Bleibt das Echelon-Lauschsystem Deutschland erhalten?

Von der NSA-Abhörstation in Bad Aibling werden Personal und Anlagen nach Darmstadt verlegt, wo gerade vom US-Militär eine neue Satellitenabhöranlage errichtet wird

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Eigentlich hatte die NSA im Frühjahr 2001 angekündigt, den in Deutschland befindlichen Lauschposten für das Überwachungssystem Echelon nach der erhöhten Aufmerksamkeit zu schließen, die durch den Untersuchungsausschuss des EU-Parlaments entstanden ist (Europa-Parlament verabschiedet Echelon-Bericht). Dann kam der 11.9. und die Schließung sowie die geplante Verlegung nach Menwith Hill wurden erst einmal vertagt (Lauschposten in Bad Aibling bleibt bestehen). Letztes Jahr wurde dann trotz der politischen Spannungen zwischen Deutschland und den USA beschlossen, einen Teil der Belegschaft in die neue Lauschstation in Griesheim bei Darmstadt zu verlegen.

Lauschstation Bad Aibling. Bild: Johannes W. Dietrich/Public Domain

Die vom U.S. Army Intelligence and Security Command (INSCOM) betriebene Lauschstation in Bad Aibling wird nun endgültig im September 2004 geschlossen, aber nur ein Teil des Personals wird nach Menwith Hill verlegt. Über 150 Mann der noch in Bad Aibling stationierten 66th Military Intelligence Group sollen bereits ab April nach Darmstadt kommen, wo auf dem sogenannten "Dagger Complex" eine Radarstation mit einer Sende- und vier Empfangsanlagen gebaut werden. Die durch eine Kuppel geschützten Parabolantennen sollen sechzehn Meter hoch sein und einen Durchmesser von sieben Meter besitzen. Schon zuvor wurden andere INSCOM-Einheiten von Augsburg nach Darmstadt verlegt. Im Oktober des letzten Jahres hatte das hessische Regierungspräsidium den Bau der Anlage mit einer Betriebsgenehmigung bis 2012 genehmigt. Mit den Bauarbeiten wurde im Dezember 2003 begonnen.

Der Griesheimer Bürgermeister Norbert Leber (SPD) sah sich von der Entscheidung überrumpelt und legte Widerspruch gegen die Baugenehmigung ein. Das Gelände selbst gehört allerdings zu Darmstadt. Die Genehmigung erfolgte, obgleich die Lauschstation auch noch in einem Naturschutzgebiet und in der Nähe eines Kindergartens errichtet wird. Der Widerspruch wurde vom Regierungspräsidium abgelehnt. Die Stadt überlegte, ob sie nun vor das Verwaltungsgericht ziehen soll, da die Baugenehmigung nicht mit einem Nachweis möglicher Gefahren durch die Strahlenbelastung für die Bevölkerung verbunden war, beschloss aber dann, dies wegen geringer Erfolgsaussichten doch nicht zu machen. Noch ist die Bürgerinitiative "ICEbox Griesheim" aktiv, auf einer von Kay Raven betriebenen Webseite über Echelon und andere Lauschsysteme gibt es detaillierte Informationen über den Hintergrund der Lauschanlage in Darmstadt und die aktuellen Entwicklungen.

Leber ist der Meinung, dass damit Echelon in Deutschland bleibt:

Meine Informationen deuten darauf hin, dass sie zum Spionagesystem Echelon gehören, mit dem Telefongespräche überwacht werden.

Tatsächlich spricht man beim Militär nicht nur von einer Verlegung von Personal, sondern auch von "Anlagen" (assets) der 66th Military Intelligence Group nach Griesheim. Zur Lage wird lediglich gesagt, dass man dort näher an anderen US-Militäreinrichtungen sei als in Südbayern. Allerdings wurde von Capt. George Hammar abgestritten, dass die Verlegung etwas mit der Installation der Satellitensysteme im Griesheim zu tun habe:

Die Radaranlagen haben nichts mit der Gruppe oder mit INSCOM zu tun. Das ist eine reine Navy-Anlage.

Die U.S. Naval Security Activity, das Hauptquartier ist in Fort Meade, in der Nähe des NSA-Hauptsitzes, betreibt allerdings auch andere Echelon-Posten.

Die Bundesregierung hatte der NSA-Abhöranlage in Bad Aibling einen Persilschein ausgestellt, Gerichte hatten Strafanzeigen gegen die Regierung wegen Tolerierung des Spionagesystems Echelon abgewiesen (Mehrere Staatsanwaltschaften weisen Echelon-Strafanzeige gegen die Bundesregierung wegen fehlender Beweise ab). Deutschland und Großbritannien wurden im Abschlussbericht des Echelon-Untersuchungsausschusses des europäischen Parlaments aufgefordert), weitere Überwachungsaktivitäten von ihrem Territorium durch US-Geheimdienste davon abhängig zu machen, ob sie in Übereinstimmung mit der europäischen Menschenrechtscharta stattfinden (Echelon-Ausschuss verabschiedet Empfehlungen). Die Charta verbietet eine ständige Überwachung der Kommunikation Deutschland und Vereinigtes Königreich verstoßen mit NSA-Spionageverbindungen gegen Menschenrechte). Aber das war noch vor dem 11.9., danach ist es um Echelon ruhig geworden. Immerhin verriet der bayerische Innenminister Günther Beckstein am 18. Oktober 2001 im Deutschen Bundestag im Kontext einer Diskussion über die Bekämpfung des internationalen Terrorismus ein wenig von seinem Wissen:

Hinsichtlich der Echelon-Abhöranlage in Bad Aibling haben wir uns darauf verständigt, dass wir sie - anders als die Amerikaner - in Deutschland als eine militärische Einrichtung betrachten, damit eine Betreuung durch die Bundeswehr möglich ist. Allerdings hat sich das Bundesverteidigungsministerium dieser Betrachtung bisher nicht angeschlossen. Die Amerikaner wollen dort mehr als nur einige Polizeibeamte mit Maschinenpistolen. Sie wollen für die weltweit wichtigste Abhöreinrichtung angemessenen Schutz. Dafür muss Bundeswehr her.