Neue Spielregeln für den Kampf gegen den Terrorismus

In den USA hat das Heimatschutzministerium im Zeichen der Terrorbekämpfung weitere Möglichkeiten gefunden, der Öffentlichkeit Zugang zu Informationen zu verwehren

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Dass die Anschläge vom 11. September und die sich direkt daran anschließende Diagnose der nationalen Bedrohung nicht ohne Folgen für die alltäglichen Freiheiten der US-Bürger bleiben konnten, hatte sich schon kurze Zeit nach den Terrorakten gezeigt. In der Ära "Post-9/11" wurden von Jahr zu Jahr Sicherheitsbestimmungen zum Beispiel für Immigranten, Wissenschaftler oder Hochschüler verschärft, um auf diese Weise erneute Terroranschläge zu verhindern. Eine weitere Welle der Einschränkungen, dieses Mal bezogen auf die Geheimhaltung beziehungsweise Offenlegung von Dokumenten und Akten, ist diesen Februar über die USA gerollt.

Die Möglichkeiten von Privatpersonen, Einsicht in behördliche Akten zu gewinnen, regelt in den USA der Freedom of Information Act. Danach ist jede Bundesbehörde verpflichtet, auf eine schriftliche Anfrage hin dem Antragsteller die entsprechenden Akten zukommen zu lassen. Allerdings gibt es auch Ausnahmen von dieser Regel: Geheiminformationen, strafrechtlich relevante Informationen oder Informationen, die die Privatsphäre einzelner Personen berühren, müssen nicht freigegeben werden.

Das Department of Homeland Security hat nun einen Weg gefunden, um diese vergleichsweise liberalen Bestimmungen stärker einzugrenzen. Durch die Einführung der neuen Kategorie "Critical Infrastructure Information" (Informationen über kritische Infrastrukturen, kurz CII), für nicht-öffentlicher Daten kann nun die Öffentlichkeit auch vom Zugang zu bislang nicht beschränkten Informationen ausgeschlossen werden. Oder wie es in den Worten des Departments of Homeland Security gefasst wird: "Our Nation has one more tool to assist in protecting our country from terrorist threats.".

Die neue Kategorie der CII betrifft vor allem privatwirtschaftliche Unternehmen, die damit nun aufgefordert sind, ihr Wissen über kritische Infrastrukturen mit dem Department zu teilen, so dass die Mitarbeiter dieser Behörde mit den Daten präzisere Risiko- und Gefährdungsanalysen durchführen und Schwachstellen in der Infrastruktur herausfinden können, die dem Angriff von Terroristen ausgesetzt sind.

Mit kritischen Infrastrukturen sind vor allem solche Einrichtungen und Systeme gemeint, deren Beschädigung eine Bedrohung für nationale Sicherheit, Gesundheit, Wirtschaft und Lebensart darstellen würde. Dies ist die Begründung dafür, dass solche Informationen in Zukunft nicht mehr an die Öffentlichkeit gelangen dürfen, obwohl sie streng genommen nicht der Geheimhaltung unterliegen.

Mit der Einrichtung des Programms für Protected Critical Infrastructure Information (geschützte Informationen über kritische Infrastrukturen, kurz PCII) am 20. Februar 2004 wurden damit eine weitere Maßnahme des Homeland Security Act von 2002 in die Praxis umgesetzt. Die Unternehmen mit Zugang zu solchen Informationen können sich nun auf der Homepage des Department of Homeland Security informieren, wie sie diese Informationen übermitteln sollten - per Post oder Kurier direkt an die Murray Lane.

Dieser Teil des Homeland Security Act wird jedoch von Organisationen wie dem Electronic Privacy Information Center kritisiert. So vermutete David Sobel schon 2002, dass diese Bestimmungen solchen Unternehmen, die ihre Bilanzen fälschen, um den Aktienkurs zu retten, ganz neue Möglichkeiten eröffnen - zum Beispiel die nachlässige Führung und Wartung von Chemiewerken oder Transportsystemen vor den Augen der Öffentlichkeit zu verbergen. Auch Joanne Chan von der American Association for the Advancement of Science widerspricht der Darstellung des Department of Homeland Security und weist darauf hin, dass durch die Kategorie der "Critical Infrastructure Information" die Gefährdung nicht sinken, sondern steigen würde, da nun beispielsweise die Lage von Gefahrstoffen nicht mehr offengelegt werden muss.

