Sir Peter Ustinov: Avantgardist für eine bessere Weltordnung

Bis zu seinem Tod in der Nacht zum 29. März 2004 amtierte der weltbekannte Schauspieler 14 Jahre lang als Präsident des World Federalist Movement

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Mit Sondersendungen im Fernsehen, öffentlichen Beileidsbekundungen von Prominenten aus Politik, Kunst und Showbiz sowie mit Nachrufen in allen Tageszeitungen und Online-Magazinen wurde dem künstlerischen Lebenswerk, dem sozialen Engagement und der unvergesslichen Persönlichkeit des 1990 von der englischen Queen zum Ritter geschlagenen Sir Peter Ustinov weltweit gedacht. Über Gerhard Schröder, Johannes Rau, Edmund Stoiber, Gesine Schwan, Hans-Dietrich Genscher, Sabine Christiansen und Klaus Wowereit - um nur einige aus Deutschland zu nennen - alle haben sie wohl abgewogene Worte zur Ehre des verstorbenen Kosmopoliten und Multitalents gefunden.

Sein Einsatz als Botschafter für das UN-Kinderhilfswerk UNICEF war nur der in der allgemeinen Öffentlichkeit bekannteste Zweig seiner gesellschaftlichen Tätigkeit. Seit 1993 agierte Sir Peter als Ehrenpräsident des Club of Budapest, einem Zusammenschluss von global und lokal aktiven Meinungsführern in den Gebieten Kunst, Wissenschaft, Religion, Kultur und Politik, die sich der Weiterentwicklung menschlicher Werte, Ethik und des globalen Bewusstseins gewidmet haben. 1999 gründete Sir Peter seine eigene Stiftung, die in enger Zusammenarbeit mit UNICEF konkrete Projekte fördert. Seit 2000 entstanden auf Initiative von Ustinov und des Club of Budapest an den Universitäten von Budapest und Durham Institute zur Vorurteilsforschung.

Peter Ustinov auf dem WFM-Weltkongress 2002 in London

Gegenüber anderen Philantropen stach Ustinov nicht nur wegen seines besonderen Witzes und Charmes heraus. Es ging ihm nicht allein um die Förderung der besonders Benachteiligten und Hilfsbedürftigen, sondern auch um eine Beseitigung der Ursachen von Armut, Unterentwicklung und Krieg. Schon früh hatte Ustinov erkannt, dass eine Veränderung der internationalen Strukturen selbst der Schlüssel auf dem Weg zu einer besseren Weltordnung ist. Noch bevor Sir Peter 1968 begann, sich als UNICEF-Botschafter für Kinder in aller Welt einzusetzen, war er in den fünfziger Jahren deshalb Mitglied der Weltföderalisten geworden, des heutigen World Federalist Movement (WFM). Wenigen dürfte bewusst sein, dass Ustinov seit 1990 als Präsident der Weltföderalisten zugleich wichtigster Repräsentant einer Organisation gewesen ist, die sich für eine umfassende Neuordnung der internationalen Beziehungen einsetzt - für eine Stärkung und Demokratisierung der Vereinten Nationen, globale Rechtsstaatlichkeit und Umweltschutz.

"Sir Peter glaubte an politische und ökonomische Integration auf demokratischer Grundlage als dem wichtigsten Mittel, um Krieg und Unheil abzuwenden und Freiheit und Gerechtigkeit zu fördern", so das WFM in einem Nachruf. Sir Peter traf Hunderte von führenden Funktionären und Politikern der Welt und vertrat das WFM bei internationalen Konferenzen wie dem World Economic Forum. Mit seinem unnachahmlichen Sinn für Humor und Weisheit gelang es ihm, Zugang zu den Menschen zu finden und sie oft genug auch zum Nachdenken zu bewegen.

Noch niemals hat mich auf der Straße jemand aufgefordert, für Kernwaffen Geld zu spenden. Offenbar deshalb, weil die Regierungen für Waffen stets genug Geld zur Verfügung haben. Aber unzählige Male haben mich Menschen mit Sammelbüchsen um eine Spende für Arme, Kranke, Alte und Kinder gebeten. Es mag der Phantasie jedes einzelnen überlassen bleiben, sich auf diese Ungereimtheiten einen Vers zu machen.

