Reiseziel Titan

Beagle-2 Kollege 'Huygens' steht heiße Landung auf eisigem Himmelskörper bevor

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Nach dem endgültigen Scheitern der Beagle-2 freut sich die ESA schon auf die nächste Landemission im Rahmen der Cassini-Huygens-Forschungsexpedition, die bereits in vier Monaten ihren ersten Höhepunkt feiern wird. In der unbemannten und bemannten Raumfahrt ist es ein ungeschriebenes Gesetz. Misserfolge sind kein Grund, um zu resignieren, allenfalls ein Antrieb, es beim nächsten Mal besser zu machen.

Trotz oder gerade wegen des Beagle-2-Misserfolgs richtet daher die ESA, die erstmals einen europäischen Gesandten auf einem fremden Himmelskörper absetzen möchte, ihren Optimismus auf den 'Huygens'-Lander, der nach seiner über siebenjährigen 20,7 Milliarden Kilometer einsamen Tour durchs All schon am 14. Januar 2005 in die Atmosphäre von Titan eintauchen soll. Während des Sinkfluges soll die Kapsel analysieren, was sich hinter dem dichten und geheimnisvollen Dunstschleier des Saturnmondes verbirgt. Das Unternehmen könnte den Misserfolg von Beagle 2 vergessen machen.

Titan. Bild: Voyager, Nasa

In einem knappen Jahr wird die seit über sechs Jahren auf Reise befindliche Cassini-Huygens-Mission - die seit dem Bestehen der ESA bis dato spektakulärste Raumfahrtmission - mit der Landung auf dem Titan ihren Höhepunkt finden, sofern die Exkursion des Sonden-Tandems auch weiterhin ohne nennenswerte Zwischenfälle verläuft. Immerhin hat die NASA/ESA-Doppelsonde Cassini-Huygens seit ihrem Start am 15. Oktober 1997 mit einer Trägerrakete vom Typ Titan-IVB/Centaur von Cape Canaveral den größten Teil ihrer Strecke zum Saturn ohne Blessuren hinter sich gelassen. Und sofern das Sonden-Duo auch den restlichen interplanetaren Trip zum Ringplaneten übersteht, folgt schon in vier Monaten mit dem gezielten Vorbeiflug des Mini-Kreuzers am Saturnmond Phoebe der erste "kleine" Höhepunkt der Mission.

Läuft alles nach Plan, ereignet sich dieser genau 19 Tage vor dem Einschuss des Raumschiff-Tandems in eine Saturnumlaufbahn, am 11. Juni 2004. Die Ankunftszeit Cassinis am Saturn wurde mit Absicht auf den 1. Juli 2004 gelegt, um besagten Vorbeiflug zu ermöglichen. Angesichts der Tatsache, dass der Saturnmond nur etwa alle 550 Tage die selbe Stelle seiner Umlaufbahn passiert, ist der Zeitpunkt ideal, da sich Phoebe und Cassini an diesem Tag direkt kreuzen. Die geringste Distanz zur Phoebe-Oberfläche wird dabei nur noch 2000 Kilometer betragen. Logisch, dass dieser Vorbeiflug, von dem sich die Forscher interessante Fotos und Messdaten versprechen, das Wissen über Phoebe dramatisch mehren wird.

Heikle Phase: Einbringung in den Orbit

Aber so richtig brenzlig wird es erst in dem Augenblick, in dem die Triebwerke von Cassini zünden, um die Sonde in eine Umlaufbahn um den Ringplaneten zu bringen. "Von diesem entscheidenden Moment hängt der Erfolg der gesamten Mission ab und wir müssen sicherstellen, dass alles reibungslos funktioniert", sagt Dr. Jean-Pierre Lebreton, Wissenschaftler im Huygens-Projekt ESTEC (Es ist eine Maschine).

