Kleine Ursache, große Wirkung

Speicherfähigkeit von Nanostrukturen optimiert

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Die klassische, Siliziumhalbleiter-basierte Mikroelektronik stößt an ihre technischen Grenzen. Um die Bauteile weiter verkleinern zu können, ist ihre Kombination mit oder Ersetzung durch Bauteile mit Nanometerabmessungen unumgänglich. Doch die Eigenschaften der meisten Materialien hängen im Nanometerbereich stark von ihren äußeren Abmessungen ab, ihre gewünschte Funktionalität kann verloren gehen. Eine Ursache für diesen sogenannten Size-Effekt ist jetzt bei ferroelektrischen Oxiden, einer besonders vielversprechenden Stoffklasse, aufgedeckt worden.

Wir Computernutzer könnten uns eine Menge Warterei beim Hoch- und Herunterfahren unserer Rechner ersparen und müssten außerdem nach einem Absturz weniger Ängste ausstehen, wenn die Arbeitsspeicher aus einem nicht-flüchtigen Speichermedium aufgebaut wären, das (wie die Festplatte) die Daten hält, wenn keine Betriebsspannung anliegt. Um eine brauchbare Speicherdichte von mehreren Gigabit pro Quadratzentimeter zu erreichen, dürfte jede Speicherzelle allerdings nur wenige Dutzend Nanometer (Nanometer = millionstel Millimeter) groß sein. Ferroelektrische Oxide wie z.B. Bleizirkonat-Titanat, Strontium-Wismut-Tantalat und Wismut-Titanat werden in einem außergewöhnlich breiten Spektrum moderner elektronischer, elektromechanischer und elektrooptischer Bauelemente eingesetzt, verlieren aber gerade im Nanometerbereich ihre günstigen Eigenschaften.

Einer Arbeitsgruppe um Ming-Wen Chu, Marin Alexe und Dietrich Hesse am Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik in Halle (Saale) ist es nun gelungen, eine bisher unbeachtete Ursache für den ferroelektrischen Size-Effekt zu entdecken. Die Max-Planck-Forscher konnten zeigen, dass bestimmte, kaum ein Zehntel Nanometer dicke, linienförmige Baufehler des Kristallgitters, die sich an der Grenzfläche zwischen kleinen, rund zehn Nanometer dünnen Bleizirkonat-Titanat-Inseln und einer Strontiumtitanat-Unterlage ausbilden, ganz wesentlich zum Verlust der Speichereigenschaften dieser Inseln führen können

Dass die Kristallgitter-Struktur von Unterlage und Speicherelement nicht genau aufeinander passt, führt zu den winzigen Verschiebungen (misfit dislocations), die jedoch den Bleizirkonat-Titanat-Kristall in einem Schlauch von 20 bis 50 Nanometer Länge und 4 mal 8 Nanometer Querschnitt verzerren, sodass die Speichereigenschaft verloren geht. Der Size-Effekt könnte sich also durch die günstige Kombination verschiedener ferroelektrischer Oxide vermeiden lassen.

Prof. Ulrich Gösele, Direktor und Wissenschaftliches Mitglied am Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik.

Ein in der Halbleiterphysik seit langem bekanntes Problem, nämlich die störende Wirkung von Gitterfehlpassungsversetzungen auf die optischen und elektronischen Eigenschaften von Halbleiter-Nanostrukturen, hat sich überraschenderweise nun auch für die Speicherfähigkeit ferroelektrischer Nanostrukturen als relevant herausgestellt. Diese Entdeckung eröffnet neue Möglichkeiten, um bestimmte Materialkombinationen gezielt für den Einsatz ferroelektrischer Oxide in miniaturisierten Speicherbauelementen auszuwählen.