Werden das Internet und die Netizens die US-Präsidentschaftswahlen beeinflussen?

In Südkorea und in China ließ sich bereits die Macht von Online-Bewegungen beobachten

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Eine Zeitlang schien die Kampagne von Howard Dean für die Nominierung der Demokratischen Partei die politischen Beobachter zu verwirren (Der Herausforderer). Sein Einsatz des Internet und sein Wahlhelfer-Team von Netizens hatten auf unerwartete Weisen Erfolg mit der Veränderung von Wahlkampfmethoden und -praktiken. Viele der Wahlhelfer wurden über die Website Meetup.org geworben und sein Wahlkampfteam unterhält die Website Dean for America, die Lesern die Möglichkeit bietet, Deans Artikel zu kommentieren. Es gibt weitere Websites wie Blog for America, die sowohl Artikel aus dem Wahlkampf als auch Kommentare von Unterstützern anbieten. Deans Kampagne überraschte auch andere Bewerber, weil mit ihr beträchtliche Spendengelder erzielt wurden.

Als die Kampagne für die Caucus-Wahlen und dann die Vorwahlen (primary) in New Hampshire in Schwung kamen, thematisierten die Nachrichtenmedien in den USA weniger das Potenzial des Internet, den Kandidaten der demokratischen Partei bei der Nomninierung zu helfen. Die konservativen Medien verstärkten hingegen die alten Wahlkampfmittel, die dazu geführt hat, dass die Demokratische Partei immer schwieriger von der Republikanischen Partei unterschieden werden kann. Negative oder positive Wahlkampfwerbung im Fernsehen, Flugblätter im Briefkasten, Kommentare in Zeitungen und im Fernsehen und Fernsehdebatten sind Formen des Wahlkampfs, die die alte Garde der großen politischen Parteien wieder zurück auf die Bühne stellen, die sie schon so lange beherrscht haben. Das ist die Art von Politik, die zu der Situation in den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2000 geführt hat, dass die Unterscheidung zwischen den Kandidaten der großen Parteien so gering war, das der Supreme Court die Wahl entscheiden musste.

Kann das Internet dabei helfen, die Hindernisse zu überwinden, um den Amtsinhaber in den Präsidentschaftswahlen 2004 zu besiegen? Beobachter der Rolle, die Netizen und das Internet bei den südkoreanischen Präsidentschaftswahlen gespielt haben, fragen sich, ob dieser Erfolg in den USA wiederholt werden kann. 2002 hatte eine südkoreanische Bürgerbewegung die politische alte Garde wirksam bekämpfen können, indem sie zuerst eine Internetkampagne gestartet und schließlich Roh Moo-hyun als Präsidenten gewählt hatten.

Die Netizen stellten die früheren Formen der Wahlkampfstrategien in Frage. Für ihren Erfolg waren Online-Journale wichtig, die eine Diskussion unter ihren Lesern ermöglichten. Noch wichtiger jedoch war die Art, wie die Praxis gefördert wurde, dass "jeder Bürger ein Reporter" ist. Die bekannteste dieser Medienorganisationen ist OhmyNews, die im Februar 2000 mit wenig Geld und vier Reportern startete. Der Herausgeber Yeon-ho nahm auch gerne Artikel von Menschen auf, die er "Bürgerreporter" nannte. Die Online-Zeitung hatte bald darauf Beiträge von 737 solcher Bürgerreporter und fand das Interesse von immer mehr Lesern. Bis zum September 2003 ist die Zahl der professionellen Journalisten, die für OhmyNews arbeiteten, auf 53 gewachsen und es gab 26.700 Bürgerreporter, die Artikel beigetragen hatten. Die Bürgerreporter erhalten ein kleines Honorar für ihre Artikel. Sie bieten ihre Artikel an, um OhmyNews zu einer Kraft zu machen, mit der sich die konservativen Nachrichtenmedien bekämpfen lassen, die bislang ein die koreanische Politik monopolisiert hatten.

In den USA gibt es kein vergleichbares Nachrichtenmedium, auch wenn die Wahlkampagnen der demokratischen Kandidaten, besonders die von Howard Dean, Webblogs benutzen, um die Kommunikation unter ihren Anhängern zu fördern.