Saturn - aufgenommen am 9. November 2003 mit der "Narrow Angle Camera" von Cassini. Bild: Nasa, ESA

Ob dann die NASA-ESA-Sonde nach Pioneer 11 (1979), Voyager 1 (1980) und Voyager 2 (1981) als viertes von Menschenhand geschaffenes Raumfahrzeug den Gasplaneten erreicht und sich demselbigen bis auf 20.350 Kilometer nähert, hängt davon ab, ob Cassini wunschgemäß in einen Saturn-Orbit einschwenkt und den Planeten auf einem chaotisch anmutenden Kurs umrundet.

Chaotisch deshalb, weil dieser das Raumschiff mal über den Äquator, mal über die Pole des Planeten hinwegführt, während die sensiblen Sonden-Sensoren den zweitgrößten Planeten des Sonnensystems mitsamt Ringsystem und Magnetosphäre abtasten. Auf jeden Fall ist Cassinis Zeitplan recht eng. Binnen vier Jahre soll der Satellit den Saturn in einer Distanz von 180.000 bis 420.000 Kilometern insgesamt 76 Mal umkreisen - und dabei auch möglichst viele seiner Monde ins Visier nehmen. Zuvor aber erfolgt am 26. Oktober 2004 der erste gezielte Titan-Nah-Vorbeiflug in nur 1.200 Kilometer Distanz und am 13. Dezember 2004 der zweite aus 2.350 Kilometern Abstand zum Titan.

Riskanter Sinkflug der Huygens-Sonde

Wenige Tage später dürfte sodann bei der Europäischen Raumfahrtagentur ESA in Erinnerung an den verschollenen Mars-Lander Beagle 2 sogleich das große Zittern beginnen, wenn sich die 300 Millionen Dollar teure Huygens-Sonde - sie ist der Hauptbeitrag der ESA zur Cassini-Mission - am 23. Dezember 2004 von dem Orbiter trennt und nach einem dreiwöchigen freien Fall am Vormittag des 14. Januar 2005 in die dichte Gashülle des geheimnisumwitterten Saturnmondes mit einer Geschwindigkeit von 30.000 Stundenkilometern eintaucht.

Gehen dabei die einzelnen Manöver Hand in Hand, müsste das Gefährt bereits nach fünf Minuten von der dichten Stickstoffatmosphäre auf rund 1.000 Kilometer in der Stunde abgebremst werden, bevor sich anschließend in einer Höhe von rund 180 Kilometer zunächst ein kleinerer Fallschirm öffnet, der den oberen Hitzeschutzschild wegzieht und Raum für den ersten Hauptfallschirm freigibt. Dieser zweite Fallschirm bremst Huygens schnell auf 370 km/h ab.

Landung auf Titan. Bild: ESA

Nach einer kurzen Stabilisierungsphase wird sodann der große Hitzeschutzschild abgeworfen und die eigentliche Huygenssonde kommt zum Vorschein. Da Huygens keine Steuertriebwerke besitzt, vollzieht sich der zweieinhalbstündige Horrorflug durch die eisigen Stürme des Saturnmondes automatisch. Die Wissenschaftler können dann nur hoffen, dass das Landeszenario weitestgehend nach ihren Berechnungen verläuft.

Während des zweieinhalbstündigen Sinkfluges schwebt Huygens mit pausenlos arbeitenden Sensoren der Oberfläche des Titan entgegen und analysiert die Umgebung und die chemische Zusammensetzung der dunstigen Atmosphäre, sammelt Daten über Temperatur, Luftdruck, Windrichtung, Windstärke, elektrische Eigenschaften, Wolkenbedeckungen und vieles andere mehr. Nach Durchbrechen der Wolkendecke wird eine Kamera Aufnahmen von der Umgebung und der Oberfläche machen. In der letzten Phase des Abstiegs zum Titan beobachtet ein Kameraauge die bislang unbekannte Oberfläche des Saturnmondes. Sämtliche Daten und Bilder funkt Huygens augenblicklich an das Mutterschiff, die dort zwischengespeichert und dann zur Erde gesandt werden.

