It's a Bird, it's a Plane, it's a... Spacecraft?

Experten rätseln über die Herkunft eines unbekannten Flugobjektes, das 'Spirit' während einer Observation des marsianen Nachthimmels fotografierte

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Was hat da bloß die Panoramakamera des 'Spirit'-Roboters der Mars Exploration Rover-Mission vor einigen Wochen am Himmel des Mars fotografiert? Steckt hinter dem unbekannten Flugkörper, der auf dem 'Spirit'-Bild zu sehen ist, wirklich ein Meteor oder eine irdische Raumsonde, womöglich gar ein außerirdisches Raumschiff? Während die BBC-News das von 'Spirit' aufgenommene Objekt als UFO bezeichnete, verliert sich ein Mars-Experte in der NASA-Pressemeldung sogar in Spekulationen, die Anhängern der extraterrestrischen Hypothese gefallen könnten. Auf jeden Fall gehen die Experten in der Beurteilung des beobachteten Phänomens getrennte Wege.

Zugegebenermaßen lässt sich nur schwer in Abrede stellen, dass die so genannte UFO-Problematik unter Einbeziehung der Möglichkeit, dass sie einen extraterrestrischen Hintergrund haben könnte oder dass sich hinter dem Phänomen gar Raum- und Zeitreisende aus unserer Zukunft (oder Vergangenheit) sowie Besucher aus Parallelwelten verbergen könnten, auch auf Skeptiker eine gewisse Faszination ausübt. Schließlich hat der Gedanke, dass uns außerirdische hochstehende Kulturen oder Historiker aus der irdischen Zukunft in regelmäßiger Unregelmäßigkeit einen Besuch abstatten, doch irgendwie etwas Verlockendes und zugleich Geheimnisvolles.

Noch kein "handfester" Beweis

Allerdings liegt bis auf den heutigen Tag kein eindeutiger von der Wissenschaft allgemein akzeptierter Beweis für die physikalische Echtheit des UFO-Phänomens vor. Zumindest kein "handfester" Beweis, der für die Forscher "greifbar" und begreifbar wäre. Weder UFO-Forscher noch Skeptiker konnten die materielle Existenz der "Fliegenden Untertassen" jemals eindeutig be- oder widerlegen, obgleich es nach Aussage vieler UFO-Forscher an seriösen Zeugen und aussagekräftigen Indizien - hierunter etliche Privatvideos, Bilder und auch militärische Radarplots - keineswegs mangelt.

Dennoch: Stichhaltige Beweise, wie etwa die in Militärarchiven vermuteten Top-Secret-Dokumente über UFO-Begegnungen der Dritten, Vierten oder Fünften Art oder die angeblich in irgendwelchen US-Basen versteckten Aliens sind weder falsifizierbar noch verifizierbar, da sie der Öffentlichkeit, den Medien und der Wissenschaft nicht zugänglich sind.

Was auch immer in den Geheimakten, Geheimlaboratorien, abgelegenen Hangars oder unterirdischen Archiven deponiert sein mag - so lange alles unter Verschluss bleibt (wenn es überhaupt etwas gibt, das geheimgehalten werden muss) und so lange nur ein unvollständiges Mosaik von Indizien vorliegt, mögen Skeptiker und erklärte UFO-Gegner "vorerst" noch auf der besseren und sicheren Seite sein.

Ausgediente Viking 2 fotografiert?

Auf der besseren und sicheren Seite - das wollte auch die US-Raumfahrtbehörde NASA in Bezug auf die UFO-Debatte stets sein. Wann immer sie es für notwendig erachtete, scheute sie in der Vergangenheit keinen PR-Aufwand, um ihre ablehnende Haltung zu diesem delikaten Thema kundzutun. Oft wurden, so werfen etliche UFO-Forscher der NASA vor, Sichtungen einfach dementiert, wichtige Zeugenaussagen unter dem Teppich gekehrt, bagatellisiert oder wie im Fall Catherine Colemann schlichtweg ignoriert.