Ein Vorfall, der sich im Oktober des letzten Jahres in China zugetragen hat, zeigt die Macht der Online-Partizipation. In den chinesischen Online-Medien wurde die Tötung einer chinesischen Bäuerin und die Verletzung von weiteren Bauern in Harbin, der Hauptstadt der Heilongjiang-Provinz im Nordosten Chinas, beschrieben. Liu Zhongxia, die Bäuerin, wurde durch einen BMW getötet, der von Su Xiuwen gefahren wurde. Lius Mann, Dai Yiquan, der einen Traktor steuerte, hatte die Rückfront des am Straßenrand parkenden BMWs leicht beschädigt, weil er vor einem entgegen kommenden Auto auf der engen Straße nach rechts ausgewichen war.

Die Fahrerin des BMWs und ihre Schwester stiegen aus dem Auto aus und schlugen auf Dia und seine Frau ein, die sich nicht zur Wehr setzten. Inzwischen hatte sich eine kleine Menschenmenge versammelt. Su stieg schließlich wieder in ihren BMW ein und fuhr mit diesem direkt in die Menschen hinein, wobei sie Liu tötete und einige der Herumstehenden verletzte, während sie erst durch einen Baum zum Halten gebracht wurde. Der Fall kam vor Gericht, die Fahrerin wurde im Dezember zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt, da es sich nicht um eine beabsichtigte Tötung, sondern um einen Unfall gehandelt habe. Dass keiner der Verletzten oder derjenigen, die bei dem Vorfall anwesend waren, als Zeuge beim dem Prozess ausgesagt hat, war Teil der misstrauisch machenden Umstände, die zu einem öffentlichen Aufschrei über diesen Fall geführt haben. Dai und die übrigen Verletzten erhielten vom Ehemann der BMW-Fahrerin Geldzahlungen. Dafür sollten sie nicht über den Vorfall sprechen.

Die chinesischen Internetbenutzer erfuhren von dem Vorfall und dem Gerichtsurteil und begannen Mitteilungen in Interforen zu schreiben. Bald hatten sich 70.000 Kommentare auf der Website von Sina.com angesammelt. In der zweiten Januarwoche, so berichtete die Washington Post, hat es bereits über 310.000 Kommentare gegeben, als die chinesische Regierung einschritt und 20 Prozent der Kommentare löschte, weil sie gegenüber der Regierung zu kritisch waren. Am 15. Januar wurden schließlich auch die verbliebenen 250.000 Kommentare gelöscht. Zu dieser Zeit hatte der Fall bereits international Aufmerksamkeit gefunden. Er ist zu einem Symbol für die wachsende Kluft zwischen Reichen und Armen in China und für die Frustration bei den Chinesen über die Korruption in der Regierung geworden, die mit deren wirtschaftsfreundlichen Politik einher geht.

Selbst in einem Land, das wie in China die Internetnutzung zensiert, haben Netizen die Macht vorgeführt, die Diskussionsforen für eine Demokratie von unten bieten können. Diejenigen, die den Vorfall mit dem BMW online diskutiert haben, konnten die Aufmerksamkeit der nationalen und internationalen Medien auf den Fall lenken. Nun versuchen sie, dass der Fall noch einmal verhandelt wird.

Kann die Dean-Kampagne oder die Kampagnen der anderen demokratischen Präsidentschaftskandidaten diese Macht des Internet und der Netizen ausschöpfen, um das anscheinend Unerreichbare dennoch zu erreichen? Online-Medien, die Artikelbeiträge von Bürger annehmen und die Diskussion dieser Artikel fördern, könnte dies unterstützen. In China finden Netizen Möglichkeiten, die Zensur der Online-Diksussion zu umgehen. In Südkorea konnten Internetnutzer eine starke Netizen-Bewegung schaffen, um den Kandidaten zu unterstützen, den sie als Präsidenten favorisierten. Die kommende Wahl in den USA stellt eine Möglichkeit für die amerikanischen Netizen dar, aus der Erfahrung von anderen auf der ganzen Welt und in den USA zu lernen, wie man die Macht des Internet einsetzen kann, um die Präsidentschaftswahlen 2004 entscheidend zu beeinflussen (dazu siehe auch von Ronda Hauben: Can the Internet Change Politics?).