Bei jeder Mail wird mitgelesen

Googles angekündigter kostenloser E-Mail-Service will kontextbezogene Werbung platzieren und muss dafür alle Mails direkt auswerten

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Es war kein Aprilscherz, aber vielleicht doch ein Scherz, als Google am 1. April ankündigte, bald einen kostenlosen E-Mail-Service anzubieten. Jeder Nutzer erhalte bei Google Mail ein Gigabyte Speicher, in dem die Mails nach Konversationsthreads geordnet werden und sich mittels Google-Technik durchsuchen lassen. Angeboten wird ein leistungsfähiger Spam-Filter, aber auch die Platzierung von kontextbezogener Werbung in den Mails.

Google hat bereits mit AdSense den ersten Schritt gemacht, gezielt Werbung zu den jeweiligen Inhalten auf einer Seite zu platzieren. Das funktioniert ähnlich wie Google eine Seite indexiert. Bei AdSense ist der Zusammenhang bislang mehr oder weniger schlüssig, abhängig sowohl von den Texten als auch von den Werbekunden. Das diese direkte Verbindung von Inhalt und Werbung negative Aspekte darauf haben kann und wird, welche Informationen von Medien angeboten werden, steht auf einem anderen Blatt. Verdient wird, wenn die Besucher einer Seite auf die Anzeige klicken. Werden Anzeigen mit bestimmten Angeboten häufiger angeklickt, so werden mehr solcher Inserate geschaltet.

Ähnlich will nun offensichtlich Google auch an Gmail verdienen oder dies finanzieren. Um nun Werbung in die Mails einzufügen, die etwas mit deren Inhalt zu tun haben, muss erst einmal der Inhalt erfasst und ausgewertet werden. Jonathen Rosenberg, Vizepräsident der Produktgruppe von Google, preist diese Art der Bewerbung so an, dass die Menschen Anzeigen erhalten, die für sie nützlich seien. Wenn man also, so sein Beispiel, etwas über Kleidung für Gartenarbeit schreibt, dann taucht etwa eine Werbung über eine Gartenbank auf. Bei einem Test wäre dies bei ihm passiert - und er habe die Bank gleich für seine Eltern gekauft. So hätte man es gerne.

No pop-up ads. No banners. You see only relevant text ads and links to related web pages of interest.

Google über Gmail

Google versichert, dass "kein Mensch Ihre Mail liest, um Anzeigen oder andere Informationen ohne ihre Zustimmung zu schalten", aber auch wenn die Mails nur automatisch gelesen und ausgewertet werden, ist das doch auch ein Eingriff in die Privatsphäre - und zudem bestens benutzbar auch für andere Zwecke. Bei einem Gigabyte Speicher lassen sich zudem viele Mails nach der Devise von Google: "Don't throw anything away" unterbringen - und auch durchsuchen. Roger Kay von IDC fürchtet, dass sich daraus eine Art "elektronischer Nase" machen ließe: "Je definierter man ist, desto definierbarer wird man, desto mehr ist man sichtbar."

In der "Privacy Police" für Gmail ("As a condition to using the Service, you agree to the terms of the Gmail Privacy Policy as it may be updated from time to time") wird versichert, dass das Durchsuchen der Mail "vollständig automatisch" geschehe. Es werde nur eine "begrenzte Textmenge" erfasst, um dazu entsprechende Anzeigen oder Informationen einzubauen. Angeblich soll das Verhalten der Nutzer, also welche Anzeigen angeklickt und welche Websites besucht wurden, nicht gespeichert werden. Erfasst würden nur "nicht-persönliche Daten, welche Anzeigen und wieviele Anzeigen in Gmail präsentiert und angeklickt werden". Die Werbekunden würden nur die Gesamtzahl der Impressions und Klicks für jede Anzeige erhalten, aber keine persönlichen Informationen über die Benutzer. Klickt man auf den Link in einer Anzeige, dann wird dem Werbekunden nur über eine Referrer-URL mitgeteilt, dass der Besucher von Gmail kommt.