"Sensitive but unclassified"

Eine weitere Innovation im Kampf des Department of Homeland Security gegen den Terrorismus betrifft die interne Vernetzung der verschiedenen Informationsquellen. Am 24. Februar hat die Behörde ihre Pläne für das Homeland Security Information Network bekannt gegeben. Dabei geht es um ein Netzwerk, mit dessen Hilfe sicherheitsrelevante Daten in Echtzeit ausgetauscht werden können: zwischen Informationsquellen auf Bundes- wie auf Landesebene, in den Städten wie auch in ländlichen Gebieten. Dabei läuft dieser Austausch über das Department of Homeland Security als zentrale Schaltstelle. Dieses Netzwerk verbindet durch 192bit-verschlüsselte Emails die Terrorbekämpfung in fünfzig Staaten, fünf Territories, Washington und fünfzig weitere Stadtgebieten miteinander.

Das Ziel ist es, durch die Vernetzung einer Vielzahl von Informationsquellen und den Austausch von Indikatoren und Trends neuen Bedrohungen der nationalen Infrastruktur in kürzester Zeit auf die Spur zu kommen. Damit dient dieses Projekt der längerfristigen Zielsetzung des Ministeriums, "mehr Energie auf die Terrorismusbekämpfung zu richten", zum Beispiel durch eine stärkere Einbindung der "fähigen, motivierten" Polizisten in den Bundesstaaten und Städten. Die hierbei auszutauschenden Informationen unterliegen der - ebenfalls neuen - Klassifikation "sensitive but unclassified" (sensibel, aber nicht geheim, kurz SBU).

Auch diese Klassifikation entstammt dem gewaltigen Arsenal des Homeland Security Act und dient dazu, nicht der Geheimhaltung unterliegende Informationen trotzdem nicht veröffentlichen zu müssen. Diese Kategorie wurde nach Joanne Chan von George W. Bush dazu verwendet, um über 6.500 vorher frei zugängliche Informationen über die chemische und biologische Kriegsführung zurückzuziehen mit der daran angeschlossenen Bitte an wissenschaftliche Zeitschriften, derart Informationen auch in Zukunft nicht mehr abzudrucken.

Eine klare Definition von "sensitive but unclassified" fehlt jedoch bis heute - aber genau das scheint den Vorteil dieser Bezeichnung auszumachen. Dass in der Kontrolle über die Unsicherheit des anderen eine der wichtigsten Machtquellen liegt, darauf haben schon die französischen Organisationsforscher Michel Crozier und Erhard Friedberg 1977 in ihrem Buch über "L'acteur et le système" (deutsch "Macht und Organisation. Die Zwänge kollektiven Handelns", 1979) hingewiesen. Auf diesen Fall angewandt, kann das bedeuten. Durch das Offenhalten der genauen Definition dieser Begriffe ist das Department in der Lage, die eigene Vorhersehbarkeit für den terroristischen Gegner systematisch zu variieren und ihm dadurch Freiräume zu entziehen. Das neue Echtzeit-Informationssystem ermöglicht dem Department, diese Machtressource schnell zu mobilisieren und sowohl den Rahmen als auch die Spielregeln dieses Spieles in Echtzeit zu manipulieren.

Durch diese Spielstrategie setzen die Terrorismusbekämpfer in den USA jedoch einen neuen Spielpartner (oder vielleicht besser: -gegner) auf das Spielfeld: die Zivilgesellschaft einschließlich Teile von Wirtschaft und Wissenschaft. Welche Folgen das für den weiteren Fortgang der Partie haben wird, ist allerdings noch nicht abzusehen.