Umso mehr überrascht, dass die amerikanische Raumfahrt-Administration kürzlich eine Pressemeldung mit einem ungewöhnlichen Foto veröffentlichte, auf dem ein unbekanntes Flugobjekt zu sehen ist, von dem bis auf dem heutigen Tag kein Forscher genau sagen kann, worum es sich dabei genau handelt.

Wie in der Verlautbarung zu lesen ist, sei der Schnappschuss der Navigation- und Panorama-Kamera des 'Spirit'-Geländefahrzeugs (Mars Exploration Rover Mission) gelungen. Die nach den Worten der NASA wirklich handfeste "Überraschung" erfolgte während einer Routine-Observation des Nachthimmels mit einem Grünfilter der Panorama-Kamera. Das fadenförmige Gebilde, das in der Bildmitte auftauchte, sei zum Zeitpunkt der Belichtung sehr wahrscheinlich das hellste Objekt am Marshimmel gewesen. Es habe sich während der 15-sekündigen Belichtungszeit um 4 Grad bewegt: daher die fadenförmige Struktur. Bei dem fotografierten Gegenstand handele es sich aber sehr wahrscheinlich nicht um eine der im Mars-Orbit treibenden ausgedienten russischen Sonden Mars 2, Mars 3, Mars 5 sowie Phobos 2 oder gar um einen der US-Satelliten Mariner 9 oder Viking 1. Vielmehr käme für das gesichtete Objekt nur der Viking-2-Satellit in Frage, nicht zuletzt deshalb, da aus der Nord-Süd-Himmelsausrichtung des Bildausschnittes hervorgehe, dass sich der detektierte Körper in einer polaren Umlaufbahn bewegt. Und nur Viking 2 sei in der Lage, auf dieser Route mit einer derart "hohen" Geschwindigkeit zu fliegen.

Zwischen den Zeilen gelesen

Damit wäre doch alles gesagt und geklärt. Nichts Mysteriöses auf dem Bild, nur US-Weltraumschrott in marsianen Gefilden, der infolge der 15-sekündigen Belichtungszeit zu einer fadenförmigen Struktur verzerrt wurde. Entgegen der reißerischen Überschrift, die zu allen möglichen Assoziationen einlädt, ist also nur eine terrestrische Raumsonde zu bewundern. Ein Satellit, der zwar bereits am 25. Juli 1978 deaktiviert wurde, der aber in der jungen Raumfahrtgeschichte der erste überhaupt ist, der von einem fremden Planeten aus mit einer irdischen Kamera fotografiert wurde.

Ob es nun ein Public-Relation-Fauxpas oder beabsichtigt war - Prof. Mark T. Lemmon vom Department of Atmospheric Sciences, den die NASA in der Pressemeldung abschließend zitierte, stellte die schöne Viking-These mit einem zweideutigen Kommentar dann doch wieder in Frage:

Is this the first image of a meteor on Mars, or an image of a spacecraft sent from another world during the dawn of our robotic space exploration program? We may never know, but we are still looking for clues.

Was immer der Atmosphärenforscher, der dem NASA-Rover-Team angehört, sich unter einem Raumschiff von einer anderen Welt vorstellt - ob er dabei nur ein irdisches oder gar ein extraterrestrisches vor Augen hatte, mag dahin gestellt bleiben. Fakt ist nur: Zwischen den Zeilen gelesen und mit Blick auf die Überschrift der NASA-Pressemeldung drängt sich automatisch der Eindruck auf, es könnte hinter dem Phänomen doch etwas Mysteriöseres, ja eventuell sogar etwas Extraterrestrisches stecken.

Experten uneins

So widersprüchlich sich der ganze Sachverhalt darstellt, so unterschiedlich gestaltet sich das Urteil anderer Experten, die in der Bewertung und Interpretation der Rover-Aufnahme zu völlig anderen Schlüssen gelangen. Wie eine Telepolis-Recherche ergab, können selbst diese das bizarre Objekt auf dem 'Spirit'-Bild weder einem bislang bekannten natürlichen Phänomen oder einem irdisch-künstlichen Gebilde eindeutig zuordnen. So besteht etwa für den Meteor-Experte Jürgen Rendtel kein Zweifel daran, dass es sich bei dem Phänomen "nicht" um einen Meteor etc. handeln kann:

Wenn Meteore in die Mars-Atmosphäre eintreten, haben aufgrund der dortigen dünneren Atmosphäre einen längeren Leuchtweg. Wir haben hier vier Grad in 15 Sekunden, was natürlich sehr langsam ist. Das ist mit Sicherheit kein Meteor - auch unter Marsbedingungen nicht.

