zugenommen und sei vor allem auch die Zahl der illegal sich im Land aufhaltenden Prostituierten nicht zurück gegangen. Drei Viertel von diesen kämen aus Osteuropa. Raymond zog daraus, ebenso wie die Vorsitzende des Ausschusses, Anna Karamanou, den Schluss, dass Prostitution untrennbar mit dem Menschenhandel verbunden sei.

EU-Mitgliedsstaaten, die Prostitution legalisiert und reguliert haben, würden zum "Teil der Sexindustrie, aber auch zu Nutznießern des Marktes": Sexuelle Ausbeutung, von Eriksson mit Prostitution gleichgesetzt, verstoße gegen die Grundrechte:

Prostitution kann keinesfalls als eine Art Beruf betrachtet werden. Es geht hier um die gesellschaftliche Macht des Mannes und seine Kontrolle über die weibliche Sexualität Diese Macht und Kontrolle haben sich im Verlauf der Jahrtausende entwickelt aber nicht im Wesentlichen verändert. Vor diesem Hintergrund sollten wir die aktuelle Debatte in der EU über Sexsklavenhandel und eine immer aggressiver werdende Vermarktung des weiblichen Körpers in der Pornografie und in der Werbung verfolgen.

Die allgemeine Globalisierung führe auch zu der Sexsklavenhandels und der Sexindustrie. Organisierte, oft auch grenzüberschreitende Kriminalität verbindet die Sexindustrie mit Menschenschmuggel und -handel, mit Drogen- und Waffenhandel, Geldwäsche und anderen illegalen Tätigkeiten. Eriksson weist auf Schätzungen hin, die davon ausgehen, dass der jährliche Umsatz der illegalen Sexindustrie höher sei als die weltweiten Rüstungsausgaben von 5-7 Billionen US-Dollar. 4 Millionen Menschen, vor allem Mädchen und Frauen, werden nach Angaben der UN jährlich innerhalb und zwischen den einzelnen Ländern zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung gehandelt. Die Mehrzahl der illegal eingeschleusten Menschen werde mit dem Ziel der sexuellen Ausbeutung in die Eu gebracht.

Bislang habe man zum Schutz vor allem der Frauen zwar einige Maßnahmen eingeleitet, aber man sei nie wirklich gegen die "Nachfrageseite" vorgegangen, zu der nicht nur die Sex suchenden Männer als Kunden, sondern auch die Sexindustrie gehören. Zu dieser rechnet sie die Personen oder Organisationen, die direkt mit der Prostitution zu tun haben, aber beispielsweise auch die Herstellung und der Vertrieb von Medien, die Werbung schalten oder in irgendeiner Form für die Sexindustrie förderlich sind:

Portal-Betreiber, Besitzer von Sexseiten, die pornografische Branche, Eskortfirmen, Netzzuhälter, Akteure im Waren- und Dienstleistungsbereich und Organisationen mit wirtschaftlichen Interessen gezählt werden.

Erikksson fordert zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung neben Aufklärungskampagnen und wissenschaftlicher Erforschung des sexuellen Verhaltens auch ganz konkrete Maßnahmen. So sollten die Unternehmen, "deren Gewinn aus dem Verkauf von Menschen stammt", in keinem EU-Land mehr an die Börse gehen dürfen. Explizit genannt werden die schwedische Private Media Group und die Beate Uhse AG. Als weitere Maßnahme wird ein strenges Vorgehen gegen Spam vorgeschlagen, mit dem Pornografie verbreitet und Prostitution angeboten wird. Kampagnen gegen Pornographie und Prostitution in Hotels und in der Tourismusindustrie sollten durchgeführt werden und insgesamt gegen das "milliardenschwere Geschäft" mit der Pornografie vorgegangen werden, die nicht nur sexistisch, sondern oft auch rassistisch sei oder Angehörige von bestimmten ethnischen Gruppen erniedrige.

Bei der Bekämpfung der Pornografie steht neben dem Fernsehen vor allem das Internet im Visier. Weil sich die Internetnutzer hier anonym fühlen, sei es ein begehrtes Medium, um an Bilder zu gelangen, die in den meisten Ländern verboten sind. Es sei ein Anstieg von Pornografie mit Gewaltbezug zu beobachten (fistfucking, Folterbilder, Kinderpornografie, Mord und Zerstückelung von Körpern etc.).

Die Produktion von Pornografie ist heute ein milliardenschweres Geschäft, das in der ganzen Welt in den unterschiedlichsten Ausprägungen zu finden ist. Es ist eine bekannte Tatsache, dass dieser Teil der Industrie eine der treibendsten Kräfte bei der Entwicklung des Internets war, insbesondere deshalb, weil es den Bedürfnissen der Pornokonsumenten bezüglich Diskretion und Sicherheit bei der Bezahlung des Materials entgegenkam. Die am häufigsten eingegebenen Suchworte hängen mit Sex und Pornografie zusammen.

Unterbinden müsse man, dass jetzt die Sexindustrie auch in den Handymarkt vordringt. Eriksson schlägt vor, dass im Internet nach illegalen Angeboten gesucht und neben den direkt dafür Verantwortlichen auch die "Internetgesellschaften und Provider" von diesen belangt werden sollen.

Bis auf wenige konkrete Vorschläge wie dem Vorschlag, Unternehmen wie Beate Uhse von der Börse auszuschließen, bleibt der Entwurf dieser Entschließung aber trotz heftiger Kritik eher im Allgemeinen. Der Streit über Legalisierung oder Verbote dürfte vorerst jedenfalls nur einen weiteren Zündstoff erhalten haben, die Entschließung den Weg vieler Papiere gehen.