Peter Ustinov

Als Weltföderalist war Sir Peter Ustinov ein engagierter Unterstützer der europäischen Integration, schrieb Hunderte von Artikeln und Kolumnen und besuchte Kongresse der Europäischen Föderalisten, die dem WFM als assoziierte Organisation angeschlossen sind. Im Föderalismus sah Ustinov das politische System, das am besten in der Lage ist, Vielfalt und Einheit sowie Freiheit und Gerechtigkeit zusammenzuführen. Im WFM befand er sich in der Tradition solcher Persönlichkeiten wie Albert Einstein, Albert Schweitzer und André Breton. Zu seinen Mitkämpfern bei den Weltföderalisten gehörten für viele Jahrzehnte die späteren Vizepräsidenten Thor Heyerdahl und Yehudi Menuhin, die beide vor ihm verstarben (2002 und 1999).

WFM wurde vom Fridtjof Nansen Institute 2001/2002 zu den 23 weltweit wichtigsten Nichtregierungsorganisationen im Umweltsektor gezählt. WFM hat sich u.a. für das internationale Seerechts-Übereinkommen sowie die Einrichtung der Commission on Sustainable Development stark gemacht und setzt sich für ein effizientes UN-Umweltschutz-System mit einer UN-Umweltbehörde ein. Die Anliegen gehen über Umweltfragen weit hinaus. So ist die Einrichtung einer Parlamentarischen Versammlung bei den Vereinten Nationen als erster Schritt hin zu einem Weltparlament eine der Hauptforderungen der Organisation. Weltföderalistische Aktivitäten werden in Deutschland neuerdings im Komitee für eine demokratische UNO zusammengeführt.

Als wichtigster Beitrag des WFM zur Weiterentwicklung des Völkerrechts in den 1990er Jahren ist seine Tätigkeit für den Internationalen Strafgerichtshof hervorzuheben. Sir Peter Ustinov war stark engagiert, um der vom WFM 1995 zusammengeführten Koalition von heute mehr als tausend Nichtregierungsorganisationen in aller Welt zum Erfolg zu verhelfen.

"Wird die Geschichte des Strafgerichtshofes einmal geschrieben, so wird die Aufstellung der NGO-Koalition durch die Weltföderalisten den Zeitpunkt markieren, nachdem seine Errichtung unaufhaltsam geworden ist", würdigte der damalige Generalsekretär von amnesty international, Pierre Sané, bereits 1997 das Engagement des WFM im Rahmen der Coalition for the International Criminal Court (CICC). Der unvorhergesehene Erfolg der Bemühungen zur Errichtung eines Internationalen Strafgerichtshofes zur Ahndung der schwersten denkbaren Verbrechen auf internationaler Ebene gegen den harten Widerstand der USA ist nicht zuletzt auf die konstruktive und fruchtbare Zusammenarbeit zwischen der CICC und den gerichtshoffreundlichen Regierungen zurückzuführen. Aber auch Sir Peter hat kaum eine Gelegenheit ausgelassen, um bei seinen zahlreichen öffentlichen Auftritten und in persönlichen Gesprächen auf das Anliegen aufmerksam zu machen. Das Statut des Strafgerichtshofs ist am 1. Juli 2002 in Kraft getreten und erste Fälle sind in Vorbereitung (Der Internationale Strafgerichtshof nimmt seine Arbeit auf).

Zuletzt nahm Sir Peter an den Beratungen des WFM-Weltvorstands im Oktober 2003 in Kopenhagen teil. Bei einer Rede im dänischen Parlamentsgebäude kritisierte er im Beisein des dänischen Außenministers Per Stig Moller die Beteiligung Dänemarks am Irak-Feldzug der US-Regierung mit sehr offenen und deutlichen Worten - die aber durch Ustinovs Art dennoch nicht verletzlich wirkten.

Im Laufe seiner Filmkarriere wurde Oskar-Preisträger Ustinov vor allem durch seine Rollen in Spartacus, Topkapi und als Detektiv Hercule Poirot in Verfilmungen von Krimis der Schriftstellerin Agatha Christie bekannt. Zeitlebens hat Ustinov seine Vision einer besseren Welt nicht aufgegeben. Selbst mit 82 Jahren war er vielen seiner Zeitgenossen, auch wesentlich jüngeren, gedanklich weit voraus. Mit seinem Einsatz hat er dazu beigetragen, dass wir einer gerechteren und schöneren Welt ein wenig näher gekommen sind.

Der Autor ist Mitglied im Weltvorstand des World Federalist Movement und geschäftsführender Vorsitzender des Komitees für eine demokratische UNO.