Auch wenn auf dem Mars die Eintritts- und Aufleuchthöhen anderes seien als bei der irdischen Atmosphäre, müsse sich hier ein Meteor einfach schneller bewegen, betont der Forscher. Zudem müsse ein Meteor mit einigen Kilometern in der Sekunde in die Atmosphäre eindringen, um überhaupt aufleuchten zu können, was auch auf dem Mars nicht anders sein sollte.

Bizarre Marsgesteine: 'Spirit'-Aufnahme mit der Panorama-Kamera (Bildnachweis: NASA/JPL)

Der Meteorexperte Detlef Koschny schließt ebenfalls einen natürlichen Körper als Ursache für das observierte Schauspiel am Himmel aus:

Für ein Meteor wäre es viel zu langsam. Meteore sind zwar auf dem Mars niedriger als auf der Erde, weil hier die Atmosphäre dünner ist. Bei einer Bewegung von vier Grad in 15 Sekunden würde ein Meteor über den ganzen Himmel fliegen müssen.

Völlig anders bewertet den Sachverhalt der Reentry-Experte Prof. Walter Flury vom ESA-European Space Operations Center (ESOC) in Darmstadt, der mit irdischem Weltraumschrott bestens vertraut ist. Seiner Ansicht könnte es sich bei dem Flugkörper eher um einen kosmischen Gesteinsbrocken handeln. "Ich tippe auf einen Meteor". Ähnlich sieht dies Mike McKay, der Leiter des ESA-Raumfahrtkontrollzentrums ESOC: "Es könnte ein Meteor sein".

Viking 2 möglich, aber eher unwahrscheinlich

Auch wenn einige Kontaktierungsversuche scheiterten, die NASA und das JPL zu einer weiteren Stellungnahme zu bewegen und darüber hinaus kein ehemaliger Viking-2-Mitarbeiter des seit 26 Jahren eingestellten Viking-2-Programms aufzutreiben war, der Rede und Antwort gestanden hätte, kommentierte immerhin der bereits zuvor zitierte Prof. Mark T. Lemmon auf Anfrage nochmals die Beobachtung. Dabei wies der NASA-Mitarbeiter abermals auf die theoretische Möglichkeit hin, dass auf dem 'Spirit'-Bild die ausgediente Viking 2 abgelichtet sein könnte, wobei die Bewegung des gesichteten Objekts grundsätzlich ein wenig zu schnell erfolgt sei. Auf jeden Fall scheide die Schwester-Orbiter Viking 1 aufgrund ihres langsamen Orbits als potenzieller Kandidat ganz aus.

Viking-2-Orbiter mit Fracht: War der obere Teil des Orbiters für kurze Zeit am Mars-Himmel zu sehen?

Und was die Meteor-These angehe, gäbe es auch einige Ungereimtheiten. "Wenn es ein Meteor sein sollte, dann sieht es in der Tat etwas seltsam aus", erläutert Lemmon. Streng genommen gelte dies auch für die Raumsonden-These. Hierzu Lemmons Originalton: "The same is true for the spacecraft explanation. I would not rule out either based on the evidence we have so far."

Eins sei aber gewiss: Die Kamera des Rovers habe korrekt gearbeitet und auf dem Bild sei auch kein Teil des Instrumentariums von 'Spirit' zu sehen. Gegenwärtig, so Lemmon, gehe man weiteren Hinweisen nach. Dennoch habe man bislang keine genaue Erklärung für das beobachtete Gebilde am Marshimmel.

Nun, vielleicht sehen die Telepolis-LeserInnen ja das seltsame "Ding" mit anderen Augen und lösen die bisherigen widersprüchlichen Interpretationen der Experten mit einer plausibleren Erklärung auf. Schließlich dürften doch einige Millionen Augen mehr sehen als nur einige Dutzend.

Spirit-Bild in Großaufnahme