Harter Aufprall auf dem "Mond des Grauens"

Da sich das Antlitz des Riesentrabanten hinter einem dicken Dunst aus Methan und anderen Kohlenwasserstoffen versteckt, weiß momentan auch keiner so recht, was sich unterhalb seines Schleiers genau befindet und woraus die Oberfläche des "mystischen" Saturnmonds besteht. Welche Umweltbedingungen Huygens auch immer vorfinden mag und wie lange er auf dem unwirklichen Terrain überleben kann - derzeit weiß niemand, was die büchsenähnliche Kapsel, die auf Titan mit einer berechneten Aufprallgeschwindigkeit von 20 km/h aufsetzen soll, auf der Oberfläche des Trabanten erwartet.

Immerhin wurde die 343 Kilogramm schwere Eintrittssonde so konstruiert, dass sie den harten Aufschlag wenigstens für kurze Zeit überleben kann. Garantiert werden drei Sekunden, erhofft dagegen 30 Minuten. Daher wurde die Sonde sowohl für eine Landung auf dem Festland als auch für ein "Wasserung" in einem möglichen Ethan-See ausgelegt. Möglicherweise herrschen dort "unten" 180 Grad unter Null, und womöglich existieren hier Eisberge aus Methan und Ammoniak, unter denen sich eine Schicht aus Wassereis befinden könnte. Sicher ist nur, dass die Sonde auf der kargen Titan-Oberfläche zurückbleibt.

Derweil gehen die Wissenschaftler davon aus, auf Titan eine Situation vorzufinden, die dem Beginn der biologischen Evolution auf der Erde entspricht. Huygens Reise käme somit einer Zeitreise zu den Anfängen des Lebens auf der Erde gleich. Mit einem Durchmesser von 5.120 Kilometer ist Titan nach dem Jupitermond Ganymed der zweitgrößte Mond im Sonnensystem und besteht zur Hälfte aus Wassereis und Gestein. Vermutlich ist der Trabant, dessen mittlerer Abstand zum Mutterplaneten 1.221.830 Kilometer beträgt, in verschiedene Schichten mit einem 3.400 Kilometer dicken Gesteinskern ummantelt, der wiederum von mehreren, aus verschiedenartigen kristallinen Formen von Eis umgebenen Schichten umschlossen wird.

Signifikant für den größten Begleiter des Ringplaneten ist aber auch das dortige "eisige" Klima. Aufgrund seiner großen Entfernung zur Sonne, die neun Astronomische Einheiten beträgt, beläuft sich die Oberflächentemperatur Titans auf durchschnittlich minus 180 Grad Celsius, was für die Anwesenheit von flüssigem Wasser oder für die Entstehung nicht-photochemischer Reaktionen, die biologische Aktivität hervorbringen könnten, entschieden zu kalt ist. Dichte Wolkendecken, heftige Schauer und Methan-Regentropfen von bis zu neun Millimeter Größe sind hier keine Seltenheit.

Bereits Voyager konnte auf Titan eine Stickstoffatmosphäre ausmachen und die Anwesenheit von zahlreichen Kohlenwasserstoffverbindungen wie Acetylen, Ehtylen, Äthan, Methylacetylen, Propan und Diacetlyen, ja sogar Blausäure nachweisen, welche als Grundlage für die Bildung von bestimmten Bausteinen des Erbmoleküls DNA dient. Vorläufig deutet nach Ansicht der Forscher jedoch nichts auf die Anwesenheit von Leben auf Titan hin, befindet sich doch der Saturnmond derzeit in einem Zustand, der dem der Erde vor 4,6 Milliarden sehr ähnelt. Dennoch vermuten Astrobiologen in der Atmosphäre des Saturnmondes reichlich Aminosäuren und Moleküle, die eine Vorstufe zum organischen Leben darstellen und die für die Bildung von Leben, so wie wir es kennen, unabdingbar sind.

Über den aktuellen Stand der Mission (inklusive einer Beschreibung der Instrumente von Huygens) wird auch Telepolis weiterhin berichten. Wer einen Informationsvorsprung bevorzugt, abonniere den JPL-Newsletter für Cassini-Huygens. Die NASA verschickt wöchentlich einen "Status Mission Report".